Mehdi Hassani sitzt im Todestrakt im Gefängnis Ghezel Hesar. Weil er das iranische Regime kritisiert, soll er hingerichtet werden. Seine Tochter Maryam ist nach Deutschland geflüchtet. Der Kontakt zum Vater ist spärlich. Aber sie weiß, was ihm in den Folterkammern widerfährt.

Am 6. September 2022 hat Maryam Hassani ihren Vater Mehdi zum letzten Mal gesehen. Zunächst schien er spurlos verschwunden. Dann erreichte die Familie ein Brief der iranischen Sicherheitsbehörden: Mehdi Hassani wurde verhaftet und in das Evin-Gefängnis in Teheran gesteckt. Er sei ein Kritiker des iranischen Regimes gewesen, seit sie denken kann, sagt seine Tochter. Inzwischen sitzt er in einer anderen Haftanstalt, in einer der Todeszelle der Mullahs in Ghezel Hesar in der Provinz Alborz. Das Gefängnis ist im Iran bekannt als letzte Station, bevor die Häftlinge zu ihrer Hinrichtung geführt werden.

Das brutale Vorgehen der iranischen Mullahs gegen ihre Kritiker dokumentiert ein UN-Bericht, der diese Woche vorgestellt wurde. Demnach sind im Iran vergangenes Jahr mindestens 975 Menschen hingerichtet worden. Das sei im Iran die höchste Zahl an Exekutionen seit 2015, sagte die stellvertretende UN-Menschenrechtskommissarin Nada Al-Nashif. Vor dem Tod durch den Strick werden viele Häftlinge gefoltert.

"Meinem Vater wurden in der Haft schwerste Verletzungen am Nacken, am Rücken und an den Füßen zugefügt. Eigentlich bräuchte er ärztliche Betreuung, aber sie wird ihm verwehrt", sagt Hassani im Gespräch mit ntv.de. Zu den Foltermethoden im Gefängnis gehörten auch der Entzug von Nahrung und Schlafmöglichkeiten. Offiziell wurde ihr Vater unter anderem wegen "bewaffneter Rebellion gegen den Staat", "Feindschaft gegen Gott" und "Verdorbenheit auf Erden" verurteilt. Im Iran dient die Scharia - und damit die von Gott gesetzte Ordnung im Sinne des Islam - als Grundlage staatlicher Gesetzgebung.

"Sie haben damit gedroht, meinen Bruder zu vergewaltigen"

Neben der körperlichen Folter sei auch psychisch Druck auf ihren Vater ausgeübt worden, um falsche Geständnisse zu erzwingen, sagt Hassani: "Sie haben ihm im Gefängnis mehrmals damit gedroht, seiner Familie Schlimmes anzutun. Sie haben sogar damit gedroht, meinen achtjährigen Bruder zu vergewaltigen."

Hassanis Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen. Kaum jemand hat Zugang zu Todestrakten wie jenem in dem Gefängnis Ghezel Hesar. Auch Maryam Hassani, ihren beiden Geschwistern und ihrer Mutter wird ein Besuch verwehrt. Die Kontaktaufnahme mit dem Vater gestaltet sich schwierig. Manchmal gelingen Anrufe.

Die 24-Jährige ist nach der Inhaftierung ihres Vaters nach Deutschland geflohen. Der Rest der Familie lebt noch im Iran. Wie ihr Vater ist auch Hassani politisch aktiv. Sie setzt sich in Deutschland gegen das iranische Regime ein. "Aktuell befinden sich viele weitere Menschen in akuter Hinrichtungsgefahr im Iran. Insgesamt 55 politischen Gefangenen droht die Hinrichtung", sagt sie. An diesem Samstag nimmt sie an einer Demonstration teil, um die Bundesregierung aufzufordern, die Verhandlungen mit dem iranischen Regime an die Freilassung politischer Gefangener zu knüpfen.

Regime verfolgt Anhänger der "Frau, Leben, Freiheit"-Bewegung

Was Hassani über die Folter ihres Vaters erzählt, deckt sich mit Berichten von Menschenrechtsorganisationen. Mehdi Hassani ist nach Angaben von Amnesty International "im September 2024 in einem grob unfairen Prozess zum Tode verurteilt worden". Der Prozess habe nur fünf Minuten gedauert. Er sei von Vorwürfen über Folter und andere Misshandlungen, durch die falsche Geständnisse erpresst wurden, geprägt gewesen, heißt es weiter.

