Die Ukraine will viele russische Bomber kampfunfähig gemacht haben. Doch sind es genug, um weniger Luftangriffen ausgesetzt zu sein? Möglicherweise, sagen Experten, warnen aber auch vor vorschnellen Bewertungen. Mitentscheidend soll zudem sein, was mit den wichtigen A50-Aufklärungsflugzeugen passiert ist.

In einer nie da gewesenen Aktion haben ukrainische Drohnen von russischem Gebiet aus vier Militärflugplätze attackiert. 41 Flugzeuge sollen dabei laut Angaben des Inlandsgeheimdienstes SBU eliminiert oder beschädigt worden sein. SBU-Leiter Wassyl Maljuk sprach von der Zerstörung von 34 Prozent der strategischen Trägersysteme für Marschflugkörper an den Hauptflugplätzen. Welche Bedeutung dies für den Fortgang des Krieges hat, bleibt indes abzuwarten.

Der Militärexperte Gustav Gressel hält es für möglich, dass die russischen Angriffswellen auf die Ukraine mit Marschflugkörpern kleiner werden. Das hängt ihm zufolge aber davon ab, wie stark die 41 getroffenen Flugzeuge wirklich beschädigt sind. "Bei den Angriffswellen mit Marschflugkörpern waren die verfügbaren Bomber bisher der Flaschenhals. Wellen können nur so groß sein, wie Flugzeuge in der Luft sind", sagte Gressel.

Auch der Militärexperte Oberst Markus Reisner hält Einschränkungen für möglich: "Man nimmt an, dass die Russen vor dem Angriff noch um die 100 Flugzeuge hatten. Von denen wird ungefähr die Hälfte einsatzbereit gewesen sein. Wenn von 50 bis 60 einsatzbereiten Jets eine signifikante Zahl zerstört wurde, hat das unmittelbaren Einfluss." In den nächsten Wochen und Monaten müsse man genau hinsehen, ob die Luftangriffe auf Infrastruktur und zivile Ziele merklich nachlassen, sagte Reisner ntv.de.

Laut dem ukrainischen Inlandsgeheimdienst wurden neben schweren Bombern vom Typ Tu-95, Tu-22M3 und Tu-160 auch ein oder mehrere A50-Aufklärungsflugzeuge getroffen. Diese werden normalerweise eingesetzt, um Luftoperationen zu koordinieren und Ziele herauszusuchen, auf die dann beispielsweise Gleitbomben abgefeuert werden.

Von den A50 hat Russland laut Gressel nur noch sechs bis sieben einsatzfähige Exemplare. "Wenn hier mehrere A50 zerstört wurden, hätte das einen erheblichen Effekt auf die russischen Luftstreitkräfte, insbesondere ihre Gleitbombenabwürfe. Diese sind für die ukrainischen Verteidiger ein erhebliches Problem, zusammen mit den Glasfaserdrohnen vielleicht das Problem derzeit."

Verschont gebliebene Flugzeuge weiterhin eine Gefahr

Der Sicherheitsexperte Frank Sauer bezeichnete die Angriffe als "absolut spektakulär" und "extrem beachtenswert". Es seien Russland aber genug Flugzeuge übrig geblieben. Die nächtlichen Attacken auf die Städte der Ukraine würden laut Sauer höchstwahrscheinlich nicht beeinträchtigt. Schon eine einzelne Tu-95, von denen mehrere Exemplare bei dem Angriff zerstört wurden, könne zwischen sechs und vierzehn Marschflugkörper tragen.

"Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass die Zerstörung der Bomber einen Riesenunterschied macht, sodass die Ukraine nachts etwas mehr zur Ruhe kommt und weniger von Marschflugkörpern terrorisiert wird", sagte der Sicherheitsexperte ntv.de.

Sauer geht davon aus, dass die Russen ihre Flugzeuge in Zukunft besser schützen und nicht mehr ungeschützt im Freien stehen lassen werden. Ein derart akribisch und lange geplanter Überraschungsangriff wie der jetzige funktioniere "im Grunde nur einmal", als Nächstes müssten - und würden, laut Sauer - die Ukrainer sich wieder etwas Neues einfallen lassen.

"Wird nicht die Wende im Krieg sein"

Der Ex-US-Marine-Offizier Rob Lee vom Foreign Policy Research Institute schrieb auf X, der ukrainische Angriff sei wichtig, weil er Russlands Fähigkeit, Marschflugkörper abzufeuern, einschränke und die Kreml-Truppen zwinge, Ressourcen zum Schutz von Einrichtungen fernab der Ukraine einzusetzen. Er erwartet aber nicht, dass der Angriff Russland davon abhalten wird, weiter Krieg gegen die Ukraine zu führen.

Der Politikwissenschaftler Thomas Jäger sagte bei ntv, die Attacke werde nicht "die Wende im Krieg sein, sodass jetzt alles anders ist. Aber die Ukraine hat bewiesen, dass sie zu solchen Aktionen in der Lage ist. Und man wird in Russland schon überlegen, was wird die nächste Aktion sein".

Der tschechische Außenminister Jan Lipavský schrieb auf X, es sei zu erwarten, dass russische Kampfflugzeuge den NATO-Luftraum nun um 30 Prozent seltener verletzen werden. "Dies bestätigt, dass es in unserem Sicherheitsinteresse liegt, eine starke, widerstandsfähige und gut bewaffnete Ukraine als Verbündeten zu haben", so Lipavský.

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