Gute Nachrichten für Franziska Giffey: Sie ist weder Michael Müller noch Katherina Reiche. Und damit sind wir bei Wortwitzen und den vielen Vornamen von Karl-Theodor zu Guttenberg. Aber lesen Sie selbst.

Eine interessante Woche für politische Diskurs-Connaisseurs. Es ist Fashion Week in der Hauptstadt. Im Regierungsviertel, wo man zwischen Reichstag, Gendarmenmarkt, Potsdamer Platz und Museumsinsel normalerweise Sahra Wagenknecht dabei beobachten kann, wie sie Matrjoschkas an japanische Touristen verteilt und den staunenden Europareisenden erklärt, das sei hier alles mal Moskau gewesen, strömen aus den U-Bahn-Stationen reihenweise sehr junge, schlanke, große Frauen auf die Straßen des Regierungsviertels. Sie tragen skurrile Frisuren, nicht zwangsläufig als bodenständig kategorisierbares Make-up, mehr Tattoos als Marco Reus, Neymar und Lionel Messi zusammen sowie Sonnenbrillen von der Größe einer durchschnittlichen Studentenwohnung.

Für Kenner der Fashion-Branche sind es allerdings die übergroßen Mappen, die die Sache eindeutig machen: Die halten sie stets hochkonzentriert an ihre Körper gepresst, als würden sie lebenswichtige Organe transportieren. Es handelt sich um Models mit ihren Fotomappen, die von Casting zu Casting eilen. Der Ur-Berliner indes interessiert sich für die Modewoche etwa so sehr wie Nena für Corona-Impfungen und denkt daher vermutlich einfach: Ach guck an, bei den Grünen ist wieder Frauenparteitag.

Giffey Peace a Chance

Früher, als man bei der SPD gelegentlich noch Wahlen gewann, war das anders. Franziska Giffey eröffnete als Regierende Bürgermeisterin die Modewoche regelmäßig höchstselbst. Ihr Nachfolger Kai Wegner hingegen hält sich von Catwalks konsequenter fern als Julia Klöckner von Regenbogenflaggen. Seine Modeexpertise beschränkt sich darauf, morgens doch mal versehentlich eine Krawatte anzulegen. So ist es weiterhin Giffey, die tapfer die Fashion Weeks anpfeift, auch wenn sie inzwischen zur Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe abgestiegen ist und daher ressortformal eher Elektrizitätswerke eröffnen sollte.

Nicht nur deshalb gehört Giffey eher zu den erfolgsresistenten Politikerinnen der Gegenwartsgeschichte. Zunächst musste sie als Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend zurücktreten, nachdem sie in einer Art Solidaritätsbekundung für Karl-Theodor zu Guttenberg und Annette Schavan eine Doktorarbeit vorgelegt hatte, gegen die eine am Strand auf Mallorca erworbene Gucci-Tasche als Authentizitätsgewinner durchgeht. Anschließend wurde sie bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus abgewählt.

Andererseits: Wenigstens ist sie nicht Michael Müller. Der ist auch in der SPD und war ebenfalls mal Berliner Bürgermeister, wechselte dann allerdings überraschend in den Bundestag. Dort schied er nach einer Legislatur wieder aus, nachdem er von seiner Partei keinen Listenplatz erhalten hatte. Und das nur, weil er "zu alt, zu weiß und zu rechts" ist. Also, sagt Müller. Gut, nach der Logik säße jetzt Sara Nuru für ihn im Bundestag, während Hubertus Heil oder Boris Pistorius... naja, egal. Klar ist jedenfalls: Michael Müller eröffnet höchstens noch Bingo-Abende im erweiterten Familienkreis. Insofern hat es Franziska Giffey gar nicht so schlecht getroffen. Und Fashion Weeks werden grundsätzlich häufiger eröffnet als Elektrizitätswerke.

Guttenberg ist der Comebacker des Jahres

Karl-Theodor zu Guttenberg übrigens, das nur, um den Kreis themensauber zu schließen, mischt ebenfalls wieder in der großen Bundespolitik mit. Zumindest indirekt. Frisch geschieden von seiner Ex-Frau Stephanie (ja, Entschuldigung, ntv gehört nun mal zu RTL und daher müssen alle Beiträge einen fünfprozentigen Boulevard-Mindestanteil vorweisen) ist seit einigen Wochen seine Beziehung zu Katherina Reiche offiziell. Und die ist immerhin Wirtschafts- und Energieministerin und damit auf Bundesebene etwa das, was Franziska Giffey für Berlin ist. Nur, dass sie keine Fashion Weeks eröffnet. Dafür aber die Tür zu einer Reihe zweitklassiger Wortwitze. Etwa diesen: Woran sieht man, dass Geld die Welt regiert? Eine Reiche wird Wirtschaftsministerin!

