Für Donald Trumps Verhältnisse ist es eine mehr als vorsichtige Antwort. Gefragt, ob die Hamas dem jüngsten amerikanischen Vorschlag für eine Waffenstillstandsvereinbarung in Gaza zugestimmt habe, sagte der US-Präsident: „Das werden wir wahrscheinlich innerhalb der nächsten 24 Stunden wissen.“ Es handele sich um seinen „finalen Vorschlag“ für Gaza.
Derzeit ist ungewiss, ob Trump mit seinen Vermittlungsbemühungen etwas bewirken kann, aber die Chancen auf eine Einigung scheinen gewachsen. Israel hat dem Plan bereits zugestimmt, nun muss die palästinensische Terrororganisation im Gaza-Streifen entscheiden. Wenn die Hamas Ja sagt, kann Trump mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu bei dessen Besuch in Washington am kommenden Montag einen Erfolg feiern. Doch das ist keineswegs sicher.
Zwei Faktoren sprechen für eine Einigung. Erstens: Die Hamas ist von den anhaltenden Bombardements und Gefechten erheblich geschwächt. Zweitens: Innerhalb der Hamas scheinen derzeit jene Anführer, die im Ausland – vor allem in Katar – agieren, die Oberhand zu haben. So berichtet es jedenfalls Jack Khoury, arabischstämmiger Autor der israelischen Zeitung „Haaretz“ nach Gesprächen mit Vertretern der Organisation.
Die Auslandsführung dringt schon lange auf eine Lösung. Das bestätigten Beteiligte an den Verhandlungen WELT AM SONNTAG. Größtes Hindernis seien bisher diejenigen Hamas-Kommandeure gewesen, die weiterhin in Gaza sind. Sie zeigten besonders geringe Neigungen, Geiseln freizulassen, und hätten lange auf einen vollständigen Rückzug Israels aus dem Gaza-Streifen gedrungen.
Doch um so weitreichende Lösungen geht es in den Verhandlungen nicht mehr. Selbst wenn es, wie Trump offenbar hofft, an diesem Wochenende zu einem Deal kommt, dann wird es sich nur um eine Übergangslösung handeln.
Trumps Entwurf sieht eine Waffenruhe von 60 Tagen vor, während derer zehn der noch lebenden israelischen Geiseln aus den Händen der Hamas freigelassen und die sterblichen Überreste von 18 weiteren an Israel übergeben werden sollen. Dafür solle Israel palästinensische Gefangene aus seinen Gefängnissen entlassen. Die Hamas müsse ausdrücklich darauf verzichten, wie in der Vergangenheit öffentliche Feiern zur Freilassung ihrer Anhänger zu veranstalten.
Laut Khoury ist die Hamas offenbar auch prinzipiell bereit, sich entwaffnen zu lassen und jegliche Waffenproduktion im Gaza-Streifen aufzugeben. Nun werde darüber verhandelt, welche Führungspersonen der Hamas israelischen Forderungen entsprechend den Gaza-Streifen verlassen würden. Die Organisation wolle ihre Präsenz dort nicht vollständig aufgeben.
Der wichtigste Streitpunkt ist aber ein anderer: Während der knapp zwei Monate dauernden Waffenruhe sollen Israel und die Hamas, so sieht es Trumps Plan vor, weiter über eine Lösung des Konflikts verhandeln. Genau an dieser Frage kann eine Waffenruhe scheitern.
Nach wie vor verlangt die Hamas schon vor einer Waffenruhe die Festlegung auf ein dauerhaftes Ende des Krieges. Bisher hieß es, die Einigung müsse ausdrücklich schon den Übergang zu einer endgültigen Waffenruhe enthalten. Jetzt scheint die Terrororganisation sich damit abgefunden zu haben, dass Israel keine Festschreibung einer dauerhaften Befriedung akzeptiert, dringt aber offenbar auf US-Garantien für ein dauerhaftes Ende der Kämpfe schon bei Beginn der Waffenruhe.
Trumps Einfluss auf Netanjahu hat Grenzen
Ob Trump bereit und in der Lage ist, derlei zu versprechen, ist aber mehr als ungewiss. Sein Einfluss auf Netanjahu hat Grenzen – spätestens dort, wo es um dessen politische Zukunft geht. Tatsächlich liegen schon Pläne für die Zukunft von Gaza bereit, die nahtlos zu Trumps eigentlichem Ziel im Nahen Osten überleiten würden – einem Friedensabkommen zwischen Israel und Saudi-Arabien und einem Friedensnobelpreis für ihn selbst.
Die Saudis haben gemeinsam mit Ägypten einen Gaza-Plan vorgelegt, der eine multinationale arabische Friedenstruppe und eine nominelle Hoheit der Palästinensischen Behörde in Gaza vorsieht.
Darauf kann sich aber Netanjahu nicht einlassen, weil seine rechten Koalitionspartner den Plan ablehnen. Finanzminister Bezalel Smotrich und Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir, die der Siedlerbewegung nahestehen, werben dafür, erneut jüdische Siedlungen im Gaza-Streifen zu errichten und die palästinensische Bevölkerung zu einer freiwilligen Ausreise zu bewegen.
Solche Vorstellungen sind weder mit einer arabischen Friedenstruppe noch einer Hoheit der Palästinensischen Behörde aus dem Westjordanland kombinierbar – vor allem, weil die beteiligten arabischen Politiker dann in den Verdacht gerieten, einer ethnischen Säuberung des Gaza-Streifens Vorschub zu leisten. Dieses Dilemma löst auch der neueste amerikanische Vermittlungsvorschlag nicht.
Die heutige Realität in Gaza ist hingegen von einem Akteur geprägt, den Israel auf den Plan gerufen hat. Nachdem Jerusalem internationale Hilfsorganisationen wie das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA aus Gaza verbannt hat, agiert dort nun die private Gaza Humanitarian Foundation (GHF).
Sie kooperiert mit dem israelischen Militär, will ihre Geldgeber nicht offenlegen und wird von dem evangelikalen Prediger Johnnie Moore Junior geleitet, der in der Vergangenheit auch Gebetskreise um Trump anführte.
„Nicht ein gewaltsamer Vorfall“
In dieser Woche verteidigte sich Moore im Gespräch mit WELT AM SONNTAG und anderen Journalisten gegen Vorwürfe, an den Verteilzentren seiner Organisation seien bei Massenpaniken Hunderte Menschen durch Schüsse der israelischen Armee ums Leben gekommen.
„Ich weiß nicht, was ich nicht weiß, aber es hat nicht einen gewaltsamen Vorfall an unseren Verteilzentren oder in deren Nähe gegeben“, sagte Moore. Die Angaben über Todesfälle stammten ausschließlich von dem unter Kontrolle der Hamas stehenden Gesundheitsministerium in Gaza. „Und die Hamas schreibt jeden Toten uns zu.“
Der Kleriker, der mehrere Bücher über Christenverfolgung im Nahen Osten und andere Themen veröffentlicht hat, reagierte auch auf Kritik, wie sie UNRWA-Chef Philippe Lazzarini kürzlich in WELT geäußert hat.
„Die Behauptung, dass UNRWA zuvor 400 Verteilzentren in Gaza betrieben habe und wir nur vier, ist irreführend“, so Moore. Die genannten Zentren habe die UN-Organisation nur vor dem Krieg betreiben können. Die GHF wolle die Zahl ihrer Verteilzentren auf acht erhöhen, so Moore. „Bisher erreichen wir etwa die Hälfte der Bevölkerung in Gaza, auf Dauer wollen wir alle erreichen.“
Daniel-Dylan Böhmer, Senior Editor im Ressort Außenpolitik, bereist die Länder des Nahen Ostens seit Jahrzehnten. Er befasst sich vor allem mit regionalen und globalen Sicherheitsthemen und wird regelmäßig als Experte in nahöstlichen TV- und Radiosendern befragt.
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