Berichten zufolge konnte der Iran sein fast atomwaffenfähiges Uran vor den US-Angriffen in Sicherheit bringen. Der Brennstoff-Vorrat lässt sich laut der Atombehörde zufolge im Kofferraum transportieren. Aber kann Teheran damit noch eine Bombe bauen?

Die Bombardements der USA haben den iranischen Atomanlagen schweren Schaden zugefügt. Doch das fast atomwaffenfähige Uran hat die Angriffe möglicherweise überstanden. US-Vizepräsident JD Vance sprach in einem Interview mit dem Sender ABC zwar von "erheblichen Rückschlägen" für das Atomprogramm, räumte jedoch ein, dass der Iran weiterhin über Uran verfügt.

Die US-Regierung werde "in den kommenden Wochen daran arbeiten, etwas gegen den Brennstoff zu unternehmen, und Gespräche mit den Iranern führen", sagte Vance. Derweil berichtet Reuters, Teheran habe offenbar den größten Teil seines fast waffenfähigen Urans noch vor dem US-Angriff an einen unbekannten Ort gebracht. Die Nachrichtenagentur beruft sich auf einen iranischen Insider.

"Ungewöhnliche" Aktivitäten an Anlage

Auch die "New York Times" (NYT) berichtet unter Berufung auf zwei israelische Beamte, dass der Iran Ausrüstung und Uran in Fordo vor den US-Angriffen evakuiert habe. Satellitenbilder der Firma Maxar Technologies zeigen "ungewöhnliche" Aktivitäten an der Urananreicherungsanlage am Donnerstag und Freitag: Eine Schlange von insgesamt 16 Lastwagen reiht sich vor dem Eingang auf.

Dem Chef der Internationalen Atomagentur (IAEA) Rafael Grossi zufolge lagerte der Iran sein hochangereichertes Uran zuletzt am Atom-Standort Isfahan. Ein Inspektorenteam hatte den Brennstoff seiner Aussage nach noch eine Woche vor Beginn der israelischen Angriffe gesehen. Der NYT sagte Grossi nun, er gehe davon aus, dass der Iran das Uran in Sicherheit gebracht habe.

Uran lagert in speziellen Behältern

Teheran hatte sein Uran bislang in den Anreicherungsanlagen in Natans und Fordo hergestellt. Laut einem IAEA-Bericht verfügt das Land über mehr als 400 Kilogramm Uran mit einem beinahe waffentauglichen Reinheitsgrad von 60 Prozent. Bei einer Anreicherung von 90 Prozent reicht diese Menge theoretisch für mehrere Atombomben. Weil Uran jedoch sehr schwer ist, sind die physikalischen Proportionen überschaubar. Grossi sagte der NYT, der in speziellen Behältern gelagerte Brennstoff-Vorrat passe in die Kofferräume von etwa zehn Autos.

Grossi forderte Klarheit über den Verbleib des nuklearen Materials. Irans Außenminister Abbas Araghtschi habe mit dem Beginn der israelischen und US-amerikanischen Angriffe Schutzmaßnahmen für Atom-Material und nukleare Geräte angekündigt, so der IAEA-Chef. Der mögliche Transport von Atom-Materialien müsse der IAEA gemäß dem verbindlichen Inspektionsabkommen zwischen der Atombehörde und dem Iran gemeldet werden, betonte er.

Risiko für Menschen

Laut dem Nuklearforscher Georg Steinhauser von der Technischen Universität Wien geht von dem Uran aber keine direkte Strahlungsgefahr aus - selbst dann nicht, wenn die Zentrifugen in den Atomanlagen zum Zeitpunkt der US-Angriffe gelaufen und mit Uran bestückt gewesen wären. "Das wäre eine geringe Menge gewesen, und Uran ist bedingt durch seine lange Halbwertzeit fast nicht radioaktiv", sagte Steinhauser.

Das Bundesamt für Strahlenschutz warnt dennoch vor einem Risiko für Menschen, besonders dann, wenn Uranoxid über die Luft eingeatmet wird. Vor allem die Lunge sei dann einem erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt. Um Uran anreichern zu können, wird es in einen gasförmigen Zustand überführt: Uranhexafluorid. Dieses wird nach der Anreicherung in das feste Uranoxid umgewandelt. Wird Uran in Form von Uranhexafluorid freigesetzt, kann sich eine giftige und ätzende Nebelwolke bilden, die Schleimhäute, Lunge und Augen schädigen kann.

In Bezug auf die Anlage in Fordo ergänzte Steinhauser: "Eine Freisetzung von Uran aus dieser Anlage wäre eine lokale Belastung mit dem Schwermetall Uran, aber man darf sich nicht vorstellen, dass da eine radioaktive Wolke wie seinerzeit in Tschernobyl oder Fukushima verursacht werden kann, die um den Planeten zieht." Die IAEA hat bislang keine erhöhte Radioaktivität um die drei attackierten Anlagen in Fordo, Natans und Isfahan festgestellt.

Ist ein Bombenbau noch möglich?

Laut dem Wissenschaftler Steinhauser sei theoretisch nicht ausgeschlossen, dass der Iran versucht, mit dem Material eine improvisierte Atombombe zu bauen. "Die wäre aber wahrscheinlich ungleich größer und schwerer zu transportieren, und das wäre für die iranischen Raketensysteme zu klobig. Die Trägersysteme sind darauf nicht ausgerichtet." 60 Prozent angereichertes Uran sei eine schlechte Qualität, sagte Steinhauser. Noch nie habe jemand versucht, damit eine Bombe zu bauen.

Sämtliche iranischen Pläne dürften für qualitativ hochwertiges Material ausgelegt gewesen sein. "Das wäre so, als wenn man einen Rennwagen entwickelt und die Planung mit einem Formel-1-Motor rechnet, aber dann plötzlich doch nur noch den Motor eines Traktors zur Verfügung hat", sagte Steinhauser. Um unter diesen Umständen eine Bombe zu bauen, bräuchte es sehr kreative Köpfe. "Aber mehrere Atomwissenschaftler hat Israel ja getötet. Da reicht es nicht, dass die vielleicht ihr Wissen aufgeschrieben haben."

Weitere Anreicherung fraglich

Allerdings hat der Iran mit der Anreicherung von Uran auf 60 Prozent die größten technischen Hürden bereits überwunden. Der Schritt auf 90 Prozent ist vergleichsweise einfach und braucht deutlich weniger Energie und Zeit - vorausgesetzt, die benötigte Technik ist noch vorhanden. Die USA hatten in der Nacht auf Sonntag bunkerbrechende Bomben auf die beiden teilweise unterirdischen Urananreicherungsanlagen in Fordo und Natans abgeworfen. Das Atomzentrum in Isfahan wurde zudem mit Marschflugkörpern beschossen.

Wie groß die erzielten Schäden seien, werde derzeit geprüft, sagte US-Generalstabschef Dan Caine. Zumindest die Anreicherungsanlage in Fordo ist laut einer ersten IAEA-Analyse schwer beschädigt worden. "Angesichts der verwendeten Sprengladung und der extremen Vibrationsempfindlichkeit der Zentrifugen ist mit erheblichen Schäden zu rechnen", sagte Grossi.

Bei den für die Urananreicherung notwendigen Zentrifugen handelt es sich um hochempfindliche Geräte, die etwa auch durch einen Stromausfall Schaden nehmen können. Der Iran verfügt nach Daten von IAEA über fast 15.000 Stück. Die riesigen Zentrifugen sind durch Rohre miteinander verbunden und mit dem Betonboden verschraubt. Dass der Iran sie rechtzeitig abtransportieren konnte, hält ein von der NYT zitierter US-Beamter für unrealistisch.

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