Bei vielen Unterstützern des US-Präsidenten ist der Fall des Sexualverbrechers Epstein das Symbol für eine kriminelle, verrottete, liberale Elite. Nun sagen das Justizressort, FBI und Trump: Es gibt nichts zu sehen. Viel Zorn richtet sich gegen Justizministerin Bondi.

Die MAGA-Welt ist in Aufruhr. Wer hatte nachweislich mit Jeffrey Epstein und dem sexuellen Missbrauch von Frauen und Minderjährigen zu tun? Was geschah in der Nacht seines Suizids in einer Gefängniszelle in New York im Jahr 2019? Sie habe eine Liste mit Jeffrey Epsteins Kunden "zur Prüfung auf meinem Schreibtisch", hatte US-Justizministerin Pam Bondi im Februar auf eine entsprechende Frage geantwortet. Am Sonntag, fünf Monate später, soll sie nicht existieren. Dies gaben das Ministerium und das FBI bekannt. Epstein hat demnach auch niemanden erpresst - und starb durch Selbstmord.

Nun fliegen unter prominenten Unterstützern von US-Präsident Donald Trump die Fetzen. Es ist zwar nicht das einzige Thema, was die MAGA-Welt derzeit beschäftigt, aber das zentrale. Ohnehin sei Epstein "das Schweizer Messer der Verschwörungstheorien" für Trumps Unterstützer, hieß es in der "New York Times". Von der Geschlossenheit der ersten Regierungsmonate ist kaum noch etwas zu sehen, die Zweifler unter den wichtigen Influencern werden lauter: Keine Epstein-Liste? Neue Staatsschulden statt Einsparungen? Krieg im Nahen Osten, weiterhin in der Ukraine, mit Unterstützung der USA? Ist es das, was wir im vergangenen Jahr gewählt haben?

Wegen des Epstein-Memos, das weitere Ermittlungen ausschließt, steht Bondi unter intensivem Beschuss. Hat sie das so wichtige Ministerium etwa nicht im Griff? Bondi hatte viel Aufklärung versprochen, aber bislang wenig gehalten. Auch FBI-Chef Kash Patel und dessen Vize Dan Bongino werden von bekannten MAGA-Stimmen kritisiert. Die beiden hat Trump explizit in Schutz genommen - seine Justizministerin jedoch nicht. Die rechte Influencerin Laura Loomer etwa, die Trumps Vertrauen genießen soll, forderte in einer wahren Flut an öffentlichen Nachrichten den Rücktritt oder die Entlassung der Ressortchefin.

"Das amerikanische Volk und die MAGA-Anhänger werden es nicht hinnehmen, belogen zu werden", tönte Loomer, die - ohne Belege - behauptet, das Ministerium unterdrücke Beweise für einen Mord an Epstein. "Bondi sollte gefeuert werden. Sie hat sowohl die Regierung als auch Aussagen von Trump und (Vizepräsident) Vance untergraben." Bondi vertusche zudem Sexualvergehen an Kindern im Bundesstaat Florida, wo sie von 2011 bis 2019 Generalstaatsanwältin war, und wolle verbergen, warum sie ihn damals nicht anklagte, meinte Loomer. "In dieser Zeit kamen erhebliche neue Beweise gegen ihn ans Licht."

Symbol für kriminelle, verrottete Elite

In den Jahren vor Trumps zweiter Amtszeit ist Epstein zum Symbol dafür geworden, wie korrupt das Justizministerium und die Bundespolizei FBI angeblich sind, sie demnach Informationen zurückhalten, um eine gesellschaftliche Elite zu schützen, als Teil eines "tiefen Staates" (deep state), der in Washington die Kontrolle hat. Die liberale Elite ist nach dieser Vorstellung international vernetzt, trifft Entscheidungen über den Kopf der Menschen hinweg und vertuscht ihre schrecklichen Verbrechen, um ihren Einfluss und ihre Macht nicht zu gefährden. Damit sollte Trump aufräumen - doch jetzt soll sich einfach alles in Luft aufgelöst haben?

Die mysteriöse Liste Epsteins ist ein Nexus dieser Überzeugungen, weil sie alles auf einmal aufdecken sollte - welche moralisch verdorbenen Reichen und Mächtigen mit ihm zu tun hatten, beteiligt waren, etwas verbergen. Es ist bekannt, dass etwa Ex-Präsident Bill Clinton und Bill Gates mit Epstein zu tun hatten. Der mit Trump zerstrittene Elon Musk twitterte am Dienstag: "Wie kann man von den Menschen erwarten, dass sie Trump vertrauen, wenn er die Epstein-Akten nicht veröffentlicht?" Musk könnte das Thema in den Wahlkampf tragen, sollten tatsächlich Kandidaten seiner "America Party" bei den Kongresswahlen 2026 antreten.

