Die Nato hat ehrgeizige Ziele - mit massiven Folgen auch für die deutschen Streitkräfte. Laut einem führenden Bundeswehroffizier ist die Aufgabe mehr als herausfordernd, vergleichbar in etwa mit der Gründung der Bundeswehr.

Bis zu 60.000 Soldaten mehr und eine weitere, wohl deutlich dreistellige Milliardensumme für Waffen und Infrastruktur. Vor Verteidigungsminister Boris Pistorius und seinen Militärplanern liegt ein Kraftakt: mehr Kasernen, mehr Kapazitäten für Ausbildung und Logistik, mehr Aufklärungsfähigkeiten, und es braucht ein Cyber-Kommando.

Dazu kommt noch der sogenannte Heimatschutz, der einen Truppenaufmarsch Verbündeter und die eigene Infrastruktur absichern soll. Ob all dies sowie eine funktionierende Reserve ohne einen verpflichtenden Wehrdienst auf die Beine gestellt werden kann, wird vor allem von der Union bereits angezweifelt. Ein Blick in drei Teilstreitkräfte:

Landstreitkräfte

Das Heer ist die größte Teilstreitkraft der Bundeswehr und muss kräftig aufwachsen. Schon nach bisherigen Nato-Zielen hätte das Heer zehn Kampfbrigaden aus jeweils rund 5000 Männern und Frauen stellen müssen, doch das Ziel wurde nie erreicht. Der neunte dieser Großverbände ist die Brigade "Litauen", die gerade aufgebaut wird.

Militärplaner gehen davon aus, dass von bis 60.000 zusätzlichen Soldaten allein rund 40.000 für das Heer nötig sein könnten. Kaum geringer, aber schon angelaufen ist der Kraftakt Rüstung, denn die Ausstattung des Heeres steht - je nach Rechnung - bei etwa 60 Prozent. Der Zustand ist auch, aber nicht nur der Militärhilfe an die Ukraine geschuldet.

Der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais, sagt, erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges liege mit den Nato-Zielen nun ein Planungszyklus vor, der "ops-driven" sei, also tatsächlich von konkreten Verteidigungsplanungen abgeleitet ist. Um diese Ziele zu erreichen, bedürfe es "sehr, sehr großer Anstrengungen".

Der Generalleutnant sagt: "Unter den heutigen Rahmenbedingungen sind diese Herausforderungen fast mit der Neuaufstellung der Bundeswehr in den Jahren bis 1962 vergleichbar."

Luftstreitkräfte

Die Verteidigung militärischer und ziviler Ziele gegen Angriffe aus der Luft ist eine Kernaufgabe, die europäische Staaten lange vernachlässigt haben. Die Lage in der Ukraine zeigt, wie verwundbar ein Land auch weit hinter der Front ist. In Planungskreisen des Bündnisses heißt es, die Verteidigungsfähigkeiten gegen Luftangriffe müssten insgesamt wohl um 400 Prozent erhöht werden.

Für die Luftwaffe, die aktuell nur noch ein Flugabwehrraketengeschwader hat, bedeutet dies wohl mindestens einen zweiten Verband. Denn es soll insgesamt wieder mehr und andere Luftverteidigungssysteme geben: Patriot, Iris-T und das israelische System Arrow 3 sollen ein mehrschichtiges Abwehrsystem bilden. Aber auch Kampfflugzeuge leisten im Verbund einen Verteidigungsbeitrag, wenn sie gegnerische Marschflugkörper abschießen.

Der neue Luftwaffen-Inspekteur Holger Neumann bezeichnet Forderungen von Nato-Generalsekretär Mark Rutte zur deutlichen Steigerung der Luftverteidigung als richtig. Er empfiehlt sogar: "Deutschland sollte bei der Luftverteidigung seine Führungsrolle in Europa stärken. Hierzu zählen neben Systemen am Boden wie Iris-T, Patriot und Arrow auch Kampfflugzeuge aus der Luft. Wir brauchen hierfür ein ganzheitliches Verständnis vom Boden bis in den Weltraum." Sein erster Truppenbesuch als neuer Luftwaffenchef führt ihn am Mittwoch ins nordrhein-westfälische Uedem, wo das Weltraumkommando der Bundeswehr stationiert ist.

Seestreitkräfte

Inmitten der laufenden Nato-Planungen und mit Hinweis auf die zunehmend angespannte Lage in der Ostsee hat die Marine ihre Ziele öffentlich gemacht. Im "Kurs Marine" werden veränderte Aufgaben und die dafür nötigen Waffensysteme konkret benannt. Dabei gilt: Für Entwicklung und Bau der großen Kampfschiffe, die auch enorm teuer sind, gibt es lange Vorlaufzeiten.

Bis 2035 soll die Zahl der Fregatten auf mindestens 15 steigen, darunter 6 der modernen Klasse F127. Die Marine soll dann auch 6 bis 9 Korvetten der Braunschweig-Klasse (K130) und 9 bis 12 moderne U-Boote U212A/CD haben.

Kurzfristig nötig sei eine Flotte, "die sehr viel mehr dort in See steht, wo es der Kernauftrag Verteidigung erfordert", heißt es in dem Kursbuch. Und: "Langfristig bedarf es einer Erhöhung des Umfangs der Flotte." In der Zukunft werde die Flotte aus einer Vielzahl bemannter und unbemannter Plattformen bestehen, die es erlauben, dauerhaft, widerstandsfähig und eskalationsfähig in allen Operationsgebieten präsent zu sein. Dabei gelte "Mass matters" - es kommt also darauf an, viel von allem zu haben.

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