Die Weltlage scheint unsicher wie seit Jahrzehnten nicht - der Gipfel in Den Haag gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Nato neue Bedrohungen erkennt und sich wappnet. Trotz eines Donald Trump, dessen Loyalität so wacklig scheint - oder gerade deswegen?

Ein Gipfel, nur für Trump gemacht

"Der Tag beginnt in den schönen Niederlanden", schreibt Trump auf Truth Social. Übernachtung im Palast, Frühstück mit König und Königin - "wunderschöne und spektakuläre Menschen" - und dann auf zum kurzen Gipfel. So gefällt das dem US-Präsidenten, dessen kurze Aufmerksamkeitsspanne schon in seiner ersten Amtszeit bekannt war. Es ist sein Gipfel und die Nato-Partner lassen sich darauf ein. Der US-Staatschef durfte sogar im niederländischen Schloss Huis ten Bosch übernachten, dem Wohnsitz des Königspaars.

Der Nato-Gipfel habe nur das Ziel, Trump zu gefallen und die USA als Macht in Europa zu halten, sagt Politikwissenschaftler Carlo Masala ntv. Das ist aber nicht das schlechteste Ziel, denn die eigene militärische Schwäche haben sich die europäischen Nato-Partner selbst zuzuschreiben, trotz jahrelangen Warnungen aus den USA. Trump dankt's: "Wir stehen voll und ganz hinter ihnen", sagte er mit Blick auf die Verbündeten.

Die USA sind der mächtigste Partner der Nato, waren sie immer, werden sie auf absehbare Zeit auch bleiben. Die Europäer brauchen sie, gerade mit Blick auf Ukraine und Russland. Falsche Eitelkeit wäre derzeit fehl am Platz. Für klare Worte, für Verhandlungen ist auch hinter den Kulissen Platz, oder auf Arbeitsebene. Und: Auch Trumps zweite Amtszeit wird vorbeigehen.

Nicht alles, was Trump will, ist falsch - zum Beispiel das Fünf-Prozent-Ziel

Am 7. Januar dieses Jahres schlug die Nachricht hohe Wellen: Donald Trump, damals noch nicht als US-Präsident im Amt, forderte von den Nato-Partnern, fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung (BIP) für Verteidigung auszugeben. Zu jenem Zeitpunkt feierte sich Deutschland immer noch dafür, erstmals das seit 2014 bestehende Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfüllt zu haben. Mit Hängen und Würgen, unter Einbeziehung so fragwürdiger "Verteidigungsausgaben" wie Rentenzahlungen an Ex-NVA-Soldaten, Kindergeld für Bundeswehrbeschäftigte und vermutlich wurden auch Radiergummis eingerechnet.

Am Ende stand 2024 in der deutschen Nato-Bilanz erstmals die "2" vor dem Komma, und darauf kam es an. Mochten noch so viele Fachleute erklären, dass es doch nicht darum geht, möglichst viel Geld loszuwerden, sondern Wehrhaftigkeit zu erreichen. Wie Rentenzahlungen und Kindergeld das Land wehrhaft machen sollten, fragten sich viele zurecht.

Mitte 2025 - ganz anderer Schnack. Trump ist, anders als bei vielen bisherigen Strategien, der Fünf-Prozent-Forderung treu geblieben. Die Nato sowie die neue Bundesregierung betonen, dass die Erfüllung dieser Forderung beschlossen wurde, nicht um Trump zu gefallen, sondern weil es bei sorgfältiger Betrachtung der Weltlage die einzig richtige Konsequenz sei.

Die vergangenen zwei Wochen haben gezeigt, wie überraschend Nationen in einen intensiven Krieg eintreten können. Von jetzt auf gleich sahen sich die USA veranlasst, Israel mit 20.000 Flugabwehrraketen zu helfen. Die hatten ursprünglich ihren Weg in die Ukraine finden sollen. Besser, die Lagerhallen und Munitionsdepots füllen sich so schnell wie möglich, damit man strategisch entscheiden kann, wo wieviel eingesetzt werden soll, und nicht nach Vorratslage.

Die Nato muss mehr für Waffen ausgeben als der Kreml

Wenn die 32 Nato-Mitglieder bis spätestens 2035 ihre anvisierten fünf Prozent vom BIP für Verteidigung ausgeben, dann werden diese aufgespalten: 1,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung sollen auf Ausgaben für die militärisch genutzte Infrastruktur entfallen und die übrigen 3,5 Prozent für Rüstung, Waffenkäufe und Personal. Man kann nur schätzen, um wieviel Geld es in zehn Jahren gehen wird. Misst man es zum Beispiel an der gemeinsamen Wirtschaftskraft der Nato-Staaten im vergangenen Jahr (knapp 54 Billionen Dollar) entsprächen die 3,5 Prozent knapp 1900 Milliarden US-Dollar.

