Richtig groß sind Union und SPD zwar nicht mehr, dennoch agiert die Koalition in schlechtester GroKo-Manier: Sie verteilt Geld nach dem Gießkannenprinzip und scheut echte Sparmaßnahmen. Was in Zeiten des Wachstums nur falsch war, ist mit geliehenem Geld hochgefährlich.
Endlich geht es ein wenig bergauf in der wirtschaftlich darbenden Bundesrepublik. Die Wirtschaftsprognosen hellen sich auf, ganz maßgeblich wegen der schuldenfinanzierten Investitionspläne der schwarz-roten Bundesregierung. Ist das nun Grund für Erleichterung, Freude oder gar Applaus? Mitnichten.
Es ist fraglos richtig, Infrastruktur und Verteidigungsfähigkeit auf einen akzeptablen Stand zu bringen. Das kurbelt nebenher die Binnennachfrage an und senkt die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft vom Weltmarkt. Doch so pauschal und planlos wie Schwarz-Rot das in nie dagewesenem Umfang geliehene Geld verteilt und zugleich klare Priorisierungen im Haushalt scheut, droht diese einmalige Rekordschulden-Chance dieser Regierung zu verpuffen. Mittelfristig könnte die Bundesrepublik sogar schlechter als zuvor dastehen.
Ausführlich ließ sich Bundesfinanzminister Lars Klingbeil im Bundestag dazu aus, wer von den geplanten 850 Milliarden Euro Schulden im Laufe dieser Legislaturperiode profitieren soll. Kurz: alles und jeder. Wozu fast nichts zu hören war: Wo die Bundesregierung künftig im Kernhaushalt spart. Dabei wird das Budget des Bundes durch die Schuldenprogramme immer mehr belastet. Schon 2029 könnte der Zinsdienst den Haushalt um 60 Milliarden Euro und mehr belasten - und das jährlich. Der Anteil der nicht gebundenen Haushaltsmittel könnte binnen zehn Jahren auf einen niedrigen einstelligen Prozentsatz sinken. Künftige Bundesregierungen hätten dann praktisch keinen Manövrierraum mehr.
Das Geld kommt, die Reformen vielleicht
Klingbeils Sparbemühungen beschränken sich nach eigenen Angaben im Wesentlichen darauf, dass er weitere Ausgabenwünsche anderer Minister und Ministerinnen im Umfang von fast 50 Milliarden Euro abgewehrt habe. Echte Sparanstrengungen beschränken sich auf pauschale Kürzungen beim Stellenbudget aller Ressorts um jährlich 2 Prozent, also ohne klare Priorisierung. Das läuft erwartbar darauf hinaus, Stellen angehender Pensionäre und Rentner pauschal nicht nachzubesetzen - auch dort nicht, wo Personal gebraucht wird. Hinzukommt die pauschale Absenkung der deutschen Entwicklungshilfebeiträge - also dort, wo es kurzfristig niemandem wehtut, zumindest nicht in Deutschland.
Der Rest ist Prinzip Hoffnung: Hoffentlich gelingt es, mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Hoffentlich geht Deutschland effizienter gegen Steuerbetrüger und Schwarzarbeit vor. Die Koalition bringt nicht die Kraft auf, den Rotstift bei etwaigen Subventionen anzusetzen. Im Gegenteil: Der Wachstumsbooster etwa setzt bei der E-Autoförderung erneut auf Subventionen, indem Unternehmen deren Anschaffung fast vollständig gegen von ihren zu versteuernden Gewinnen abziehen können. Zugleich bekommt die Gastronomie ihre Mehrwertsteuersenkungen und die CSU das Wahlgeschenk Mütterrente.
Bei den Ausgaben hingegen gilt das schon zu Zeiten der Großen Koalition unter Angela Merkel fest verankerte Gießkannenprinzip. Pauschale Steuererleichterungen, pauschale Entlastungen bei den Energiekosten. Hinzukommt viel Geld für die Bahn, die aber erkennbar planlos agiert, und für die Bundeswehr, die ihre strukturellen Probleme im Beschaffungswesen nach Einschätzung von Experten weiterhin nicht zu beheben weiß. Der Reformdruck sinkt aber, wenn das viele Geld die Ineffizienz der Ausgaben verschleiert. Die Hebelwirkung der Rekordinvestitionen schrumpft unweigerlich.
Ein Erfolg gegen alle Erfahrungen
Der Erfolg der Investitionen hängt daran, dass der Bundesregierung Strukturreformen gelingen. Sei es bei den Bürokratiekosten für Wirtschaft und öffentliche Verwaltung oder bei den rasant steigenden Kosten der Sozialversicherungen. Es wird Bundeskanzler Friedrich Merz, seinem Stellvertreter Klingbeil und dem übrigen Kabinett sehr viel Fokus und Konzentration abverlangen, diese Reformen zeitnah auf den Weg zu bringen. Die Erfahrung mit bisherigen schwarz-roten Regierungsbündnissen lehrt, dass überbordend viel zur Verfügung stehendes Geld diese Koalitionen vom Reformweg ablenkt. Sollte sich dieses Muster wiederholen, ist der Schaden fatal, womöglich irreparabel.
Schwarz-Rot geht mit diesem Haushalt eine Wette ein, dass ihr mehr als jede andere Bundesregierung der vergangenen Jahrzehnte gelingt und die Wirtschaft so kräftig wie nachhaltig anzieht. Derweil darf kein externer Schock alle Kalkulationen über den Haufen werfen. Sei es ein eskalierender Zollkonflikt zwischen Europa und den USA, eine militärische Eskalation zwischen Russland und der Nato oder eine chinesische Invasion Taiwans.
Die Haushaltspläne sind eine gigantische Wette darauf, dass alles, aber wirklich alles glückt. So viel Chuzpe imponiert. Wer aber auf einen funktionierenden Staat angewiesen ist, der dauerhaft der Daseinsfürsorge nachkommen kann, hat allen Grund zu Sorge - und festgedrückten Daumen.
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