Die Erwartungen an die zweite Gesprächsrunde zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul sind nicht hoch. Nach etwa einer Stunde ist das Treffen bereits wieder vorbei. Kiew ging zudem das Thema Verschleppung an.

Die zweite Verhandlungsrunde zwischen Russen und Ukrainern über eine mögliche Waffenruhe ist beendet. Das Gespräch in Istanbul habe etwa eine Stunde gedauert, hieß es von den beteiligten Seiten. Eine Fortsetzung im weiteren Tagesverlauf sei nicht vorgesehen. Nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministers und Delegationsleiters Rustem Umerow vereinbarten beide Seiten einen weiteren Austausch von Kriegsgefangenen. Russland hat seinerseits eine zwei- bis dreitägige Feuerpause in einzelnen Frontabschnitten vorgeschlagen. So könnten Kommandeure beider Seiten die Leichen ihrer Soldaten bergen, sagte Chefunterhändler Wladimir Medinski.

"Der Plan ist ziemlich ausführlich", sagte Medinski. Der erste Teil beinhalte Moskaus Vorstellungen für die Erreichung eines dauerhaften Friedens. Der zweite Teil liste – in verschiedenen Varianten – Schritte auf, um eine vollständige Waffenruhe zu erreichen. Die ukrainische Seite habe sich entschieden, den Plan zu prüfen. "Sie studieren ihn und antworten. Wir schauen." Konkrete Angaben zum russischen Memorandum machte er nicht.

Umerow zufolge haben sich beide Seiten darauf geeinigt, sämtliche Kriegsgefangenen im Alter von 18 bis 25 Jahren sowie alle schwer verwundeten oder schwer kranken Gefangenen auszutauschen. Zudem sei der Austausch der Leichname von 6000 ukrainischen gegen 6000 russische Soldaten vereinbart worden. Die Ukraine habe Russland zudem eine nächste Gesprächsrunde bis Ende Juni vorgeschlagen. Diese solle "zwischen 20. und 30. Juni" stattfinden", sagte er weiter. Die weiteren Gespräche seien "zentral, um den Verhandlungsprozess voranzutreiben".

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilte mit, er erwarte von Verteidigungsminister Umerow einen vollständigen Bericht. Es seien Dokumente ausgetauscht worden und ein neuer Austausch von Kriegsgefangenen werde vorbereitet werde, sagte er in der litauischen Hauptstadt Vilnius bei einem Besuch.

Mit Blick auf die übergebene Liste sagte der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, bei Telegram: "Es geht um Hunderte Kinder, die Russland gesetzwidrig deportierte, zwangsweise umsiedelte oder in den temporär besetzten Gebieten festhält." Die Rückkehr dieser Kinder sei Teil eines gerechten und stabilen Friedens. "Nun ist Russland am Zug", schrieb er weiter. Russlands Unterhändler sprach von einer Liste mit Namen von 339 Kindern. Die Fälle würden nun geprüft. Kinder und ihre Eltern sollen zusammengeführt werden, hieß es.

Nach früheren Angaben aus Kiew hatte Moskau mehr als 19.500 ukrainische Minderjährige aus den eroberten Gebieten zwangsverschleppt. Mehr als 1000 konnten dabei auch durch internationale Vermittlung in die Ukraine zurückkehren. Über 160 aus ukrainischer Sicht verschleppte Kinder fanden sich teils mit ihren gesetzlichen Vertretern in Deutschland wieder. Über konkrete Ergebnisse des Treffens ist noch nichts bekannt.

Bei den Gesprächen sollte es um Wege aus dem seit drei Jahren dauernden Krieg Russlands gegen die Ukraine gehen. Kiew hatte dazu im Vorfeld eine bedingungslose 30-tägige Waffenruhe als ersten Schritt gefordert. Moskau hatte eine Feuerpause jedoch an Bedingungen geknüpft, zu denen ein Verzicht westlicher Staaten auf Waffenlieferungen an die Ukraine gehört. Kiews wiederum sollte die Mobilmachung von Soldaten einstellen. Die Regierung in Kiew wertet diese Forderungen als eine inakzeptable Aufforderung zur Kapitulation.

Vor Beginn der zweiten Runde sagte der türkische Außenminister Hakan Fidan als Gastgeber: "Die Augen der ganzen Welt sind auf die Kontakte hier gerichtet." Die russische und die ukrainische Delegation saßen sich im Ciragan-Palast am Bosporus gegenüber. Fidan erklärte, Ziel des Treffens sei es, die Bedingungen für einen Waffenstillstand zu bewerten und ein mögliches Treffen zwischen den Präsidenten zu besprechen.

In Istanbul befanden sich zudem ranghohe Vertreter europäischer Staaten, darunter auch Deutschlands. "Die europäischen Partner sind ... auf der Ebene der außen- und sicherheitspolitischen Berater in Istanbul", sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius in Berlin. Diese könnten sich in die Gespräche einbringen, wenn dies gewollt sei. "Und das ist unser Beitrag, auch um zu zeigen, dass es sich hier auch um den festen Willen Europas handelt, einen Waffenstillstand herbeizuführen."

Bei ihrer ersten Gesprächsrunde in Istanbul am 16. Mai hatten beide Seiten den größten Gefangenenaustausch des Krieges von jeweils 1000 vereinbart. In der Frage einer Waffenruhe gab es indes keine Annäherung. Beide Seiten legten lediglich ihre Ausgangspositionen für Verhandlungen dar. Die Regierung in Kiew wertet die bislang geäußerten Forderungen Russlands als eine inakzeptable Aufforderung zur Kapitulation.

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