Die Analyse ist düster: "Um den Frieden ist es gegenwärtig schlecht bestellt", schreiben führende Friedens- und Konfliktforscher. Dabei stellt aus ihrer Sicht nicht nur der Kreml ein Problem dar.

Führende deutsche Friedens- und Konfliktforscher haben die Bundesregierung aufgefordert, sich angesichts der politischen Entwicklung in den USA auf eine Zukunft ohne die Nato vorzubereiten. Mit einer "zunehmend nationalistisch gesonnenen" US-Regierung und angesichts "territorialer Ansprüche und Drohungen gegenüber Alliierten" habe das Verteidigungsbündnis "keine Zukunft", sagte Christopher Daase vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung.

Die Entwicklung in den USA seit dem Amtsantritt Trumps im Januar bedachte Daase bei der Vorstellung des Friedensgutachtens 2025 mit scharfer Kritik. Es sei dem US-Präsidenten und "seiner Maga-Bewegung" gelungen, "in kürzester Zeit und ohne viel Widerstand die älteste Demokratie der Welt in ein autoritäres Regime zu verwandeln". Die USA seien nunmehr ein "weiterer Unsicherheitsfaktor". Er fügte an: "Die transatlantische Partnerschaft, wie wir sie kannten, ist am Ende."

Deutschland und Europa seien "durch den autoritären Staatsumbau in den USA direkt bedroht". Zwar gehe es angesichts der russischen Bedrohung ohne die Nato derzeit nicht, Europa müsse aber "ohne die USA, vielleicht sogar gegen sie, verteidigungsfähig werden".

"Die Europäische Union muss Strategien entwickeln, um ihre Verteidigung - vor allem gegen die Bedrohung durch Russland - auf lange Sicht unabhängig von den USA sicherzustellen", fordern die Wissenschaftler. Es gelte, Lücken in den militärischen Fähigkeiten zu schließen, die Rüstungsbeschaffung zu europäisieren und gemeinsame Verteidigungsstrukturen auszubauen, hieß es. Parallel müssten Rüstungskontrolle und diplomatische Initiativen dafür sorgen, dass Konflikte nicht eskalieren.

"Um Frieden schlecht bestellt"

"Um den Frieden ist es gegenwärtig schlecht bestellt. Als politisches Konzept scheint er sich mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine erschöpft zu haben", schreiben die Forscher. Das weltweite Konfliktgeschehen habe sich in den vergangenen Jahren weiter verschärft: 2024 seien mehr als 122 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Gewalt gewesen. Der Krieg in Gaza habe mehr als 53.000 Menschen das Leben gekostet und das Gebiet weitgehend zerstört.

Der Bundesregierung empfehlen die Friedensforscher im Gutachten einen "transparenten, stufenweise angelegten Plan für den Ausbau und die Integration europäischer Verteidigungsstrukturen". Dafür könnten unter anderem die permanent strukturierte Zusammenarbeit der EU (Pesco) und gemeinsame Missionen der EU gestärkt werden.

Allerdings greife es zu kurz, Sicherheit allein durch "Rüstung, Abschreckung durch Verteidigungsfähigkeit" herzustellen, sagte Daase weiter. Denkbar sei etwa, wie während des Kalten Kriegs Aufrüstung mit "Angeboten zu Rüstungskontrollverhandlungen" zu verbinden.

Forscher: Israel verletzt Völkerrecht

Mit Blick auf den Nahen Osten forderten die Friedensforscher "dringlicher denn je" einen Stopp aller Lieferungen von Waffen, die im Gazastreifen und im Westjordanland eingesetzt werden könnten. Israel habe "in eklatanter Weise" das humanitäre Völkerrecht verletzt und die Grenzen der "legitimen Selbstverteidigung überschritten". Von Deutschland fordern die Forscher, internationale Gerichtsbarkeit zu respektieren: "Völkerrecht geht vor Staatsräson. Dies schließt bis auf Weiteres einen Staatsbesuch des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Deutschland aus."

Zudem sollte Deutschland sich "mittelfristig" für eine Anerkennung eines palästinensischen Staats einsetzen. Eine dauerhafte Lösung des "Palästina-Konflikts" schränke "in keiner Weise das Recht Israels auf einen jüdischen Staat in sicheren Grenzen ein", sagte Daase.

Das Friedensgutachten wird jährlich vom Bonn International Center for Conversion (BICC), dem Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen, dem Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF) sowie dem Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) an der Universität Hamburg herausgegeben. Es erscheint seit 1987.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke