Während Israel den Großangriff auf den Iran begann, befand sich Außenminister Johann Wadephul auf einer Nahost-Reise. Er besuchte Ägypten, Saudi-Arabien, Katar und den Oman – und begann umgehend mit einer Art Krisen-Speeddating. Zurück im Auswärtigen Amt in Berlin erklärt er die aktuelle Lage.
WELT: Herr Wadephul, es soll am Mittwoch einen Evakuierungsflug von Jordanien Richtung Frankfurt geben. Wie gefährlich ist die Situation aktuell? Können Sie wirklich garantieren, dass jeder Deutsche, der will, ausfliegen kann?
Johann Wadephul: Wir wollen dafür Sorge tragen, dass in der Tat allen, die sich dazu entschließen, auf dem Landwege Israel jetzt zu verlassen und dann von Jordanien oder vielleicht später auch einmal von Ägypten aus nach Deutschland zurückzukommen, das ermöglicht wird. Das muss jede und jeder für sich selbst entscheiden. Die Lage ist gefährlich. Für viele wird es sinnvoller sein, zu Hause zu bleiben. Es gibt Schutzräume in Israel. Es gibt ein sehr gutes Schutzkonzept. Wir müssen es einfach jedem selbst überlassen, welchen Weg er wählt. Aber für diejenigen, die das Land verlassen können, wollen wir entsprechende Hilfe bereitstellen. Das gelingt mit der guten Kooperation mit Jordanien jetzt schon mal in einem ersten Flug. Der wird gut angenommen. Das, was wir machen können, das tun wir für unsere Landsleute. Und ich muss mich natürlich auch um unser Botschaftspersonal kümmern. Auch da haben wir nicht unerhebliche Sorgen.
WELT: Von vielen Deutschen ist zu hören, dass es relativ kompliziert ist, nach Amman zu gelangen, weil man auf eigene Faust an die Grenze nach Jordanien reisen muss, danach bis nach Amman kommen muss. Können Sie da den Unmut bei manchen Deutschen verstehen?
Wadephul: Unmut ist klar. Ich meine, die Situation ist schwierig genug. Das ist eine kriegerische Situation. Die kann ich jetzt von hier nicht abstellen. Sie war auch in der Form nicht vorhersehbar. Wir können jetzt nur das tun, was irgendwie möglich ist. Aber wir helfen. Wir tun das, was die Bundesrepublik Deutschland tun kann, für Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die natürlich auch schon länger wussten, dass die Situation bedauerlicherweise in der gesamten Region gefährlich ist. Aber wir sind an ihrer Seite.
WELT: US-Präsident Donald Trump hat den G-7-Gipfel überraschend verlassen. Wie erklären Sie sich diese Abreise? Inwiefern gehen Sie davon aus, dass sich die Amerikaner an diesem Konflikt beteiligen werden, auch möglicherweise mit den sogenannten bunkerbrechenden Bomben?
Wadephul: Ich glaube, die Vereinigten Staaten von Amerika werden sich in diesen Krieg nicht einmischen. Das haben sie von Anfang an klar gesagt. Das ist auch die bisher konsistente Position. Natürlich: Wenn Amerika angegriffen wird, wird es sich verteidigen. Das weiß jeder. Insofern sollten die Iraner vorsichtig sein. Das ist ihnen auch gesagt worden. Übrigens kann ich auch nur appellieren, andere Staaten und andere Gruppierungen nicht einzubeziehen. Das ist auch das, was ich mitbringe von meiner Reise. Die ganze Region hat Sorge, einbezogen zu werden. Das muss vermieden werden. Und natürlich müssen wir ein Verhandlungsergebnis erzielen. Dazu sind auch wir Europäer bereit. Frankreich, Großbritannien, Deutschland sind im sogenannten E3-Format auch in Nukleargespräche mit dem Iran einbezogen. Wir haben gestern (Montag, Anm. d. Red.) mit dem iranischen Kollegen gesprochen und sind bereit dazu. Aber der Iran muss jetzt den nächsten Schritt gehen. Es muss klar sein, dass dieses Land keine Nuklearwaffe anstrebt. Übrigens, auch die ballistischen Raketen, die könnten auch Europa erreichen – auch das ist ein gefährliches Programm. Iran hat sich leider in den letzten Jahren sehr feindselig verhalten, hat ja auch Russland stark unterstützt im Krieg gegen die Ukraine. Das heißt, Vertrauen ist jetzt nicht da. Und der Iran ist gefordert, jetzt vertrauensbildende Maßnahmen zu ergreifen.
WELT: Auf Ihrer Golfreise haben Sie ja diesen Appell auch immer wieder nach Teheran gerichtet, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Nach Angaben von Donald Trump ist der Iran offenbar bereit, wieder zu verhandeln. Sollte Ihrer Meinung nach Israel das denn annehmen und die Angriffe erst einmal stoppen? Oder würde das bedeuten, dass Teheran Zeit gewinnt, um doch noch in den Besitz der Atombombe zu gelangen?
Wadephul: Es ist nie zu spät, an den Verhandlungstisch zu kommen. Ich habe nicht alle Informationen, die der amerikanische Präsident hat. Aber wenn die Vereinigten Staaten von Amerika weiter bereit sind, diese Verhandlungen zu führen, ist es doch gut. Und der Iran muss jetzt auch seine Bereitschaft dazu erklären. Wir müssen jetzt schnell sehen, dass diese Feindseligkeiten, dieses kriegerische Tun ein Ende bekommt und wir verhandeln können. Was Europa dazu tun kann, das werden wir tun. Wir haben uns gerade auch im Kreis der EU-Außenminister verständigt, dass wir diesen Weg unterstützen. Wir wirken ein. Deutschland steht an der Seite Israels, was einer großen Gefahr ausgesetzt ist. Man darf nie vergessen. Der Iran hat sich nicht an seine Verpflichtungen gehalten. Es gehört zur iranischen Staatsideologie, Israel zu vernichten. Das darf man nicht vergessen. Das heißt, insofern muss man ein anderes Verständnis für Israel haben, gerade aus deutscher Sicht. Trotzdem. Wir appellieren an eine Verhandlungslösung. Wir sind bereit, mitzuwirken. Und ich glaube, wenn das ernsthaft weiter verfolgt wird, dann gibt es dafür auch eine Aussicht, recht bald.
WELT: Benjamin Netanjahu hat in einem Interview mit der ABC gesagt, seiner Meinung nach würde die Tötung, die Ausschaltung des Iran Oberhaupts, Ajatollah Ali Chamenei, dazu führen, dass der Konflikt beendet würde. Würden Sie dieser Aussage zustimmen?
Wadephul: Dazu will ich mich jetzt nicht im Einzelnen einlassen. Ich glaube, es ist klar, dass militärische Ziele attackiert werden sollten. Mir hat auch der israelische Kollege klar versichert, dass ein Regime-Change nicht das Ziel ist, sondern das Ziel ist es, dem Iran seine Möglichkeiten zu nähen, nuklear bewaffnet zu werden und mit einem weitreichenden Raketenprogramm andere zu bedrohen. Das ist das Ziel Israels und andere Ziele kenne ich nicht.
WELT: Es gibt noch keine offizielle Anfrage von israelischer Seite nach Waffenlieferungen, nach Unterstützung militärischer Art. Die Bundesregierung hat bisher zugesagt, Löschmittel zu liefern. Sollte so eine Anfrage kommen aus Israel, wäre Deutschland grundsätzlich bereit, mit Munition, mit Waffen zu unterstützen?
Wadephul: Wir haben bisher immer Israel im Rahmen der Verteidigung, die Israel hat vornehmen müssen gegen Angriffe auf israelisches Territorium, unterstützt. Weitere Anfragen liegen uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor. Und wenn das der Fall wäre, dann würde der Bundessicherheitsrat darüber beraten müssen. Das sind geheime Beratungen. Denen kann ich nicht vorgreifen.
WELT: Aber Sie würden die Äußerungen von Lars Klingbeil durchaus auch unterstützen, der am Wochenende gesagt hat: Wenn Israel anfragt, dann könne man sich dem aus Sicht Deutschlands nicht verwehren?
Wadephul: Das müssen Sie Lars Klingbeil bitte nochmal genau fragen. Aber es ist doch ganz klar, dass Deutschland zu Israel steht. Es ist Teil unserer Staatsräson, dass dieser Staat in Sicherheit existiert. Aber bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich jetzt im Vorgriff derartige Äußerungen nicht machen kann. Wir müssen das in einer aktuellen Situation beantworten. Wir müssen sie rechtlich bewerten. Wir müssen sie politisch bewerten. Und außerdem liegt uns jetzt gar keine konkrete Anfrage vor. Israel hat unsere Solidarität. Trotzdem W fordern beide Seiten auf, jetzt zu Verhandlungen zurückzukehren.
Das Interview wurde für WELT TV geführt. In dieser schriftlichen Fassung wurde es zur besseren Lesbarkeit leicht gekürzt und redaktionell bearbeitet.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke