Drei Richterposten am Bundesverfassungsgericht sind neu zu besetzen. Nach intensiven Debatten einigt sich der Wahlausschuss des Bundestags auf zwei Kandidatinnen und einen Kandidaten. Im Bundestag könnten nun die Stimmen der Linken oder der AfD entscheidend sein.
Die erste Hürde bei der Besetzung dreier Richterstellen am Bundesverfassungsgericht ist genommen - nun steuert alles auf die Abstimmungen am Freitag im Bundestag zu. Der Wahlausschuss des Bundestags hat sich nach Informationen aus Teilnehmerkreisen darauf geeinigt, zwei Kandidaten der SPD und einen der Union für die Posten zu empfehlen - inklusive der in Reihen der Union umstrittenen SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf.
Die endgültigen Entscheidungen über den Unionskandidaten Günter Spinner, bislang Richter am Bundesarbeitsgericht, und die von der SPD nominierten Jura-Professorinnen Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold sollen am Freitag im Plenum des Bundestags fallen. Union und SPD verfügen dort aber auch zusammen mit den Grünen nicht über die Zweidrittelmehrheit, die für die Wahl von Verfassungsrichtern nötig ist. Das bedeutet, dass Stimmen von AfD oder Linken den Ausschlag geben könnten.
Insbesondere gegen Brosius-Gersdorf hatte es zuvor Widerstand aus Reihen der Union gegeben. Die Jura-Professorin hatte sich unter anderem in der Corona-Pandemie für eine Impfpflicht eingesetzt und plädiert für eine Reform des Abtreibunsgrechts. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig bezeichnete sie auf X als "unwählbar". In der Sitzung der Unionsfraktion soll es intensive Diskussionen über die Personalie gegeben haben.
Keine Zweidrittelmehrheit mit den Grünen
Am Freitagmorgen soll zunächst über einen Richter abgestimmt werden, aller Voraussicht nach wird das der von der Union nominierte Kandidat sein. Die Wahl der beiden weiteren Richterinnen steht gegen Mittag auf der Tagesordnung der letzten Sitzung des Bundestags vor der Sommerpause.
Anders als im Wahlausschuss mit seinen zwölf regulären Mitgliedern könnten die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD für die Abstimmung im Plenum neben den Grünen auch Stimmen der Linken brauchen, sofern sie sich nicht von Stimmen der AfD abhängig machen möchten. Die Wahl ist geheim. In ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss hat die Union festgelegt, dass es weder mit der AfD noch mit der Linken eine parlamentarische Zusammenarbeit geben soll.
Für die Wahl im Plenum ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen nötig - wenn alle Fraktionen gemäß ihrer relativen Stärke vertreten wären und geschlossen abstimmen würden, bräuchte es also AfD oder Linke. Daneben muss mindestens eine Mehrheit aller 630 Bundestagsmitglieder erreicht werden, also mindestens 316 Stimmen.
Spahn gibt sich zuversichtlich
Die Führung der Unionsfraktion setzt darauf, dass alle drei Kandidaten und Kandidatinnen der schwarz-roten Koalition für das Bundesverfassungsgericht mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden. Fraktionschef Jens Spahn verwies darauf, dass sich die Union mit der Nominierung von Günter Spinner den Vorschlag aller derzeitigen Verfassungsrichter zu eigen gemacht habe. Die Führung der Unionsfraktion unterstütze ihrerseits die beiden Vorschläge der SPD. "So haben wir es miteinander vereinbart", sagte Spahn. Die Sozialdemokraten hätten zugesichert, dass Brosius-Gersdorf nicht Vizepräsidentin des Verfassungsgerichts werden solle.
Die AfD-Fraktionsführung empfiehlt ihren Mitgliedern, für den Unionskandidaten zu stimmen. Die beiden Kandidatinnen, die die SPD vorschlägt, werde man dagegen nicht unterstützen, kündigte Fraktionschefin Alice Weidel an.
Die Linke hingegen beharrte vor der Wahl auf Gespräche mit der Union. "Ohne Gespräch keine Wahl, das ist ganz einfach", sagte der Linken-Vorsitzende Jan van Aken. Die Linke will nach seinen Worten mit der Union Absprachen treffen sowohl für die Wahl und das Vorschlagsrecht für Richterpositionen als auch über die Besetzung von Positionen im Parlamentarischen Kontrollgremium oder die Reform der Schuldenbremse. Die Union habe aber keinen Kontakt aufgenommen. Stimmt die Linke bei Spinner nicht zu, die AfD aber schon, könnte erstmals ein Verfassungsrichter mit deren Stimmen gewählt werden.
Die 16 Richter und Richterinnen des Bundesverfassungsgerichts werden je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt. Aktuell sind gleich drei Posten vom Bundestag zu besetzen. Einen Kandidaten kann die CDU/CSU vorschlagen, zwei die SPD.
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