Das Loch in der russischen Haushaltskasse wird größer. Das liegt an den westlichen Sanktionen und dem sinkenden Ölpreis. Präsident Putin bedient sich am staatlichen Rentenfonds, um die Rüstungsausgaben zu finanzieren. Ein Zeichen dafür, unter welchem Druck Russlands Wirtschaft steht.

Wladimir Putin nimmt keine Rücksicht auf Verluste, wenn es darum geht, seine Kriegsmaschinerie am Laufen zu halten. Der russische Präsident lässt nicht nur seine Soldaten einen hohen Blutzoll an der ukrainischen Front zahlen. Der Krieg kostet auch enorm viel Geld: Die Invasion reißt große Löcher in den russischen Staatshaushalt. Diese Löcher füllt der Kreml unter anderem mit Milliarden aus dem Wohlfahrtsfonds - und zwar jedes Jahr.

Den Wohlfahrtsfonds gibt es seit 2008. Er investiert wie andere Staatsfonds in Aktien und weitere Anlagen, und bezahlt damit das russische Pensionssystem. Vor dem Krieg war es ein Tabu, durch Gelder aus diesem Fonds das Haushaltsdefizit zu decken. Inzwischen ist es für Putin aber ganz normal, den Rentenfonds für seine Invasion zu plündern. Dieses Jahr will der Kreml laut der Agentur Reuters umgerechnet 4,8 Milliarden Euro aus den Reserven nehmen, um das Haushaltsminus auszugleichen. Das Minus verdreifacht sich wahrscheinlich in diesem Jahr. Der Wohlfahrtsfonds ist ein Puffer dafür, er schmilzt allerdings immer weiter.

Auch deshalb helfe es Putin nur kurzfristig, wenn er den Rentenfonds plündere, sagt Alexandra Prokopenko im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Sie hat mehrere Jahre die russische Zentralbank beraten, mittlerweile lebt sie in Berlin und forscht dort für die Denkfabrik Carnegie Endowement for International Peace. "Es gibt noch Ressourcen in Form von Reserven, wie zum Beispiel den Wohlstandsfonds. Es gibt noch einen Spielraum bei den Budgets. Für kurzfristige Schocks ist die russische Wirtschaft deshalb solide und resilient", sagt Prokopenko. Langfristig sei sie aber nicht ausgeglichen. Das sehe man daran, wie ungleichmäßig die verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Russland profitieren. Seit Kriegsbeginn würden die Ärmsten ärmer und die Reichsten reicher.

Sinkender Ölpreis lässt Staatseinnahmen schrumpfen

Die Schere zwischen Arm und Reich wächst auch deshalb, weil Putin für seinen Militärapparat den zivilen Teil der Wirtschaft bluten lässt. Für die Förderung der Kriegsmaschinerie ist er bereit, vieles zu opfern. Der Kreml steckt ein Drittel aller Staatsausgaben in die Verteidigung - insgesamt sieben Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Die russische Bevölkerung bekommt die Folgen auch auf andere Weise zu spüren. Die Wirtschaft ist überhitzt. Ein schwindelerregender Leitzins von 21 Prozent verteuert die Kredite. Die Inflation hat im März bei 10,3 Prozent gelegen - den aktuellen Butterpreis empfinden viele Menschen in Russland als astronomisch hoch. Noch wächst die russische Wirtschaft. Aber schon lange nicht mehr so stark wie in den vergangenen Jahren. Um den Krieg gegen die Ukraine weiter durchzuhalten, wird Putin bald noch andere Finanzquellen finden müssen als den Rentenfonds.

Denn der Kreml nimmt weniger durch den Ölverkauf ein - weil der Ölpreis sinkt. Ein großes wirtschaftliches Risiko für Putin, sagt Prokopenko: "Russlands Haushalt ist stark vom Ölexport abhängig. Die Öleinnahmen sinken aber. Das lässt den Haushalt immer weiter ins Minus sinken, wie neue Schätzungen des Finanzministeriums zeigen." Spätestens 2026 müsse deshalb gespart werden. Das Militär werde wahrscheinlich nicht betroffen sein - der zivile Teil der Wirtschaft aber schon.

Firmen erhöhen wegen Sanktionen die Preise

Die russische Wirtschaft steht auch an anderer Front unter Druck - durch die westlichen Sanktionen. Die USA und die EU haben seit Kriegsbeginn immer neue gegen den russischen Finanz-, Militär- und Energiesektor beschlossen.

Die USA hätten mit Sekundärsanktionen ein besonders wirksames Druckmittel gegen Moskau im Schrank. Damit könnten sie Unternehmen in Drittstaaten verbieten, weiter Geschäfte mit Russland zu machen. Dann könnten Firmen sanktioniert werden, die zum Beispiel russisches Öl und Gas kaufen. Doch ob die USA diese Waffe auch auspacken, ist unklar: US-Präsident Donald Trump ändert ständig seine Meinung, wie er mit Putin umgehen will - ob er Freund ist oder Feind.

Es geht aber auch ohne die USA: Vor Kurzem hat die EU ihr 17. Sanktionspaket beschlossen. Es zielt auf die russische Schattenflotte ab, die Öl und Ölprodukte transportiert. Unter anderem dürfen rund 200 Schiffe nicht mehr in EU-Häfen anlegen.

"Die Sanktionen und vor allem das jüngste Sanktionspaket funktionieren - denn sie steigern die Kosten für die russische Wirtschaft: Bei jedem Tanker der Schattenflotte muss der Eigentümer neue Wege finden, die Sanktionen zu umgehen", sagt Prokopenko im "Wieder was gelernt"-Podcast. Die Unternehmen müssten immer mehr Geld investieren, um die Sanktionen zu umgehen. Diese gestiegenen Kosten würden sie auf ihre Waren aufschlagen. "Die Preise steigen also", so die Wirtschaftsexpertin.

"Das alles geht für Putin über einfache Rationalität hinaus"

Die Europäische Union will die Schlinge um die russische Wirtschaft immer enger ziehen - und bastelt schon an ihrem 18. Sanktionspaket. Sie will die Nord-Stream-Gaspipelines verbieten und 20 russische Banken aus dem internationalen Zahlungsverkehrssystem Swift ausschließen.

Aber werden die Sanktionen Putin dazu bringen, seinen Angriffskrieg bald zu beenden? Daran glaubt Prokopenko nicht. Die Kriegsmaschinerie sei für ihn das Wichtigste überhaupt. "Das alles geht für Putin über die einfache Ökonomie und einfache Rationalität hinaus", weiß Prokopenko.

Bereits zu Kriegsbeginn hätten die hohen Kosten des Krieges Putin nicht davon abhalten können, die Invasion fortzuführen. Deshalb bezweifelt sie, dass steigende Transaktionskosten das entscheidende Hindernis auf seinem blutigen Weg sind: "Ich glaube, er ist noch nicht in der Position, in der er Verluste kalkuliert".

Obwohl Putin keine Rücksicht auf Verluste nimmt, gibt es Grund zur Hoffnung: Die wirtschaftliche Realität wird ihn irgendwann einholen. Auch die Reserven aus dem russischen Rentenfonds seien schließlich irgendwann aufgebraucht, sagt Prokopenko. Langfristig müsste der Kremlchef alles an Arbeitskräften, Geld und anderen Ressourcen aus der zivilen Wirtschaft absaugen und in seine Kriegsmaschinerie pumpen. So könnte ihm auf lange Sicht die Puste ausgehen.

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