Die Stromsteuer soll vorerst für Verbraucher nicht so stark gesenkt werden, wie es ursprünglich versprochen wurde. Eine entsprechende Einigung erzielten die Spitzen von Union und SPD bei ihrem zweiten Treffen im Koalitionsausschuss nicht.
Im Koalitionsvertrag hatte Schwarz-Rot versprochen: „Für schnelle Entlastungen um mindestens fünf Cent pro kWh (Kilowattstunde) werden wir in einem ersten Schritt die Stromsteuer für alle so schnell wie möglich auf das europäische Mindestmaß senken und die Übertragungsnetzentgelte reduzieren.“
Der Koalitionsausschuss hatte am Mittwochabend beschlossen, dass die Stromsteuer in der Tat für die Industrie gesenkt, doch „weitere Entlastungsschritte – insbesondere eine Senkung der Stromsteuer für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die gesamte Wirtschaft – erst folgen sollen, sobald hierfür finanzielle Spielräume bestehen“.
Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) rechtfertigte die Entscheidung: „Wir halten gemeinsam an dem Ziel fest, die Stromkosten für alle deutlich zu senken. Wir wollen aber eben auch solide Finanzen“, sagte Spahn am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“. „Und das ist nach drei Jahren Rezession dann nur in Schritten möglich.“
Spahn betonte, dass die Koalition einen Teil der versprochenen Entlastungen durch eine Senkung der Netzentgelte umsetze. Dies komme auch Privathaushalten zugute. „Und wir haben miteinander vereinbart, sobald der finanzielle Spielraum da ist, Wachstum da ist oder wir auch andere Maßnahmen zum Sparen finden, gehen wir den zweiten Schritt.“
Aus der Wirtschaft hingegen kommt scharfe Kritik: „Mit der Entscheidung des Koalitionsausschusses, die Stromsteuer nicht für alle als entlastende Maßnahme zu senken, bricht die Regierungskoalition ihr Versprechen“, erklärte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich. Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), sprach von einem „ernüchternden“ Ergebnis des Koalitionstreffens.
„Gerade viele Handwerksbetriebe – insbesondere solche in energieintensiven Gewerken – haben auf diese Zusage vertraut, sie in ihre Planungen einbezogen und darauf basierend unternehmerische Entscheidungen getroffen“, führte ZDH-Chef Zittrich aus. „Das ist nicht nur ein wirtschaftlicher Rückschlag für die nicht dem produzierenden Gewerbe zuzurechnenden Handwerksbetriebe, sondern untergräbt insgesamt das Vertrauen in die Verlässlichkeit politischer Zusagen und Entscheidungen.“
BGA-Chef Jandura beklagte eine Ungleichbehandlung der Unternehmen. „Alle nicht-industriellen Branchen, darunter auch der Großhandel, eine der umsatzstärksten Wirtschaftsstufen Deutschlands, bleiben bei den Entlastungen größtenteils außen vor“, erklärte er. „Dabei macht bei Unternehmen mit Kühllogistik der Strom einen exorbitanten Teil der Kosten aus.“
„Für überflüssige Rentengeschenke gibt es genug Geld“, führte Jandura aus. Der Koalitionsausschuss hatte sich am Mittwochabend darauf verständigt, die sogenannte Mütterrente früher einzuführen, als zunächst vereinbart worden war. „Wenn zentrale, mehrfach zugesagte Entlastungen nicht kommen, während gleichzeitig teure politische Projekte umgesetzt werden, gerät bei den Betrieben das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit politischen Handelns insgesamt ins Wanken“, kritisierte auch Zittrich.
Die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, sprach von einem „fatalen Signal“. „Gerade in Zeiten hoher Lebenshaltungskosten“ bräuchten Verbraucher „spürbare Entlastungen“, sagte Engelmeier.
„Es ist der Job des Finanzministers, das möglich zu machen“, sagt Wüst
Hendrik Wüst (CDU) schob Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) die Verantwortung dafür zu, dass der Strompreis für die Verbraucher nicht gesenkt wird. „Es ist vor allem der Job des Finanzministers, das möglich zu machen – und es gibt eine Menge Möglichkeiten“, sagte der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens gegenüber „Politico“. „Die muss der Finanzminister noch mal durchrechnen und vorschlagen.“
Früher als zunächst angenommen soll hingegen die ausgeweitete Mütterrente kommen – und bei technischen Verzögerungen rückwirkend ausgezahlt werden. Dieser Fahrplan ist neu.
Die ausgeweitete Mütterrente soll bereits zum 1. Januar 2027 starten. „Sofern eine technische Umsetzung erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist, wird die Mütterrente rückwirkend ausgezahlt“, heißt es im Ergebnispapier von Union und SPD.
Die Rentenversicherung hatte den Mitgliedern des Gremiums zuletzt schriftlich mitgeteilt, dass eine Umsetzung wegen umfassender individueller Anspruchsprüfungen erst Anfang 2028 möglich sei. Bei der ausgeweiteten Mütterrente – einem von der CSU geforderten Projekt – soll die anerkannte Kindererziehungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung künftig auch für vor 1992 geborene Kinder verlängert werden.
Umfassendes Rentenpaket
„Die Komponenten Verlängerung der Haltelinie für das Rentenniveau sowie Mütterrente werden mit dem vorliegendem Rentenpaket 2025 als erster Schritt umgesetzt“, bekräftigen die Koalitionäre. Bundessozialministerin Bärbel Bas, die als SPD-Chefin zum ersten Mal beim Koalitionsausschuss dabei war, hatte bereits einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Das Absicherungsniveau der Rente soll bis 2031 bei 48 Prozent stabilisiert werden. Die Renten sollen dadurch nicht hinter der Lohnentwicklung in Deutschland zurückfallen. Bas rechnet mit steigenden Kosten für das gesamte erste Rentenpaket auf 11,2 Milliarden Euro bis 2031.
Zudem bekräftigen die Koalitionäre ihre weiteren Rentenpläne: „Der zweite Teil des Rentenpakets bestehend aus Aktivrente, Frühstartrente sowie Betriebsrentenstärkungsgesetz wird im Herbst im Kabinett beschlossen und soll (mit Ausnahme der Frühstartrente) zum 01. Januar 2026 umgesetzt werden.“
Beim Thema Energie verweisen Union und SPD insgesamt auf die Beschlüsse des Kabinetts von vergangener Woche. Das Kabinett hatte Entlastungen zum 1. Januar bei den Netzentgelten sowie die Abschaffung der Gasspeicherumlage für Gaskunden auf den Weg gebracht. Bei der Stromsteuer soll die Senkung für die Industrie, Land- und Forstwirtschaft „verstetigt“ werden. Offen geblieben war bis zuletzt, wie eine Senkung der Stromsteuer für alle Betriebe und Verbraucher finanziert werden kann – das würde laut Finanzministerium 2026 rund 5,4 Milliarden Euro zusätzlich kosten. Merz hatte vor dem Treffen in einem Interview gesagt: „Wenn wir mehr tun können für die privaten Haushalte, dann werden wir das tun.“
Im Ergebnispapier rechnen Union und SPD vor, was der bestehende Kabinettsbeschluss an Entlastungen bringt: In der Jahreswirkung kommen sie auf eine Entlastung von rund 10 Milliarden Euro für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Wirtschaft. Alle Verbraucher würden um bis zu 3 Cent pro kWh entlastet. Für eine vierköpfige Familie seien das bis zu 100 Euro pro Jahr. Laut Koalitionsvertrag sollen es fünf Cent pro kWh sein.
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