Stichwort Geld. Karl-Theodor zu Guttenberg gilt als der Mann, der mehr Vornamen hat als Jens Spahn Immobilienkredite. Hier eine kleine Auswahl: Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester. Das ist kein Witz, das können Sie googeln. Oder auf seiner Geburtsurkunde nachlesen. Karl-Theodor zu Guttenberg kennen Sie also. Annette Schavan hingegen eher nicht. Das ist aber kaum verwunderlich, denn Schavan hat nur einen einzigen Vornamen und deshalb weniger Chancen auf ein Comeback in der Bundespolitik als Friedrich Merz, dass das Thema Stromsteuer als der glanzvollste Coup seiner Kanzlerschaft in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Zwei Münchnerinnen in der Modewelt: Doro Bär und Uschi Obermaier

Aber zurück zur Fashion Week. Mode ist ein zentrales Thema für absolut jeden. Wir alle ziehen uns täglich an. Außer vielleicht OnlyFans-Models oder Uschi Obermaier und Rainer Langhans. Aber deren Kernnacktphasen lagen zum Glück hauptsächlich in den 60ern und sind sowas wie verjährt. Weil Mode einen riesigen Stellenwert in unserem Alltag hat, drängen sich auch Politiker immer wieder in den Dunstkreis der Hochglanz-Fashion-Szene. Aminata Touré beispielsweise ist stellvertretende Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein und gleichzeitig die erste Politikerin auf dem Cover der deutschen "Vogue". Die "Vogue", das nur als Erklärung für alle, die sich für Mode noch weniger interessieren als Lars Klingbeil für Saskia Esken, ist quasi das RTL für alle, die wie Lothar Matthäus wissen, dass der Gürtel immer zu den Schuhen passen muss.

Aber auch Dorothee Bär, als Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt so was wie die Prinzessin Leia des Kabinetts Merz, zeigte sich bereits medienwirksam in aufwendig extravaganten Roben von Star-Designerin Marina Hoermanseder. Bär ist damit nach Uschi Obermaier bereits die zweite dunkelhaarige Münchnerin, die für Furore im Modezirkus sorgen konnte. Allerdings blieb Bär dafür angezogen und auch die Kommune I hatte ihre frivolen Pforten bereits seit zehn Jahren geschlossen, als Dorothee Bär das Licht der Welt erblickte.

Damit an dieser Stelle kein falscher Eindruck entsteht: Nicht jeder, der aus München kommt, besitzt automatisch Modekompetenz. Der gebürtige Nürnberger Markus Söder, der seinen Arbeitsplatz in München hat, ist beispielsweise in erster Linie Food- und nicht Fashion-Blogger. Daher mag er Gourmet Weeks lieber als die Fashion Week. Dennoch pflegt er eine innige Beziehung zur Modebranche. Für Söders Ernährungskonzept ist nämlich der Verzehr toter Tierteile, die mit viel Chemie und Kühlketten an der Verwesung gehindert werden, bis sie jemand instagramgerecht aufwärmt, wichtiger als Russland für Ralf Stegner. Keine große Überraschung also, dass Söder alles schätzt, was sich auf einem Laufsteak abspielt.

Picheln für die Ampel-Rage

Die Zeiten, in denen modebewusste Wahlberechtigte und Medien durch die Fashion Week abgelenkt sind und der Rest der Nation bei 40 Grad im Schatten schwitzend und verängstigt alte Tweets von Luisa Neubauer zum Thema Klimawandel nachliest, sind für Regierungen traditionell Gold wert. Derartig unaufmerksam ist der Souverän nämlich selten. Perfekte Voraussetzungen, um im Schatten bürgerlicher Hitze-Konzentrationsschwächen unbehelligt einige unpopuläre Gesetze durchzuwinken. Bürgergeld-Reform etwa oder späterer Renteneintritt. Und da sind die Bedingungen diesen Sommer optimal. Im Juni lag die Durchschnittstemperatur in Deutschland mit 18,5 Grad Celsius um 3,1 Grad über dem langjährigen Vergleichsmittelwert.

3,1. In Prozenten gerechnet also etwa da, wo in Umfragen auch die FDP liegt. Schade. Als die Freien Demokraten neben vielen E-Fuel-Ideen und D-Day-Konzeptpapieren auch noch Wähler hatten, gehörte Christian Lindner zum Stammpersonal des politischen Diskurses. Mein Satiriker-Kollege Robin Alexander, Chef-Politologe des befreundeten Branchenblattes "Welt", verrät in seinem aktuellen Buch, wie jener Lindner sich während einer von harten Streit-Debatten überschatteten Koalitionsausschuss-Sitzung einst mit Bier und Wein in Argumentations-Rage gepichelt haben soll. Anschließend habe er sich eine rauschausschlafende Kurzpause gegönnt, bis ihn um vier Uhr nachts der Heißhunger an den Verhandlungstisch zurücktrieb, wo er die Gelegenheit genutzt habe, um die gesamte Ausschussmannschaft mit nächtlicher McDonald's-Verköstigung zu besänftigen.

Medizinisch betrachtet ist nicht ausgeschlossen, dass es genau so gelaufen ist. Alkohol beeinflusst Neuronen im Hypothalamus. Der Teil des Gehirns, wo die Nahrungsaufnahme reguliert wird. Dort werden insbesondere AgRP-Neuronen aktiviert. Diese sorgen normalerweise für Hemmungen der Sättigungssignale. Wer säuft, hat also mehr Hunger. Schlechte Nachricht für alle, die sich das neue Diät-Wundermittel Abnehmspritze verabreichen, aber gleichzeitig Alkohol trinken. Also praktisch alle Politiker, außer Karl Lauterbach. Der verzichtet auf beides (freiwillig). Und auf Tischtennis (unfreiwillig). Nächste Woche ist die Modewoche vorbei. Dann geht es hier wieder um Fakten statt Fashion. Versprochen.

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