Amerika ist zurück im Indopazifik – und wir bleiben hier.“ Mit dieser Ansage eröffnete US-Verteidigungsminister Pete Hegseth seine Grundsatzrede beim Shangri-La-Dialog in Singapur. Es war ein unmissverständliches Bekenntnis zur Region – und eine klare Botschaft an China. Mit einem Seitenhieb auf den Rivalen fügte er hinzu: „Wir sind heute hier. Und jemand anderes ist es nicht.“ Gemeint war sein chinesischer Amtskollege, der dem wichtigen Sicherheitsgipfel ebenso fernblieb wie jede andere politische Führungsperson aus Peking.
Hegseth trat in Singapur nicht nur als Verteidigungsminister auf, sondern als Architekt einer neuen amerikanischen Sicherheitsordnung für Asien. Mit einer Mischung aus Pathos, Zahlen und geopolitischer Entschlossenheit präsentierte er die Strategie, mit der die USA China entgegentreten will. Hinter dem Auftritt liegt die Erkenntnis, dass die USA längst nicht mehr der natürliche Sicherheitsgarant der Region sind und sich aktiv dafür einsetzen müssen, nicht vollständig von einem militärisch immer stärkeren China vertrieben zu werden.
Der Indopazifik sei nicht nur eine strategisch wichtige Region, sondern „unser vorrangiges Einsatzgebiet“, so Hegseth. Um dies zu untermauern, skizzierte er einen neuen Plan für die Region, der auf drei Säulen beruht: der Verlagerung kampffähiger US-Truppen näher an China heran, der massiven Stärkung der Verteidigungsindustrien gemeinsam mit Partnern sowie einer systematischen Erhöhung der Interoperabilität mit Alliierten wie Japan, Australien, Indien und den Philippinen.
Zentral für diesen neuen Ansatz ist das multilaterale PIPER-Programm – die „Partnerschaft für industrielle Resilienz im Indopazifik“. In einem Netzwerk aus zunächst 14 Partnerstaaten – darunter Australien, Japan, Indien, Südkorea und Neuseeland – wollen die USA kritische Verteidigungsindustrien vernetzen, gemeinsame Standards setzen und regionale Lieferketten für militärische Schlüsseltechnologien aufbauen.
Der erste konkrete Schritt: ein Wartungszentrum für P-8-Radarsysteme in Australien, das künftig auch Südkorea und Neuseeland nutzen sollen. Zudem sollen Drohnentechnologien vereinheitlicht, militärische Wasserfahrzeuge regional repariert und Munitionsproduktion lokalisiert werden. „Ein integrierter industrieller Rückhalt ist genauso wichtig wie gemeinsame Militärübungen“, sagte Hegseth – und betonte, dass es entscheidend sei, dass Gegner „sehen, dass wir auch im Ernstfall Nachschub liefern können“.
Hegseth kündigte außerdem neue Waffensysteme auf den Philippinen an – darunter die erstmalige Stationierung des mobilen Raketenwerfers „Nemesis“ westlich der internationalen Datumsgrenze. In Japan werde das US-Hauptquartier aufgewertet, in Australien erstmals ein amerikanisches Mittelstreckenraketensystem getestet. Gemeinsame Großmanöver wie „Balikatan“, „Saber“ oder „Tiger Triumph“ sollen das Zusammenspiel der Truppen verbessern. Auch die Quad-Staaten (USA, Indien, Japan und Australien) sollen enger zusammenarbeiten, etwa über ein gemeinsames Logistiknetzwerk.
Hegseths Ton war kämpferisch, fast missionarisch. China beschuldigte er offen, Taiwan einnehmen zu wollen und Nachbarländer zu schikanieren – mit Wasserwerfern, Cyberangriffen und militärischen Drohungen. „China will eine hegemoniale Macht in Asien werden“, so Hegseth. „Es versucht, Kontrolle über Teile dieser Region zu erlangen, die lebendig und frei ist.“ China verwende „massive militärische Aufrüstung und hybride Kriegsführung“, um Fakten zu schaffen. „Wir dürfen nicht wegsehen und wir dürfen es nicht ignorieren.“
Präsident Xi Jinping habe seine Truppen beauftragt, bis 2027 einsatzbereit für eine Invasion (der demokratischen Insel Taiwan, Anm. d. Red.) zu sein. „Die Volksbefreiungsarmee trainiert täglich dafür, das ist die Realität.“ Und: „Jeder Versuch Chinas, Taiwan gewaltsam zu erobern, hätte verheerende Folgen – für die Region und die Welt.“ Tatsächlich herrscht in der Region jedoch Unsicherheit darüber, ob die Regierung von US-Präsident Donald Trump im Ernstfall wirklich zu Taiwan hält, das China als Teil seines Staatsgebiets betrachtet. Auch der Insel drohen derzeit nämlich Strafzölle aus Washington – ein Widerspruch, der selbst unter engen Partnern Irritationen auslöst.
Gleichzeitig beschwichtigte Hegseth in Richtung Peking. Die Vereinigten Staaten, sagte er, „suchen keinen Konflikt mit der Kommunistischen Partei Chinas. Wir wollen niemanden unterwerfen oder demütigen“. Die USA hätten „tiefen Respekt vor der chinesischen Zivilisation“, aber: „Wir lassen uns nicht aus dieser Region vertreiben. Und wir lassen nicht zu, dass unsere Partner eingeschüchtert werden.“ Man sei nicht hier, „um euch über Klimawandel oder kulturelle Fragen zu belehren“. Jedes Land sei souverän und habe das Recht, seinen eigenen Weg zu wählen.
Lobende Worte für Deutschland
Auch mit Blick auf Europa formulierte Hegseth eine klare Erwartung. Die USA seien entschlossen, ihre Partner in der Ukraine zu unterstützen, „aber es ist an der Zeit, dass Europa mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit übernimmt“. Die transatlantische Allianz sei nur glaubwürdig, „wenn sie nicht als einseitig wahrgenommen wird“. Der US-Verteidigungsminister sieht die Nato inzwischen aber auf einem guten Weg.
Nachdem europäische Nato-Staaten bis zu fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Verteidigung investierten, müssten asiatische Partner nun nachziehen. „Schauen Sie nach Europa“, sagte Hegseth. „Sogar Deutschland will jetzt fünf Prozent seines BIP für Verteidigung ausgeben.“ Noch vor wenigen Wochen hatte er deutlich kritischere Worte für die Verteidigungsbereitschaft des Kontinents gefunden. In einem internen Chat schrieb er an US-Vizepräsident J.D. Vance: „Ich teile deine Abscheu für Europas Schmarotzen. Es ist ERBÄRMLICH“.
In Singapur kündigte Hegseth zudem Amerikas Rückbesinnung auf den „Kriegerethos“ an: eine Armee mit hohen Standards, die leistungsbasiert, geschlechterneutral und kompromisslos auf Kampfbereitschaft ausgerichtet sei. „Wer den Job machen kann, ist in unserer Formation. Wer es nicht kann, ist es nicht“, sagte er. Die Moral und Einsatzbereitschaft der Truppe stiegen spürbar – „dank Präsident Trumps rückbesinnender Politik“.
Ob Hegseths Vision in der Region verfängt, ist unklar. Dass Chinas Verteidigungsminister dem Gipfel fernblieb, gab den USA eine Bühne. Doch viele Staaten im Indopazifik lavieren zwischen den Supermächten hin und her – und beobachten aufmerksam, ob Washingtons neue Entschlossenheit diesmal von Dauer ist. Klar ist lediglich: Die USA wollen China den Raum nicht kampflos überlassen.
Zum Schluss seiner Rede wurde Hegseth persönlich. Er sprach vom Öl, das noch immer aus dem Wrack der USS Arizona in Pearl Harbor sickert, von den 17.000 Gräbern amerikanischer Soldaten in Manila, von den schwarzen Stränden von Iwojima (blutige Schlacht zwischen den USA und Japan zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Pazifik, d. Red). „Diejenigen, die den Frieden wollen, müssen sich auf den Krieg vorbereiten“, zitierte er seinen ersten Zugführer. „Und genau das tun wir. Wir bereiten uns auf den Krieg vor, um ihn zu verhindern.“
Christina zur Nedden ist China- und Asienkorrespondentin. Seit 2020 berichtet sie im Auftrag von WELT aus Ost- und Südostasien.
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