Epstein hatte einmal in einem Interview gesagt, Trump sei zehn Jahre lang sein "engster Freund" gewesen. Trump hat das dementiert. Aber darum geht es bei MAGA kaum - sondern um das mögliche Motiv dafür, eine angebliche Wahrheit zu vertuschen und damit prominente Täter des Kindesmissbrauchs zu schützen. Bei einer theaterreifen Kabinettssitzung mit anwesenden Journalisten am Dienstag gab der Präsident das Signal, das Thema sei für ihn durch: "Warum redet noch jemand über Epstein?", antwortete er verständnislos auf eine Frage zum Fall.

Viel Geld mit Gerüchten

Aber was steckt nun dahinter - lügt die Justizministerin? Darüber diskutieren die MAGA-Influencer. Bondi verteidigt sich, sagt, sie habe nicht eine tatsächliche Liste, sondern die Akten und Dateien über den Fall gemeint, die auf ihrem Tisch gelegen hatten. Schon kurz nach ihrer Aussage im Februar hatte sie versucht, die wichtigen Stimmen der MAGA-Welt hinter sich zu bringen. Bondi händigte ihnen bei einem Treffen im Weißen Haus einen Ordner aus: "Die Epstein-Akten, Phase 1", stand in großen roten Lettern auf dem Titelblatt. Stolz kamen sie aus dem Weißen Haus und hielten die Mappe in die Höhe, deren rund 200 Seiten später ohnehin veröffentlicht wurden. "Ein Souvenir", sagte einer von ihnen säuerlich. Denn viel Neues war in den Dokumenten nicht zu finden.

Eine weitere Frage ist: Warum haben Patel und Bongino die Schlussfolgerung abgesegnet? Beide hatten vor ihrem Gang in die Politik jahrelang mit Verschwörungstheorien rund um Epsteins Machenschaften viel Geld verdient. Damit wurden sie in Trumps MAGA-Welt bekannt, so schafften sie es ohne Erfahrung auf ihre Posten. Die Begründung war: Die Behörden sind so korrupt, sie verbergen so viele Informationen, nur jemand von außen könne richtig aufräumen.

Es gibt auch andere Erklärungen in der MAGA-Welt. Eine davon: Trump ziehe die Fäden und habe die Veröffentlichung der Liste abgeblasen, weil er den "tiefen Staat" öffentlich in Sicherheit wiegen wolle, ihm aber hinter den Kulissen den Garaus mache. Dies meinte ein "Experte" beim bekannten rechten Verschwörungstheoretiker Alex Jones: "Trump zwingt den 'tiefen Staat' mit den Epstein-Akten zur Aufgabe", betitelte der die mutmaßliche Heldentat. Egal, was das Justizministerium und das FBI nun gesagt haben - etwas wird nach Überzeugung der MAGA-Influencer immer vertuscht. Womöglich aus Epsteins Todesnacht?

Was geschah in den 62 fehlenden Sekunden?

Bondis Ressort hatte neben dem Schreiben auch die Überwachungskamera aus Epsteins Suizidnacht in voller Länge veröffentlich - doch es fehlen 62 Sekunden. Wilde Vermutungen schießen darüber ins Kraut, was zwischen 23:58 und 0 Uhr in der Todesnacht vor sechs Jahren geschah. Die Ministerin erklärte, die Aufnahmen würden immer um diese Zeit unterbrochen. Aus Sicht der Verschwörungsfreunde ist es ein weiterer Grund dafür, am Suizid Epsteins zu zweifeln.

Die anderen Gründe: Erstens, zwei andere Überwachungskameras funktionierten in der Todesnacht nicht, es soll also keine anderen Aufnahmen geben. Zweitens, Epstein war allein, sein Zellengenosse war am Abend verlegt worden. Drittens, die Gefängniswärter hätten Epstein alle 30 Minuten kontrollieren sollen, doch in der Nacht des Todes schliefen sie ein, blieben der Zelle über drei Stunden fern. Der Körper wurde um 6.30 Uhr morgens entdeckt. Und viertens, bereits einen Monat zuvor war Epstein verletzt aufgefunden worden. Offiziell war es ein Suizidversuch, aber das Überwachungsvideo verschwand.

Apropos Video. Bondi hatte nach dem Akten-Fiasko im Februar weitere Veröffentlichungen versprochen und gesagt, es gebe beim FBI "tausende" bislang unbekannte Seiten mit Informationen sowie Videomaterial. Epstein hatte in seinen Häusern in New York und auf den Virgin Islands Überwachungskameras installiert. Manche sagen, er habe sich so absichern wollen - Gäste so in der Hand gehabt, die sich bei ihm mit Mädchen trafen. Bondi sagte nun, das Material sei vorwiegend Kinderpornografie gewesen, es werde nie veröffentlicht.

Auch das kann in den Augen der MAGA-Welt nur eine Tarnung sein, um jemanden zu schützen. Denn wenn es im Fall Epstein keine Verschwörung, keine versteckte Wahrheit und keinen Kampf für Gerechtigkeit mehr gibt - wofür hätte die MAGA-Welt sich dann so lange aufgerieben?

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