Neben der UN hat auch Amnesty International einen ausführlichen Bericht über Todesurteile und Hinrichtungen veröffentlicht, wonach der Iran im vergangenen Jahr eine "alarmierende Anzahl" an Exekutionen ausgeführt haben soll. "Mehr als die Hälfte der im Iran registrierten Hinrichtungen erfolgten für Handlungen, die nach internationalem Recht niemals zur Todesstrafe führen dürften, darunter Drogendelikte und zu weit gefasste und vage formulierte Anklagen, die nicht dem Legalitätsprinzip entsprechen, wie 'Feindschaft gegen Gott' (moharebeh) und 'Korruption auf Erden'", heißt es dort.

Demnach inhaftiert, foltert und erhängt das Regime noch immer Personen, die mit der "Frau, Leben, Freiheit"-Bewegung in Verbindung stehen. Unter dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit" begannen im September 2022, Tausende Iraner gegen die Repressionen ihres Regimes zu demonstrieren. Auslöser der Proteste war der Tod Jina Mahsa Aminis. Die 22-jährige starb unter ungeklärten Umständen, nachdem sie von der Sittenpolizei festgenommen wurde - mit der offiziellen Begründung, ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen zu haben. Der Slogan steht im Iran noch immer für die Forderung nach Frauenrechten und einem Ende der Unterdrückung.

Mehdi Hassani soll Volksmudschahedin gewesen sein

Auch ihr Vater sei für Frauenrechte eingestanden, sagt Hassani. Auf welche Weise genau er politisch aktiv war, will sie zu seinem Schutz nicht sagen. Nur so viel: Ihm wurde vorgeworfen, Mitglied der oppositionellen Organisation der Volksmudschahedin zu sein. Diese Oppositionsbewegung wurde 1965 im Iran gegründet und hatte den Sturz des Schah-Regimes zum Ziel.

Während der Revolution 1979 war die Bewegung maßgeblich daran beteiligt, den bisherigen Herrscher, Mohammad Reza Pahlavi, zu beseitigen. Sie verlor jedoch anschließend schnell die Auseinandersetzung um die Vormachtstellung im Land. 1981 zog die islamisch-sozialistische Organisation nach Paris. Im iranisch-irakischen Krieg zwischen 1980 und 1988 schlossen die Volksmudschahedin ein Bündnis mit dem irakischen Machthaber Saddam Hussein. Von 2001 bis 2009 stand die Bewegung auf der Terrorliste der EU, bis 2012 auf der entsprechenden Liste der USA.

"Die Volksmudschahedin standen historisch mit terroristischen Aktivitäten in Verbindung und haben keinen demokratischen Ursprung. Aber autoritäre Ideologien und Methoden können aus realpolitischen Gründen auch abgestreift werden", sagt Stephan Stetter, Professor für Internationale Politik und Konfliktforschung der Universität der Bundeswehr München, gegenüber ntv.de. Der Organisation wird vorgeworfen, noch immer militant zu sein. Die Volksmudschahedin dementieren dies und betonen, für demokratische Werte einzustehen.

"Mein Vater hat sich die Freiheit im Iran gewünscht"

Nach Auffassung der Bundesregierung sind die Volksmudschahedin "eine autoritär geführte iranische exil-oppositionelle Gruppierung". Allerdings gebe es momentan keine Hinweise auf Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Die Bundesregierung bestätigt auch, dass das iranische Regime die Bewegung seit vielen Jahren als feindliche Gruppierung wahrnimmt und verfolgt. Nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung wurden Anhänger der Volksmudschaheddin insbesondere nach dem Ende des Kriegs zwischen dem Irak und dem Iran 1988 in Haftanstalten ermordet.

Für Maryam Hassani jedenfalls steht fest: "Das iranische Regime hat meinen Vater ohne jedes Beweismittel als Verbrecher abgestempelt und verurteilt. Mein Vater hat sich die Freiheit im Iran gewünscht, die Freiheit für die Frauen und die Freiheit der Gesellschaft." Seinen Lebensunterhalt habe er als Taxifahrer verdient; die Familie habe im Iran "ein ganz normales Leben geführt". Ein Leben, das ihnen allen am Tag seiner Verhaftung genommen wurde.

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