Weil ihnen die Ansichten von Studierenden und Professoren nicht passen, geht Trumps Regierung gegen Harvard vor. Die private Eliteuniversität soll sich bis zum Ende von Trumps Amtszeit unter dessen Aufsicht stellen. Was steckt dahinter?
Der Krieg gegen die Bildung erlebt seine bislang aufsehenerregendste Schlacht. Die Regierungskräfte von Präsident Donald Trump haben Harvard im Visier, die älteste und renommierteste Universität der USA. Über mehrere Flanken versucht das Weiße Haus, die Hochschule unter ihre Kontrolle zu bekommen. Dabei geht sie gegen verschiedene Einnahmequellen der privaten Eliteuniversität vor. Die Hochschule wehrt sich, wie sie kann.
Harvard hat ein Jahresbudget von 6,5 Milliarden Dollar. Etwa 11 Prozent kommen aus Bundesmitteln für Forschung, welche die Regierung komplett kappen will, dazu könnten die Studiengebühren internationaler Studenten wegfallen. Die Gesamteinnahmen der Hochschule würden wegen der Maßnahmen des Weißen Hauses um etwa 20 Prozent schrumpfen. Die wirft dem Weißen Haus eine "Rachekampagne" vor und pocht auf ihr Recht, den Lehrplan, Betrieb und Campus frei gestalten zu dürfen. Weshalb Rachekampagne? Was versucht Trump, mit seinen Attacken zu erreichen?
Heimatschutzministerin Kristi Noem drohte in der vergangenen Woche mit dem Verbot internationaler Studierender an der Hochschule und setzte ein kurzes Ultimatum dafür, deren Daten herauszurücken. Harvard klagte einen Tag später dagegen, ein Gericht stoppte die Maßnahme der Regierung, weil sie der Universität "plötzlichen und irreparablen Schaden" zufügen würde. Doch Trumps Regierung ließ sich nicht beirren und setzt nun an anderer Stelle an: Für Studierendenvisa haben die USA in ihren Botschaften weltweit die Interviewterminvergabe ausgesetzt. Sie wollen zukünftig die Social-Media-Profile der Antragsteller stärker überprüfen und insbesondere chinesischen Studierenden die Visa entziehen oder verweigern.
Das Weiße Haus hatte Harvard schriftlich im April vorgeworfen, sie lasse antisemitische Aktivitäten zu und stellte deshalb weitreichende Forderungen. Darunter etwa die Übergabe sämtlicher Daten über ausländische Studierende und deren Protestaktivitäten der vergangenen fünf Jahre. Harvard lieferte - aber die Regierung erklärte die Daten für unzureichend und eskalierte mit dem Verbot internationaler Studierenden, 27 Prozent der gesamten Studierendenschaft.
Weitreichend, übergriffig, geschichtsverdrehend
Doch die Forderungen aus Washington gehen viel weiter. Laut einer eigens gegründeten Kommission des Weißen Hauses möchte sie Harvard "mindestens bis Ende 2028" unter Aufsicht stellen, wie es in ihrem Brief aus dem April heißt. Die Universität müsse alle ihre Änderungsmaßnahmen mit der Regierung teilen, die wiederum die Einhaltung der neuen Regeln in diesem Zeitraum "umfassend überprüfen" werde.
Die Universität soll demnach belegen, dass sie sämtliche Gleichstellungsprogramme abschafft und die Immatrikulation von Studierenden und Neuanstellungen der Lehrkräfte entsprechend gestaltet. Sie dürfe keine ausländischen Studierenden haben, die "Feinde amerikanischer Werte und Institutionen" sind sie bei Fehlverhalten sofort denunzieren. Bis Ende des Jahres soll die Universität die "Meinungsvielfalt" im gesamten Betrieb prüfen und, falls nicht vorhanden, in allen Studiengängen in "kritischer Masse" Lehrkräfte einstellen und Studenten immatrikulieren. Harvard müsse seinen Studierenden ermöglichen, Verstöße der Hochschule anonym der Regierung zu melden.
