Vertreter von Grünen und Linkspartei haben im Bundestag ein Ende der von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) angeordneten Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Grenzen gefordert. „Nehmen Sie die Anordnung zurück, stellen Sie einen rechtskonformen Zustand her“, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann am Donnerstag im Plenum. Sie warf der schwarz-roten Bundesregierung „Bagatellisierung“ und „Beschwichtigung“ nach dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts vor, das in drei Fällen die Zurückweisungen an der Grenze für rechtswidrig erklärt hatte.
Dass Dobrindt nach dem Gerichtsurteil keine Abkehr von seiner Linie erkennen ließ, sei „für die betroffenen Schutzsuchenden und für die Bundespolizisten (...) eine Zumutung“, fuhr Haßelmann fort. Diese würden rechtlich im Unklaren gelassen. Haßelmann warf dem Bundeskanzler zudem vor, mit seinem „Alleingang“ für „maximale Irritation“ in den Nachbarländern gesorgt zu haben. Der SPD hielt sie vor, sich nach dem Urteil „seit Tagen wegzuducken“.
Erst würde Merz „große Ankündigungen machen“ und dann „spektakulär“ scheitern, sagte Haßelmann. Das sei die Konsequenz einer Politik, die „mit populistischen Ankündigungen übertreibt, mit dem Kopf durch die Wand will und deshalb nicht gelingen kann.“
Hintergrund der Debatte ist ein Gerichtsurteil des Berliner Verwaltungsgerichts, das drei Menschen aus Somalia recht gegeben hatte. Sie hatten sich gegen ihre Zurückweisung ohne Dublin-Verfahren gewehrt. Das Gericht hatte die Zurückweisungen für rechtswidrig erklärt. Merz und Dobrindt betonten im Anschluss, dass es sich bei dem Gerichtsurteil nur um eine Einzelfallentscheidung handele. Für die drei Somalier soll es nun ein Asylverfahren geben, betonten mehrere Kabinettsmitglieder nach dem Urteil.
Grüne und Linke reichten am Donnerstag im Bundestag getrennte Anträge ein, die auf ein Ende der Zurückweisungen und eine Rücknahme der entsprechenden Anordnung von Dobrindt abzielten.
„Anfang vom Ende einer liberalen Demokratie“
Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger sprach mit Blick auf das Gerichtsurteil von einer „Klatsche“ für die Regierung. „Allen ist und allen war klar: Das ist rechtswidrig“, sagte Bünger. Dies trotzdem umzusetzen, sei „kein Versehen, sondern ein exekutiver Ungehorsam von oben, bei dem die Regierung Urteile ignoriert, EU Recht beugt, Grundrechte aushöhlt“. Die Anordnung sei der „Anfang vom Ende einer liberalen Demokratie. Das kennen wir bereits von Viktor Orbán aus Ungarn“.
Der Grünen-Politiker Marcel Emmerich zog einen ähnlichen Vergleich. Dobrindts Vorgehen spiele jenen Kräfte in die Hände, die „unsere Institutionen gezielt untergraben wollen nach dem Vorbild von Trump, Orbán oder der PiS.“ Diese Kräfte würden Gerichte nicht als Garanten des Rechtsstaats, sondern als Störfaktor sehen. Von Dobrindt forderte Emmerich, die „Angriffe auf den Rechtsstaat“ zu stoppen.
Weiter griff Linken-Politikerin Bünger Bundesinnenminister Dobrindt direkt an: „Keine vier Wochen im Amt und schon den ersten Gerichtsbeschluss, der Ihre Politik für rechtswidrig erklärt – das muss man erst einmal schaffen“. Bünger warf Dobrindt vor, eine Notlage erfunden zu haben, die bis heute nicht belegt worden sei. „Wenn Sie ein Minister mit Format wären, hätten Sie sich nach diesem Beschluss entschuldigt“, sagte Bünger.
Das Argument, dass sich die Kommunen in einer Notlage befänden, lehnte Bünger ab und sagte: „Kommunen wollen keine Abschiebungen, sondern Geld, denn sie wissen längst, mit Abschiebungen wird keine Kita gebaut.“
Throm beklagt dysfunktionales System
Vertreter der Koalitionsfraktionen verteidigten die Zurückweisungen dagegen. Der CDU-Politiker Alexander Throm wies darauf hin, dass Deutschland „seit vielen Jahren Hauptzielland illegaler Migration“ sei. Das wolle die Regierung mit den verschärften Grenzkontrollen und den Zurückweisungen ändern. Ziel der Regierung sei aber grundsätzlich, „dass zukünftig weniger Menschen an die Grenze kommen, die zurückgewiesen werden müssen“.
Niemand „außer Deutschland“ halte sich an das Dublin-Verfahren. Daraus resultiere, so Throm, dass 2024 in 92 Prozent der Fälle in Deutschland „unzuständigerweise“ ein Asylverfahren durchgeführt wurde. Das sei ein zahlenmäßiger Beweis für die Dysfunktionalität des Systems.
Der SPD-Abgeordnete Sebastian Fiedler betonte, dass seine Partei „selbstverständlich zu den Verabredungen, die wir im Koalitionsvertrag geschlossen haben“, stehe. Er wies auch auf „Unruhe“ bei vielen Polizisten hin, die sich fragten: „Welches Recht gilt denn jetzt?“ Aufgabe der Regierung sei es, in dieser Hinsicht Klarheit zu schaffen.
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