Verglichen mit dem russischen Wehretat wirkt diese Zahl zunächst sehr groß. Der Kreml erhöht seine Verteidigungsausgaben in diesem Jahr auf etwa 7 bis 8 Prozent des BIP. Grob gerechnet würde das 150 Milliarden US-Dollar entsprechen. Im Vergleich wirken die 1900 Nato-Milliarden immens viel höher. Doch lassen sich beide Zahlen nicht miteinander vergleichen. Aus drei Gründen.

Zum einen investiert Russland diese Geldmenge in diesem Jahr, während sich die Nato-Staaten zehn Jahre Zeit nehmen, um ihre Rüstungsausgaben hochzuschrauben. In diesem Jahr werden die Nato-Ausgaben deutlich unter 3,5 Prozent des BIP liegen, in den kommenden Jahren ebenfalls.

Zum zweiten kauft der Kreml Kriegsgüter weitaus billiger ein als westliche Staaten. Einerseits, weil die Staatsführung auf Kriegswirtschaft umgestellt hat - die Rüstungsbetriebe arbeiten 24 Stunden durch, bei geringen Lohnkosten und enormen Produktionsmengen. Andererseits, weil der Kreml nur die reinen Herstellungskosten bezahlen muss. Russische Rüstungsbetriebe sollen kein Geld verdienen, haben keine Investoren, müssen keinen Gewinn ausschütten. Sie produzieren für den nationalen Bedarf. Und der Kreml legt die Preise fest. Er kauft gewissermaßen bei sich selbst ein.

Im Westen ist die Rüstungsbranche Teil des freien Marktes, sie arbeitet gewinnorientiert wie jedes andere Unternehmen. In den vergangenen Jahrzehnten war die Nachfrage nach Panzern, Fregatten oder Fliegerabwehrsystemen gering, das machte die Produktion langsam und enorm teuer. Mit besserer Auftragslage werden die Herstellungskosten allmählich sinken, doch dieser Prozess wird Jahre dauern.

Zum dritten hat die Nato erkannt, dass sie gemeinsam wehrhaft werden muss. Das ist schwieriger als man denkt, denn Armeen von 32 Mitgliedstaaten nutzen verschiedenste Waffensysteme in allen Dimensionen. Wer sich im Angriffsfall zusammen verteidigen will, muss daran arbeiten, dass auch die Waffen miteinander kommunizieren können. Nicht das billigste System ist das Produkt der Wahl, sondern dasjenige, das nachhaltig, breitgefächert und gemeinsam mit anderen einsetzbar ist.

Rutte spricht Trumpisch

"Lieber Donald, ich gratuliere Dir und danke Dir für Dein entschlossenes Handeln im Iran, das wirklich außergewöhnlich war und das sich sonst niemand getraut hat zu tun." Diese geschmeidigen Worte kommen nicht etwa von einem Trump-Anhänger in den USA. Sie kommen vom Generalsekretär der Nato, Mark Rutte. Sie stammen aus einer privaten Nachricht, doch Trump machte sie auf seiner Plattform Truth Social öffentlich.

Überschwänglich, anbiedernd, unterwürfig? Oder genial? Fest steht, dass Rutte versteht, wie er mit Trump umgehen muss, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Sogar Wörter in Großbuchstaben fügte er in seiner Nachricht ein, so wie es Trump in eigenen Verlautbarungen gern tut: "Europa wird auf GROSSE Art und Weise Geld ausgeben, so wie es sein sollte, und das wird Dein Sieg sein", heißt es.

Ruttes Nachricht zeigt, wie groß die Angst im Bündnis ist, dass die USA unter Trump ihm den Rücken zuwenden könnten, so wie er es im Wahlkampf angedroht hat. Sie zeigt aber auch, dass die Partner besser als in Trumps erster Amtszeit verstehen, mit ihm umzugehen. Manch einer erinnert sich, wie Trump bei seinem ersten Nato-Gipfel 2017 Montenegros Premier Dusko Markovic zur Seite schubste, um in die erste Reihe zu gelangen.

Diesmal steht der US-Präsident direkt im Mittelpunkt. Und mit der Ausgabenerhöhung wird ihm ein großes Geschenk gemacht. Statt die Allianz in Frage zu stellen, ist Trump voll des Lobes: "fantastisch" sei der Gipfel gewesen, ein "großer Erfolg". Der Generalsekretär dürfte daran einen nicht geringen Anteil haben.

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