Nach der Veröffentlichung des "Manifests" einiger SPD-Politiker ist die Diskussion um Friedensgespräche für die Ukraine voll entbrannt. Bei Sandra Maischberger treffen sich Montagabend einer der Initiatoren des "Manifest" und Militärexperte Carlo Masala. Bei ihrem Streit geht es richtig zur Sache.
Kurz vor dem SPD-Parteitag sorgt ein "Manifest" mehrerer linker SPD-Politiker für Diskussionen. Die Verfasser um den Außenpolitiker Ralf Stegner fordern einen Stopp der Aufrüstung und eine Zusammenarbeit mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Stegner ist am Montagabend zu Gast bei Sandra Maischberger in der ARD. Dort diskutiert er mit dem Militärexperten Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München. Masala spricht sich für Abschreckung aus, um einen möglicherweise bevorstehenden Krieg zu verhindern, in den auch Deutschland mit hineingezogen werden könnte. Er sagt, Deutschland befinde sich zwar noch nicht im Krieg, aber auch nicht mehr im Frieden. Damit treffen bei Maischberger zwei Menschen aufeinander, deren Ansichten unterschiedlicher kaum sein können. Stegner hat es am Ende sichtlich schwer, seine Thesen zu verteidigen.
"Die SPD ist immer eine Friedenspartei gewesen", begründet der Politiker die Entstehung des "Manifest". "Wenn wir dieses Thema den Populisten überlassen, und das haben wir im Wahlkampf getan, dann darf man sich nicht wundern, wenn solche Wahlergebnisse herauskommen wie bei der Bundestagswahl. Wir haben nichts gemein mit den Rechtsradikalen oder Frau Wagenknecht, aber die bemächtigen sich des Themas." Stegner beklagt die Milliardenausgaben für die Rüstung und den Wiederaufbau durch einen Krieg zerstörter Gebiete. "Das ist nicht ein besonders schlauer Umgang mit dem menschlichen Verstand, wenn das das Ergebnis ist", so Stegner.
Das muss natürlich zum Widerspruch reizen. Masala lässt sich die Gelegenheit nicht nehmen. "Hier werden Themen unzulässig miteinander vermengt", sagt der Experte. So sei die SPD nicht immer eine Friedenspartei gewesen, wie Stegner oft behaupte. "Die SPD war die Partei der Nachrüstung, sie war die Partei des Kosovo-Einsatzes, die SPD war die Partei des Afghanistan-Einsatzes. Die SPD hat auch diese Seite, und nicht nur den Olivenzweig und die Friedenstaube." Masala gibt Stegner recht: Deutschland gibt Geld für Gaza oder Aleppo aus. "Es ist aber so, dass andere Gaza und Aleppo in Schutt und Asche gelegt haben. Daraus jetzt abzuleiten, dass die Diskussion in Deutschland sich zu stark auf Waffen konzentriert, verkennt die sicherheitspolitische Lage." Der Bundesnachrichtendienst habe einen Tag vor Veröffentlichung des Manifests eine Mitteilung ausgesendet, nach der Kreise in der russischen Hauptstadt Moskau auf einen Bündnisfall innerhalb der Nato hinarbeiten würden. Das müsse verhindert werden. "Ein Teil dabei ist Abschreckung. Und das ist auch immer eine gute Tradition der SPD: Abschreckung plus Dialog."
Stegner kritisiert Nachrüstungsbeschluss
Der Nachrüstungsbeschluss aus den 1980er Jahren, gegen den Stegner protestiert habe, habe vorgesehen, dass mit der Sowjetunion verhandelt werden sollte. Er regelte die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in der damaligen Bundesrepublik. Im Gegensatz dazu sollten nun Mittelstreckenwaffen ohne Verhandlungen stationiert werden, beklagt Stegner. Hier hat der Politiker zwar faktisch recht, jedoch führte die Sowjetunion in den 1980er Jahren auch keinen Krieg gegen ein anderes europäisches Land, während Russlands Präsident Wladimir Putin die Vernichtung der Ukraine als Staat proklamiert hat.
Stegner setzt für einen Frieden in der Ukraine auf Verhandlungen. "Leute wie Sie" – er meint Masala - "haben immer argumentiert: Wenn wir genug Waffen liefern, wenn wir genug militärischen Druck ausüben, wird Putin an den Verhandlungstisch kommen. Als Rolf Mützenich vor einem Jahr über ein Einfrieren des Krieges reden wollte, wurde er heftig beschimpft. Heute fordern das die Engländer, die Franzosen und unsere Leute selbst. Nur die militärische Lage ist viel schlechter geworden. Mit anderen Worten: Vielleicht hätte man besser auf Mützenich hören sollen, statt ihn zu beschimpfen."
Auch hier stellt Masala klar: Heute rede der über den Frieden, von dem Putin wolle, dass er über den Frieden rede. "Putin interessiert sich für uns Europäer einen feuchten Kehricht. Dem geht es darum, mit den USA auf Augenhöhe zu verhandeln. Donald Trump ist jetzt ein Präsident, der Putin die Ukraine vor die Füße wirft, den ukrainischen Präsidenten Selenskyj zwingt, allem zuzustimmen, was Trump sich als Lösung vorstellt. Und Putin? Er beschießt weiter, und er geht mit seinen Forderungen immer weiter."
Dennoch müsse man mit Putin über ein Ende des Krieges in der Ukraine reden. "Es gibt keine Alternative dazu", so Stegner. "Man muss mit den Feinden reden, wenn man Frieden will."
Masala: Gesprächsversuche scheiterten an Moskau
"Es wird beständig mit den Feinden geredet", antwortet Masala. So hätten vor dem Ausbruch der zweiten Invasion im Februar 2022 zahlreiche europäische Politiker dem russischen Präsidenten versichert, dass die Ukraine kein NATO-Mitglied werde. "Während des Krieges gab es chinesische, brasilianische und afrikanische Friedensinitiativen. Es gab Gespräche von Macron und Scholz. Jetzt ist Trump im Amt und macht einen Riesen-Bohei. Die Europäer haben sich den amerikanischen Forderungen angeschlossen. Seit 1208 Tagen, so lange dauert dieser Krieg, wird beständig geredet." Doch die Gespräche scheiterten an Moskau.
Weil Stegner weiter auf Gespräche beharrt, schaltet sich hier Sandra Maischberger ein und fragt, worüber denn überhaupt gesprochen werden solle, wenn das erklärte Ziel Russlands die Kapitulation der Ukraine sei. Stegner bleibt die Antwort schuldig. "Der Krieg wird am Verhandlungstisch beendet werden", erklärt stattdessen Masala. Ein Krieg werde nie militärisch gewonnen. Das Problem sei, dass jetzt die Vereinigten Staaten als europäischer Partner ausfielen. "Jetzt fängt das Drama an, denn die Europäer haben nichts in die Waagschale zu werfen, was Putin interessiert." Und dann stellt er Stegner die entscheidende Frage: "Was machen Sie denn, wenn Ihr Plan scheitert? Sie reden tausend Mal mit den Russen, und irgendwann entscheidet sich Russland, die Belastbarkeit von Artikel fünf zu testen und ein Nato-Land anzugreifen. Dann stehen Sie wehrlos da. Also ist doch die cleverere Strategie, sich vorzubereiten auf einen Krieg, und gleichzeitig zu reden."
Der russische Präsident will sich angeblich nun in Verhandlungen zur Beendigung des Konflikts zwischen Israel und Iran einschalten. Davor warnt Masala, denn damit werde Putin als mit den USA gleichberechtigter Partner akzeptiert. "Das ist das, was Putin immer wollte", so Masala. "Und Putin wird einen Preis verlangen, mit Blick auf die Ukraine. Das ist für Putin der Hauptkonflikt." Würde US-Präsident Trump Putins Angebot als Vermittler annehmen, "dann wirft er die Ukraine untern Bus."
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