Einstimmig fordern die Delegierten des SPD-Parteitags, die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD zu prüfen. Faschismus lasse sich nicht "entzaubern", sondern müsse bekämpft werden, sagt eine Rednerin. Den sächsischen SPD-Chef stört die "Euphorie" in der Debatte.
Nach zweistündiger Debatte steht das Ergebnis fest: Einstimmig beschließt der SPD-Parteitag in Berlin per Kartenzeichen die Forderung, die Möglichkeit eines Verbotsverfahrens gegen die AfD zu prüfen. Als das Ergebnis verkündet wird, stehen die Delegierten auf und applaudieren.
"Jetzt ist die Zeit, dass die antragsberechtigten Verfassungsorgane die Voraussetzungen schaffen, um unverzüglich einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD stellen zu können", heißt es in dem Beschluss. Also erst Voraussetzungen schaffen, dann "unverzüglich" Antrag stellen. Ein solcher Antrag wird beim Bundesverfassungsgericht gestellt, das dann darüber entscheidet. Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung.
Vorerst will die SPD nur "darauf hinwirken, dass die antragsberechtigten Verfassungsorgane durch Einsetzung einer Bund-Länder Arbeitsgruppe mit einer Sammlung von Materialien für ein Feststellungsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beginnen". Zudem sollen Gutachter benannt werden, "die das Material daraufhin prüfen, ob damit der Nachweis der Verfassungswidrigkeit der AfD erbracht werden kann".
"Risiko nichts zu tun ist deutlich größer"
Die SPD will nun zunächst mit dem Koalitionspartner über das Vorhaben sprechen. CDU und CSU lehnen einen Verbotsantrag bislang ab. Der Parteitagsbeschluss sagt nichts darüber aus, was passiert, wenn es im Bundestag und in der Bundesregierung keine Mehrheit für einen Verbotsantrag gibt. In der SPD geht man davon aus, dass SPD-regierte Bundesländer dann eine entsprechende Initiative im Bundesrat starten.
"Die Überlebenden des Nationalsozialismus haben uns aufgetragen, wachsam zu bleiben und konsequent zu handeln", schrieb der thüringische SPD-Landesvorsitzende und Innenminister Georg Maier nach der Entscheidung in einer Mail. "Wir bekämpfen Rechtsextremismus in all seinen Formen - auch in den Parlamenten."
In der Debatte hatte Maier gesagt, er sei mittlerweile der Meinung, "dass das Risiko nichts zu tun deutlich größer ist als das Risiko eines Scheiterns des Verbotsverfahrens". Federführend an der Ausarbeitung des Antrags beteiligt war die am Samstag verabschiedete ehemalige SPD-Vorsitzende Saskia Esken.
Klingbeil verweist auf Verfassungsschutz
SPD-Chef Lars Klingbeil sagte, es sei "eine historische Aufgabe, diese Leute wieder aus dem Parlament rauszukriegen". Ein Verbotsverfahren sei nicht das einzige Mittel, um den Rechtsextremismus zu bekämpfen, aber "die juristische Auseinandersetzung mit der AfD gehört ganz zentral dazu".
"In dem Moment, in dem der Verfassungsschutz sagt, das ist eine gesichert rechtsextremistische Partei, darf es kein Taktieren mehr geben", so Klingbeil. Der Verfassungsschutz hat die AfD Anfang Mai als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Bislang war die Partei für die Behörde nur ein "Verdachtsfall". Da die AfD gegen die Einstufung klagt, hat der Verfassungsschutz seine Einschätzung bis zu einem Urteil ausgesetzt. Darauf bezog Klingbeil sich.
Maier sagte, um nachzuweisen, dass die AfD gegen die Menschenwürde verstoße - eine rechtliche Voraussetzung für ein Parteienverbot -, brauche man keinen Verfassungsschutz, das sehe man in jedem Interview von AfD-Politikern. "Diese Partei ist eine völkische Partei", so Maier. Ihr Verständnis von "Pass-Deutschen" münde in Deportationen. Der Begriff "Pass-Deutsche" wird von Rechtsextremen verwendet, um Deutsche mit Migrationshintergrund abzuwerten.
"Der Dammbruch hat längst begonnen"
Der Verbotsantrag sei "keine politische Willkür, sondern Ausdruck verfassungsrechtlicher Verantwortung". Allerdings sei es mit dem Verbot nicht getan. "Wir müssen alles dafür tun, diese Menschen wiederzugewinnen", sagte Maier über die Wähler der AfD.
In dem Beschluss der SPD wird der AfD-Politiker Enrico Komning zitiert, der gesagt hatte, "diese Demokratie (…), die wollen wir ja aber gar nicht. Die wollen wir doch abschaffen." In der Debatte führten zahlreiche Rednerinnen und Redner weitere Beispiele an.
Die bayerische Landtagsabgeordnete Anna Rasehorn etwa sagte, der "Dammbruch hat schon längst begonnen". Ihr würden auf den Gängen im bayerischen Landtag Drohungen zugeflüstert, Redner im Landtag sprächen von "Endsieg" und davon, dass sie "den Karnickeln in den Parlamenten den verdienten Nackenschlag versetzen" würden.
"Hier geht's nicht um antifaschistische Folklore"
Die Thüringer Landtagsabgeordnete Dorothea Marx, die sich als "Oma gegen rechts" vorstellte, berichtete folgende Geschichte aus dem Erfurter Landtag: Dort habe ein AfD-Abgeordneter einer Schülerin mit Migrationshintergrund, die mit einer Besuchergruppe in den Landtag gekommen war, ins Gesicht gesagt: "Wenn es mehr von euch hier gibt, dann ist das nicht mehr mein Land."
Beatrice Wiesner aus dem Landesverband Rheinland-Pfalz nannte die AfD den "parlamentarischen Arm des Faschismus in diesem Land". Faschismus lasse sich nicht "entzaubern", wie häufig gefordert, sondern müsse bekämpft werden. Der Delegierte Niklas Gerlach aus Sachsen-Anhalt sagte über die AfD: "Die haben mitgeschossen, die haben die Waffe geladen, die auf Walter Lübcke abgefeuert wurde." Das Gleiche gelte für rechtsextreme Anschläge an anderen Orten. Der CDU-Politiker Lübcke, Regierungspräsident in Kassel, wurde 2019 von einem Rechtsextremisten ermordet.
Kritische Töne in der Debatte waren selten. Der sächsische SPD-Landeschef Henning Homann sprach sich zwar auch für den Verbotsantrag aus, betonte jedoch, ihn störe "die Euphorie" in der Debatte. "Hier geht's nicht um antifaschistische Folklore. Hier geht es um eine verdammt ernste Sache." Auch wenn ein AfD-Verbot gelinge, werde die Gefahr bestehen bleiben: "Der Schoß wird fruchtbar bleiben."
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke