Die Frage, ob die USA die iranischen Atomanlagen angreifen durften, beantwortet Völkerrechtsprofessor Jochen von Bernstorff mit einem eindeutigen Nein. Das habe auch Konsequenzen für die deutsche Politik. Ein iranischer Gegenschlag könnte dagegen legal sein.
Der Angriff der USA auf Atomanlagen im Iran war aus Sicht des Völkerrechtsexperten Jochen von Bernstorff "eindeutig rechtswidrig". "Ich sehe da wenig Spielraum für eine völkerrechtliche Rechtfertigung", sagte der Professor für Staatsrecht, Völkerrecht, Verfassungslehre und Menschenrechte an der Universität Tübingen.
Die Amerikaner seien derzeit nicht selbst angegriffen worden, insofern liege kein Fall von individueller Selbstverteidigung vor. Da auch im Fall von Israel das Argument Selbstverteidigung nach einhelliger Meinung nicht greife, könnten sich die USA nach Einschätzung von Bernstorffs nicht auf kollektive Selbstverteidigung berufen. "Das gibt den Amerikanern kein Recht zur militärischen Unterstützung der israelischen Angriffe."
Sollte der Iran nun zurückschlagen, müsse er sich an humanitäres Völkerrecht und Kriegsrecht halten. Er dürfe also keine zivilen Objekte angreifen, sagte der Experte, der auch schon im Auswärtigen Amt und am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg gearbeitet hat. Der Iran habe aber ein Recht auf Selbstverteidigung, solange der Angriff besteht oder unmittelbar danach. "Zurückschlagen des bewaffneten Angriffs ist erlaubt. Aber es muss verhältnismäßig zum Aggressionsakt der USA sein." Die Ziele müssten eine militärische Funktion haben, damit der Angriff gerechtfertigt sei.
"Das Völkerrecht macht beim Gewaltverbot keinen Unterschied zwischen einem Mullah-Regime und einer Demokratie", sagte von Bernstorff. Politische Erwägungen - etwa dass die Islamische Republik keine Atomwaffen besitzen solle - spielten keine Rolle für die völkerrechtliche Frage, ob man gegen einen anderen Staat Gewalt anwendet. Ein präventives Selbstverteidigungsrecht gegen Gefahren, die sich in der Zukunft realisieren könnten, erkenne das Völkerrecht nicht an, erklärte der Fachmann. Auch dann nicht, wenn es sich um zukünftige Bedrohungen durch den Besitz von Massenvernichtungswaffen handele.
Dass Deutschland mit in den Konflikt hineingezogen werden könnte, sieht der Professor nicht: Da der Angriff der USA aus seiner Sicht völkerrechtswidrig war, würde im Fall eines Gegenschlags kein Nato-Bündnisfall greifen. "Es besteht dann keine Pflicht, beizustehen." Eine Mitwirkung an einem bewaffneten Angriff könnte sogar eher als Beihilfeleistung eingestuft werden. "Es gibt keinen Bündnisfall, solange das Vorgehen der USA nicht völkerrechtskonform ist."
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