Parallel droht die US-Regierung damit, Harvard seine für Bildungseinrichtungen geltende Steuerbefreiung zu entziehen. Bildungsministerin Linda McMahon fror zudem Bundesmittel ein, weil sie Harvard vorwirft, Zuwendungen ausländischer Geldgeber und Regierungen zu verheimlichen. Harvard gibt an, alles offengelegt zu haben. Die Vorwürfe gegen Harvard reichen von Antisemitismus und Terrorismus über fehlende Meinungsfreiheit und Bürgerrechtsverletzungen hin zu "systematischen Gesetzesverstößen". Die werden in den Schreiben nicht näher erläutert, lassen sich aber aus anderen Äußerungen ableiten.
Demnach ist einer der Vorwürfe von Trumps Regierung, Weiße würden diskriminiert. Unter dem Deckmantel des Antisemitismus-Vorwurfs stellt sie die Geschichte des Rassismus in den USA auf den Kopf und präsentiert ihre vorwiegend weiße Wählerschaft als Opfer. Die Universitäten diskriminieren Weiße demnach unter dem Deckmantel des Gleichstellungsgesetzes, des Civil Rights Act von 1964, obwohl dies vorrangig eingeführt worden war, um Rassismus von Weißen gegen Schwarze zu bekämpfen. Auf Basis des Gesetzes waren jahrzehntelang Studierende und Lehrkräfte auch nach Quoten der Kategorie "Rasse" ausgewählt und angestellt worden.
Vor zwei Jahren jedoch verbot der konservativ dominierte Supreme Court die Praxis für Immatrikulationen. Der größte Anteil neu eingeschriebener Studierender in Harvard war auch nach dem Urteil Weiß. Bei Professuren und anderen Lehrpositionen werden Weiße im Bewerberstapel einer Recherche zufolge systematisch nach ganz unten geschoben. Es ist umstritten, ob dies vom Gesetz gedeckt ist. Unter den Lehrkräften an der Universität bilden Weiße eine überwältigende Mehrheit von rund 75 Prozent.
Es geht Trumps Regierung also auch um ideologische Differenzen - der akademische Betrieb ist der Regierung schlicht zu links, zu wenig konservativ, zu Anti-MAGA. Tatsächlich repräsentiert Harvard die politische Bandbreite in den USA nur eingeschränkt, der Anteil von Studierenden, die sich dort als konservativ bezeichnen, ist gering. Laut einer Umfrage der Campus-Zeitung "Harvard Crimson" waren es im vergangenen Jahr 13 Prozent. Noch weniger identifizierten sich als Trump-Unterstützer. Auch an anderen Ivy-League-Universitäten sind Konservative - sofern Zahlen vorliegen - deutlich in der Minderheit. Das gilt auch für die Lehrkräfte.
Harvard ist nicht das einzige Ziel von Trumps Regierung. Sie wirft in ähnlichem Ton über 60 Hochschulen im ganzen Land Antisemitismus vor, droht mit Ermittlungen und Entzug von finanzieller Unterstützung der Forschung. Im Jahr 2023 erhielten sie gemeinsam etwa 23 Milliarden US-Dollar öffentliche Gelder. Das ist mehr als ein Drittel der Gesamtmittel, die an Universitäten landesweit verteilt wurden. Das Weiße Haus möchte ein Exempel gegen den unliebsamen Linksdrall an den Universitäten statuieren.
"Es geht um Macht"
US-Vizepräsident JD Vance, der an der Eliteuniversität Yale seinen Abschluss machte, bezeichnete seine Fakultät im Jahr 2021 gar als "totalitär", weil Konservative dort angeblich keinen Platz hätten. Er behauptete im gleichen Atemzug, die dort dominierenden Linken seien eine Oligarchie: Sie bestählen die US-Amerikaner und brächten sie zum Schweigen, falls diese sich darüber beschwerten. Es sei absurd, die eigenen Kinder an Hochschulen zu schicken, wo sie gehirngewaschen würden und dafür Schulden aufzuhäufen, damit sie danach ein Mittelschichtleben führen könnten, polterte er. "Es geht um Macht", erklärte Vance. Diese Macht stellt das Weiße Haus in seiner eigenen Logik nun mit allem verfügbaren Nachdruck infrage.
