Am Bundesverfassungsgericht müssen drei Stellen nachbesetzt werden. Eine jeweils nötige Zweidrittelmehrheit ohne die AfD können Union, SPD, Grüne und Linke nur zusammen schaffen. Sowohl die CDU als auch die Linke schalten allerdings auf stur.

Als die Union Ende Januar eine Resolution zur Asylpolitik im Bundestag nur mit Stimmen der AfD durchsetzte, folgte scharfe Kritik wegen eines Dammbruchs zu der rechtsextremen Partei. Kommende Woche könnte bei der Wahl neuer Richter für das Bundesverfassungsgericht ein ähnliches Szenario entstehen: Denn möglicherweise kommt im Bundestag die nötige Zweidrittelmehrheit für einen Unions-Kandidaten für Karlsruhe nur mit AfD-Stimmen zustande.

Grund dafür ist nach Meinung von SPD, Grünen und Linken, dass die CDU an ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss mit den Linken festhält und partout keine Absprachen mit dieser Partei treffen will. Aus einer rechtlichen Formalie könnte also ein Politikum mit schwer abschätzbaren Folgen auch für die schwarz-rote Koalition werden.

Ausgangspunkt ist, dass am Bundesverfassungsgericht drei Stellen nachbesetzt werden müssen. Nach dem bisherigen Verfahren darf die Union diesmal einen Richter und die SPD zwei Nachbesetzungen vorschlagen. Die Union hat den bisherigen Richter am Bundesarbeitsgericht, Günter Spinner, vorgeschlagen. Die SPD hat die Rechtsprofessorinnen Frauke Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold nominiert. Der Wahlausschuss des Bundestages berät darüber am Montag, am Freitag soll in zwei getrennten Wahlgängen erst über den CDU-Kandidaten, dann über die SPD-Kandidatinnen abgestimmt werden.

CDU will nicht mit den Linken sprechen

Sollte keine Zweidrittelmehrheit zustande kommen, hat der Bundestag sein Besetzungsrecht verwirkt - das dann an den Bundesrat übergeht. Das will das Parlament eigentlich vermeiden. Mittlerweile hat das Bundesverfassungsgericht selbst drei Vorschläge gemacht, weil sich die Parteien nicht einigen konnten - darunter war auch Spinner.

Das politische Grundproblem ist angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag, dass eine Zweidrittelmehrheit ohne die rechtspopulistische AfD nur noch zustande kommen kann, wenn sich alle anderen Parteien abstimmen. Die CDU/CSU-Fraktion hält aber an dem sogenannten Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber den Linken fest und lehnt deshalb Gespräche über die Richterwahl ab.

Die Linken wiederum fordern, dass sie künftig auch bei der Richterauswahl mitsprechen dürfen. Die Linken verweisen darauf, dass das Kooperationsverbot in Wahrheit längst unterlaufen sei. Denn die Linken sicherten auch den zweiten, schnellen Wahlgang bei der Kanzlerwahl von CDU-Chef Friedrich Merz - nach Absprache mit der Union. Und in Sachsen kam der Landeshaushalt von Ministerpräsident Michael Kretschmer gerade erst nur deshalb zustande, weil er die Linken zur Zustimmung bewegte. Auch SPD und Grüne im Bundestag beknien die Union deshalb, über ihren Schatten zu springen und die für die Wahl nötige Zweidrittelmehrheit zu sichern.

Stimmt statt Linken die AfD für Unions-Kandidat?

Die Union hat mit Spinner bewusst einen Kandidaten nominiert, den das Bundesverfassungsgericht selbst vorgeschlagen hatte und der als Integrationsfigur gilt. Deshalb setzt die Unions-Fraktion darauf, dass die Linken ihren Kandidaten aus staatspolitischer Verantwortung auch ohne Absprache mitwählen. Dies gilt allerdings mittlerweile als sehr fraglich.

Eine Zweidrittelmehrheit könnte aber zustande kommen, wenn sich die AfD entschließt, für Spinner zu stimmen. Dies würde einen Präzedenzfall schaffen: Erstmals würde ein Richter am höchsten deutschen Gericht nur dank AfD-Stimmen ins Amt kommen.

Sollte dieser Fall eintreten, dürfte dies für erhebliche Spannungen innerhalb der schwarz-roten Koalition sorgen, heißt es etwa in der SPD. Merz hatte SPD-Co-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil versprochen, dass er keine auch nur versehentliche Mehrheit mit der AfD mehr riskiert.

Zuletzt hatten einige Unions-Politiker wiederum Ablehnung gegenüber der von der SPD nominierten Brosius-Gersdorf wegen ihrer Offenheit für Schwangerschaftsabbrüche bekundet. Bei der zweiten Abstimmung für die SPD-Kandidatinnen könnte es also dazu kommen, dass die Linke im Bundestag dann zwar mitstimmt, es aber in der Unions-Fraktion zahlreiche Abweichler geben wird.

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