Das Vorgehen der früheren Bundesinnenministerin Nancy Faeser gegen das rechtsdrehende Schundblatt "Compact" war juristisch tollkühn und strategisch plump. Nicht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Faesers Fehler ist ein Geschenk für den Rechtsextremismus.
Das Bundesverwaltungsgericht hat der früheren Bundesinnenministerin Nancy Faeser eine schmerzhafte Lektion erteilt: Medien am rechten Rand wie Jürgen Elsässers Postille "Compact" dürfen unliebsame, hässliche und sogar fremdenfeindliche Machtkritik üben - der Staat darf das nicht verbieten.
Faesers übliche Forschheit hat damit einen empfindlichen Dämpfer bekommen. Wäre sie im Amt, müsste sie zurücktreten. Dafür gibt es gleich zwei schwerwiegende Gründe.
Rücktrittsgrund Nummer 1 ist ihr juristischer Fehler: Faeser handelte als Bundesinnenministerin. Das ist immerhin ein Verfassungsressort, und sie hat die Verfassung missachtet.
Umweg über das Vereinsrecht
Zeitungen verbieten kann eine Bundesbehörde nicht, dafür hat das von den freiheitlich orientierten Alliierten geprägte Grundgesetz gesorgt. Faeser wählte daher den Umweg des Vereinsrechts, um die oft von Verschwörungsmythen und ausländerfeindlichen Themen triefende Zeitschrift abzusägen.
Die Bundesverwaltungsrichter haben überdeutlich skizziert, dass das Vereinsrecht durchaus zum Schutz der Menschenwürde herangezogen werden kann. Ausgiebig erklären die Richter, dass das "Remigrationskonzept" des Rechtsidentitären Martin Sellner die Menschenwürde missachte, indem es zwischen deutschen Staatsangehörigen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheide.
Das Gericht hat unterstrichen, dass dafür nicht einmal die Schwelle zur Strafbarkeit erreicht sein muss. Dieser Punkt ist wichtig. Er leistet einen deutlichen Beitrag zur Resilienz staatlicher Institutionen: Das Grundgesetz erlaubt auch ein Eingreifen bei rechtmäßigen Äußerungen, wenn dies dem präventiven Verfassungsschutz dient.
"Unser Held"
Was Faeser aber übersehen hat: Die am Verein eingehängte Zeitung "Compact" besteht zwar auch, aber eben nicht nur aus Sellner-Huldigungen ("unser Held"), Remigrationsfantasien und der Abwertung zugewanderter Deutscher. Sie beschäftigt sich auch mit Ukraine, Corona und anderen Themen.
Diesen nicht verfassungsfeindlichen Überhang hat Faeser ignoriert - nach dem Hermann Göring zugeschriebenen Motto: Wo gehobelt wird, da fallen Späne! Und auch diese Art von grobschlächtigem Vorgehen verbietet das Grundgesetz.
Faeser ist für derart schneidiges Vorgehen bekannt. Im Jahr 2022 drohte sie mit der Schließung von Telegram, wohl wissend, dass sie dafür keinerlei Handhabe hat. Die in Brüssel ausgeheckte Kontrolle von Nutzerchats wollte sie unterstützen. Ihr Kurs war nonchalant gegenüber Kommunikationsgrundrechten, selbst für eine Innenministerin.
Triumphgeheul bei der AfD
Rücktrittsgrund Nummer 2: Faesers strategischer Fehler. Wer die Justiz gegen Rechtsextreme nutzt, sollte sich besser sicher sein, dass die Sache gutgeht. Das müsste nach zwei gescheiterten NPD-Verbotsverfahren eigentlich klar sein. Hinzu kommen diverse kleinere Niederlagen des Bundesinnenministeriums wegen Kritik an der AfD auf der eigenen Webseite - darin erkannte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2020 eine Verletzung der Chancengleichheit der Parteien.
Jetzt haben Vereine praktisch eine Anleitung erhalten, wie sie ihre Zeitschriften mit fremdenfeindlichen Inhalten füllen können: Sie müssen nur genügend andere Dinge mitveröffentlichen, dann steht das Grundgesetz einem Verbot im Wege.
Dass das Bundesverwaltungsgericht das Vorgehen gegen "Compact" kippen könnte, schien zumindest plausibel. Faeser musste das wissen, sie hat dafür einen Beamtenapparat voller Juristen. Aber: Ebenso wie viele wohlmeinende Linke beim AfD-Verbotsverfahren wollte Faeser sich von Zweifeln nicht abhalten lassen - Stichwort "wehrhafte Demokratie". Doch "wehrhaft" heißt nicht "plump". Die Entscheidung vom Dienstag führt nun zu erwartbarem Triumphgeheul bei der AfD.
"Faesers größte Niederlage", sendet der völkisch-rechtsextreme AfD-Politiker Björn Höcke sofort. Es zeigt sich: Für ihn sind Gerichte mal die Büttel des Systems und mal Bollwerke der Freiheit, wie es gerade in den Kram passt. Populisten brauchen keine Logik und Stringenz.
Rechtsextremisten behütet durch das Grundgesetz
Remigrationsfans stehen nun scheinbar sicher behütet unterm Schirm des Grundgesetzes. Das stimmt freilich nicht: Schließlich haben die Leipziger Richter Sellners Konzept in deutlichen Worten als verfassungswidrig eingestuft.
Aber Debatten verlaufen eben nicht entlang gerichtlicher Textabschnitte. Es zählen Schlagzeilen. Elsässer hat heute gewonnen und die AfD mit ihm. Danke für nichts, Frau Faeser.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke