Angesichts der massiven russischen Angriffe auf die Ukraine und der erfolglosen Bemühungen um einen Waffenstillstand kündigt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eine härtere Gangart an. „Wir werden alles tun, was in unseren Kräften steht, um die Ukraine auch militärisch weiter zu unterstützen“, sagte Merz am Montag im WDR. Es werde auch „keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen“ geben, die an die Ukraine geliefert werden. „Das heißt also, die Ukraine kann sich jetzt auch verteidigen, indem sie zum Beispiel militärische Stellungen in Russland angreift.“ Dies habe die Ukraine bis vor einiger Zeit nur in wenigen Ausnahmefällen gekonnt.

Kritik kam prompt von Aggressor Russland. Außenminister Sergej Lawrow kritisierte den Bundeskanzler. Dessen Bemerkungen ließen auf das Kaliber der Leute schließen, die in führenden europäischen Ländern an die Macht gekommen seien, so Lawrow. Sie deuteten darauf hin, dass die Entscheidung über die Erlaubnis von Langstreckenangriffen auf Russland schon vor einiger Zeit getroffen, aber geheim gehalten worden sei, sagte der.

Kreml-Sprecher Dmitri-Peskow sprach am Montag von einer „ziemlich gefährlichen Entscheidung“. „Falls diese Entscheidungen tatsächlich getroffen wurden, stehen sie in krassem Widerspruch zu unseren Bestrebungen, eine politische Lösung zu finden“, sagte Peskow dem russischen Journalisten Alexander Junaschew.

Außenminister weist russische Kritik zurück

Außenminister Johann Wadephul wies die Kritik aus Moskau umgehend zurück. „Es hat jetzt mehrere Aufforderungen und Gelegenheiten gegeben, an den Verhandlungstisch zu kommen für den russischen Präsidenten und er hat sie ausgeschlagen“, sagte der CDU-Politiker bei einem Besuch in Lissabon. „Wir haben immer klar angekündigt, dass dieses Verhalten nicht ohne Konsequenzen bleiben wird.“

Merz erwartet keine baldige Deeskalation. Wenn man in die Geschichte schaue, endeten Kriege in der Regel durch wirtschaftliche oder militärische Erschöpfung einer Seite oder beider Seiten, sagte er nach einem Gespräch mit dem finnischen Regierungschef Petteri Orpo in der Stadt Turku. „Davon sind wir in diesem Krieg offensichtlich noch weit entfernt.“

Er rechne deswegen damit, „dass wir uns möglicherweise auf eine längere Dauer noch einzustellen haben“, sagte der Kanzler. Dies ändere aber nichts an der Entschlossenheit, die Ukraine zu unterstützen. Es gehe nicht allein um deren territoriale Integrität. „Es wird die politische Ordnung von Grund auf infrage gestellt, die wir uns mit Russland nach 1990 gemeinsam gegeben haben“, sagte Merz weiter.

Er sei zu der Einschätzung gelangt, dass Gesprächsangebote an Russlands Präsidenten Wladimir Putin derzeit nicht der geeignete Weg zur Beilegung des Konflikts sind, sagte Merz zudem in dem WDR-Interview: „Offensichtlich versteht Putin Gesprächsangebote als Schwäche“, warnte er.

Den Vorwurf, die Bundesregierung habe nicht alle diplomatischen Mittel ausgeschöpft, „kann uns niemand ernsthaft mehr machen“, betonte Merz. Auch US-Präsident Donald Trump sei nach den massiven russischen Angriffen auf die Ukraine offensichtlich „zunehmend desillusioniert über Putin“.

Mit seiner Entscheidung hebt sich Merz vom Kurs seines Vorgängers Olaf Scholz (SPD) ab. Der hatte zwar 2024 den Einsatz deutscher Waffen wie den Mehrfachraketenwerfer Mars II gegen Stellungen auf russischem Territorium für die Region um die umkämpfte Großstadt Charkiw erlaubt. In der Folge sprach er sich aber gegen eine darüber hinausgehenden Aufhebung der Einsatzbeschränkungen aus.

Lob und Kritik an Aufhebung von Reichweitenbeschränkung

Dass die Reichweitenbeschränkungen nun aufgehoben wurden, stößt in Deutschland unterdessen auf ein geteiltes Echo. Grünen-Fraktionsvize Agnieska Brugger begrüßt die Äußerung von Merz im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) als „folgerichtig und überfällig“. Sie pochte gleichzeitig darauf, der Ukraine nun auch die von Kiew gewünschten Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen.

Kritik kommt hingegen aus SPD und Linkspartei. Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) widersprach dem Eindruck, dass es einen Kurswechsel gebe. „Was die Reichweite angeht, will ich noch sagen, da gibt es keine neue Verabredung, die über das hinausgeht, was die bisherige Regierung gemacht hat“, sagte er auf Nachfrage bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Linken-Fraktionschef Sören Pellmann betonte, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei „ein furchtbares Verbrechen“. Dass es jetzt keinerlei Reichweitenbeschränkungen für Waffenlieferungen mehr gebe, könne „zu einer weiteren Eskalation führen“.

Operativ wird die Ankündigung von Merz zunächst kaum Auswirkungen haben, da Deutschland kaum Waffen geliefert hat, mit denen die ukrainischen Streitkräfte russische Stellungen und Nachschublinien weit hinter der Frontlinie treffen können. Der Raketenwerfer Mars II mit einer Reichweite von etwa 85 Kilometern und die Panzerhaubitze 2000 mit einer Reichweite von etwa 35 Kilometern sind die einzigen beiden Waffensysteme.

Den Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern, mit dem selbst Moskau erreicht werden könnte, hat Berlin bisher nicht geliefert. Die USA, Frankreich und Großbritannien haben dagegen Raketen mit einer Reichweite von teilweise mehr als 250 Kilometern zur Verfügung gestellt, die Medienberichten zufolge schon gegen russisches Territorium eingesetzt worden sein sollen.

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