Konservative sind in der akademischen Welt also unterrepräsentiert, aber die von der Regierung gestellten Forderungen werfen Fragen darüber auf, wie Trumps Sonderkommission sich ihre Veränderungen in der Praxis vorstellt. Gäbe es eine ideologische Prüfung von möglichen Studierenden, Lehrkräfte und Professoren, vielleicht eine MAGA-Mindestquote? Was sind die Kriterien, um sicherzugehen? Wie werden die Curricula inhaltlich kontrolliert, und was passiert, und bekommen sie womöglich gewünschte Änderungen von oben verordnet? Was reicht dem Weißen Haus für eine Anzeige per Denunziations-Hotline? Rückt danach das Heimatschutzministerium aus, um ihre Vorstellungen durchzusetzen? Die Migrationsbehörde ICE, die Studierende abführt?
Wie man es auch durchdenkt, die vorstellbaren Schritte klingen mehr nach autoritärem Staat als nach der vom Weißen Haus geforderten Meinungsvielfalt. Die Forderung an sich ist offensichtlich berechtigt, ist Harvard doch laut einer unabhängigen, landesweiten Befragung zu Meinungsfreiheit an 257 Hochschulen wahrlich kein Umfeld für offene Diskussionen. Die vergangenen zwei Jahre landete die Universität auf einem abgeschlagenen letzten Platz und erhielt neben vier anderen die Einstufung "miserabel". Doch Trump verhält sich so, als würde er am liebsten mit dem Flammenwerfer in die Bibliotheken marschieren, um ideologische Tendenzen der Studierenden und Lehrkräfte auszumerzen.
Denn welche Ausmaße die Anstrengungen für mehr Einfluss konservativer Stimmen annehmen können, zeigt das Beispiel der Offiziersakademie der US-Marine. Die Navy entfernte vor einigen Wochen rund 400 Bücher aus der dortigen Bibliothek, weil sie nicht zu Trumps Dekreten über das regierungsweite Ende der Gleichstellungsmaßnahmen alias DEI passen. Darunter waren viele antirassistische Werke, oder einfach solche, bei denen es um "nicht-weiße, cisgender heterosexuelle Männer geht", wie die "New York Times" eine Buchhandelsvertreterin zitiert. "Mein Kampf" ist weiterhin verfügbar.
Wie ein Militär gestaltet und die Offiziere ausgebildet werden, ist das eine, die zivile Bildung an den Hochschulen etwas anderes. Und vielleicht ist es dort schwierig für Forscher und Studierende, sich mit Positionen der Republikaner und insbesondere des MAGA-Flügels zu identifizieren. Die Wissenschaft in öffentlichen Diskussionen nicht als Entscheidungsgrundlage zu akzeptieren oder gar zu verspotten, wird das nicht ändern. Ein Beispiel wäre die Ignoranz gegenüber der Klimaerwärmung und deren Folgen, die sich auch in der aktuellen Politik des Weißen Hauses ausdrückt.
Kulturkampf an der Spitze
Washington hat bereits die Zuwendungen für mehrere Elitehochschulen auf Eis gelegt, aber die Machtprobe um Harvard hat den größten symbolischen Wert. Trumps Regierung möchte an der Hochschule im Bundesstaat Massachusetts dem Land seine Idealvorstellung demonstrieren: Demnach sollte sich die Bildung und Forschung der Politik des Präsidenten unterordnen - so autoritär dieser sein Amt auch ausüben mag. Die Universitäten sind in den Augen vieler Konservativer ohnehin eine Brutstätte der Progressiven, die den eigenen Zielen im Weg stehen, und sollten deshalb in ihre Schranken gewiesen werden. Schließlich werden an den Elitehochschulen die Köpfe von morgen gebildet.
Den gesellschaftlichen Kulturkampf führt Trump so an die Spitze. Was als Konflikt um Gender, "woke" Bücher und Lehrinhalte in Schulen begann, ist derzeit die Schlacht um die Eliteuniversitäten. Die Hochschulen und Professoren des Landes seien "der Feind", hatte Vance bei der rechten Konferenz vor vier Jahren erklärt: "Man muss die Universitäten aggressiv angreifen." Die Hochschulen förderten kein kritisches Denken, meinte er, sondern kontrollierten das Wissen einer Gesellschaft, was wiederum bestimme, was als Wahrheit oder Falschheit angesehen werde. Und was gibt es Bedrohlicheres für eine Regierung, die sich ihre eigene Wahrheit spinnt?
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