Aus den Augen, aus dem Sinn: In den USA verlegt die Einwanderungsbehörde ICE Migranten von einer Haftanstalt in die nächste. In den oft entlegenen Gefängnissen bleiben sie häufig ohne rechtlichen Beistand oder Kontakt zu Familie und Freunden. Die Transporte haben System und sind vor allem eines: teuer.

Kurz nachdem Donald Trump am 20. Januar seinen Amtseid abgelegt hat, gab der US-Präsident ein Versprechen: "Wir werden Millionen und Abermillionen kriminelle Migranten in ihre Länder zurückschicken." Laut Trumps Pressesprecherin Karoline Leavitt wurden in den Tagen darauf 530 Migranten festgenommen und weitere Hundert abgeschoben. Auf X prophezeite Leavitt "die größte Massenabschiebung der Geschichte."

Knapp drei Monate später fehlen belastbare Zahlen zu den tatsächlichen Abschiebungen. Stattdessen transportiert die US-Einwanderungsbehörde "Immigration and Customs Enforcement" (ICE) Tausende Menschen kreuz und quer durchs Land - über Staatsgrenzen hinweg, in weit entfernte Haftanstalten.

Die Verlegung inhaftierter Migranten zwischen Gefängnissen ist in den USA nichts Ungewöhnliches. Seit der Gründung von ICE im Jahr 2003 sind solche Transfers fester Bestandteil der US-Einwanderungspolitik. Doch sie nehmen zu: Laut einer Analyse des Wirtschaftsportals Bloomberg erreichten die Transporte nach Trumps Amtsantritt im Februar 2025 einen neuen Höchststand. In den vergangenen 13 Jahren wurden in keinem anderen Monat so viele Menschen in eine andere Haftanstalt verlegt. Fast jeder Zweite wurde versetzt - unter Trumps Vorgänger Joe Biden war es noch jeder Vierte.

ICE hat eine breite Ermessensbefugnis bei der Verlegung von Inhaftierten und stützt sich dabei auf den "Immigration and Nationality Act" (INA), der die Festnahme und Inhaftierung von Ausländern bis zur Entscheidung über deren Abschiebung erlaubt. Demnach sollen mit den Transfers etwa die Überfüllung von Haftanstalten verhindert oder Abschiebungen erleichtert werden, indem Betroffene in die Nähe eines Flughafens verlegt werden. Bei Sicherheitsbedenken kann eine Person auch zu ihrem eigenen Schutz in einer anderen Haftanstalt unterkommen. ICE betont, dass die Transfers umfassend dokumentiert und begründet werden.

"Kostspielig und verschwenderisch"

Bob Libal, amerikanischer Bürgerrechtsführer, ist Stratege bei "The Sentencing Project", einer gemeinnützigen Organisation in Washington D.C., die Inhaftierungen in den USA untersucht. Er glaubt nicht, dass die Verlegungen immer einen festgeschriebenen Zweck verfolgen. Laut Libal sind diese Transporte in erster Linie eines: enorm kostspielig. "Das gesamte Haftsystem ist unfassbar verschwenderisch. Und unter Trump steigen die Kosten exponentiell weiter", sagt der Bürgerrechtler im ntv-Podcast "Wieder was gelernt".

Finanziert werden die Transporte von Steuergeldern. Laut des Bloomberg-Berichts haben US-Steuerzahler in den zwei Monaten nach Trumps Amtsantritt rund 29 Prozent mehr für solche Flüge ausgeben müssen als im Vorjahr - das entspricht rund 31 Millionen Dollar.

Ein Grund dafür ist, dass die Haftzentren oft an abgelegenen Orten gebaut werden - weit entfernt von größeren Städten. Entsprechend aufwendig ist der Transport dorthin. Entsprechend gering ist aber auch die Aufmerksamkeit für die Inhaftierten, die sich größtenteils fernab der Öffentlichkeit und des medialen Interesses befinden. "Aus den Augen, aus dem Sinn", sagt Libal. Die politische Motivation dahinter sei eindeutig. "Es soll geheim gehalten werden, was in diesen Einrichtungen genau passiert."

Ohne rechtlichen Beistand

Auch Menschenrechtsorganisationen sind überzeugt: Das Vorgehen soll einschüchtern. Die plötzlichen Verlegungen reißen Menschen aus ihrem sozialen Umfeld, trennen sie von Familie und Freunden. Gut ein Viertel der von ICE im Süden und Südwesten Inhaftierten ist mehr als eine achtstündige Autofahrt von dem Ort entfernt, an dem sie ursprünglich festgenommen wurden. Betroffene berichten von überfallartigen Verlegungen, Fesseln während des Transports und mangelnder Verpflegung. "Der Verlust von sozialen Kontakten und Unterstützung hat gravierende Auswirkungen auf das soziale, mentale und physische Wohlbefinden der Menschen", sagt Libal.

Hinzu kämen rechtliche Nachteile. Denn gerade die südlichen ICE-Haftanstalten befinden sich oft in abgelegenen Gebieten, weit entfernt von der ohnehin begrenzten Anzahl von Einwanderungsanwälten. Laut Bloomberg gibt es im Umkreis von 160 Kilometern um die größten ICE-Haftanstalten im Süden durchschnittlich nur sechs Anwälte, die sich mit Asylthemen beschäftigen. Und nur wenige Verteidiger sind bereit, stundenlange Fahrten auf sich zu nehmen, um Mandanten zu besuchen. Viele Familien können sich die hohen Kosten für private Verteidiger generell gar nicht leisten. So bleiben viele Menschen in Abschiebehaft praktisch rechtlos.

Libal beobachtet das US-Abschiebesystem seit über 20 Jahren. Entscheidend sind für ihn die persönlichen Schicksale der Menschen. Denn solange diese "gesichtslose Zahlen" blieben, sei auch das System nicht angreifbar. "Wenn bekannt wird, was hinter den Mauern dieser Einrichtungen geschieht, sind doch erstaunlich viele Menschen gegen systematische Abschiebungen."

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