Die Linke ist laut im Bundestag. Gut so, denn sie füllt einmal mehr eine wichtige Repräsentationslücke in der deutschen Demokratie. Doch die wiederholten kalkulierten Eklats aus den eigenen Reihen schaden den Anliegen der Partei und der Demokratie gleichermaßen.
Der neue Bundestag arbeitet noch keine drei Monate und schon drei Mal hat die Linksfraktion einen Eklat provoziert. Erst posierte die Abgeordnete Cansin Köktürk für ihr Social-Media-Publikum mit Palästinenserschal im Plenum und wurde dafür abgemahnt. Dann provozierte ihr Fraktionskollege Marcel Bauer seinen Ausschluss von einer Plenarsitzung, weil er seine Baskenmütze partout nicht abnehmen wollte. Schließlich war es wieder Köktürk, die wegen ihres T-Shirts mit dem Aufdruck "Palestine" des Saales verwiesen wurde. Die Provokationen haben Methode, und diese ist schlechtester Natur: Die Abgeordneten missbrauchen das Parlament für billigen Populismus - und schaden damit letztlich den eigenen Anliegen.
Dabei ist es eigentlich ein Gewinn für die Demokratie, dass der Linken der Wiedereinzug in den Bundestag gelungen ist. Die schon totgesagte Partei füllt einmal mehr eine wichtige Repräsentationslücke. So war es schon, als sie in den ersten 15 Jahren nach der Wiedervereinigung Millionen Menschen ins parlamentarische System integrierte, die sich von den westdeutsch geprägten Parteien nicht verstanden fühlten. So ist es auch in der neuen Legislaturperiode. Ihr überraschend starkes Wahlergebnis ist auf drei Themen zurückzuführen, die die Linke so konsequent wie keiner ihrer Wettbewerber beackert hatte.
Eine Fraktion in der Pubertät
Erstens hat die Partei die desolate Situation am Wohnungsmarkt in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes gestellt. Wenn Millionen Menschen um ihr Grundrecht auf Wohnen bangen, läuft etwas grundfalsch im Staate Deutschland. Zweitens empfahl sich die Linke als Partei jener Menschen, die keiner Regierungskoalition mit einer CDU zur Macht verhelfen wollten, die im Zweifel auch mit der AfD Gesetze verabschiedet. Drittens ist die Linke Stimme jener - teils migrantisch geprägten - Wählerschaft geworden, die sich auch ohne antisemitisches Weltbild den Menschen in Gaza verbunden fühlt. Diese Menschen haben die inzwischen auch von der Bundesregierung erhobene Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung lange Zeit vermisst. Zudem warb die Linke erfolgreich für ihre Positionen in den sozialen Medien. Sie sprach Wählerinnen an, die andere Parteien kaum noch erreichen.
So kamen 64 Linksabgeordnete in den Bundestag, von denen die meisten keine klassischen Politikerkarrieren vorzuweisen haben: Die Fraktion ist die jüngste im Bundestag, viele Abgeordnete haben Berufe gelernt und sind eben nicht vom Hörsaal in den Plenarsaal gestolpert. Dieser Umstand erklärt zum Teil das pubertäre Gehabe einiger ihrer Abgeordneten sowie auch die jugendliche Arroganz, mit der etwa Luke Hoß als jüngstes Bundestagsmitglied auf den Parlamentsbetrieb blickt. Die Gruppe aus Bundestagsneulingen steckt quasi noch in der Adoleszenz. Mangelnde Reife ist jedoch keine Entschuldigung für billigen Populismus. Das Mandat bedeutet Verantwortung, einschließlich Lernbereitschaft.
Was Köktürk und Bauer verschweigen
Sowohl Köktürk als auch Bauer haben ihren provozierten Rausschmiss auf Instagram ausgeschlachtet. Beide argumentieren dort sinngemäß: An 151 "Faschisten" im Bundestag sowie am Leid in Gaza störe sich Bundestagspräsidentin Julia Klöckner nicht, aber an einer lächerlichen Mütze und einem harmlosen T-Shirt. Dabei wissen beide: Die vom Parlament selbst verfasste Hausordnung verbietet nach allgemein akzeptierter Lesart des Präsidiums politische Botschaften auf Kleidung und Transparenten im Plenarsaal. Dieser dient allein der regelbasierten, mündlichen Debatte - dem höchsten Gut einer Demokratie. Und entweder gelten diese Regeln für alle Abgeordneten oder für niemanden. Was wären die Linksabgeordneten empört, wenn die AfD-Fraktion im Plenum geschlossen mit Pullovern erschiene, die mit der Friedenstaube bedruckt sind oder gar dem Wort "Deutschland" in Frakturschrift! Die geltende Hausordnung schließt derart missbräuchliche Inszenierungen aus.
Bauer und Köktürk aber verschweigen diese Logik. Stattdessen verbreiten sie in sozialen Medien die Mär von einem Parlament, das sich an lächerliche Kleidungsregeln klammere, völlig abgehoben von wahren Problemen wie Krieg, Rechtsextremismus oder Armut. Bauer und Köktürk machen das Parlament lächerlich und damit die Demokratie, die sie doch vorgeblich schützen wollen. Nebenher bestätigen sie ungewollt CDU und CSU in ihrer Wahrnehmung, mit solchen "linken Spinnern" arbeite eine bürgerliche Partei besser auf keiner Ebene zusammen. Ein hoher Preis für ein bisschen Radau und kurzen Applaus im Internet. Diese destruktive Herangehensweise hatte die AfD bislang exklusiv. Darüber sollte die Linksfraktion dringend nachdenken - Parlamentspubertät hin oder her.
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