Ute Lewitzka forscht als Professorin zu Suizidprävention. Praktische Maßnahmen, Aufmerksamkeit und Früherkennung könnten viele Selbsttötungen verhindern, sagt sie.
Prof. Dr. Ute Lewitzka: Deutschlands führende Suizidforscherin © Maria Schlotte

Etwa zehntausend Menschen nehmen sich jährlich in Deutschland das Leben, dazu kommen mutmaßlich weitere Fälle, die nicht als Suizid eingeordnet werden. Die Zahl ließe sich drastisch reduzieren, glaubt Ute Lewitzka, Deutschlands erste Professorin für Suizidologie: ''75 bis 95 Prozent aller Menschen, die erfolgreich an einer Selbsttötung gehindert werden, versuchen es im Lauf der folgenden Jahre auch kein weiteres Mal. Das heißt: Wenn wir den Zugang zu Methoden erschweren, könnten wir Zeit gewinnen und vielen helfen, ihre akute Krise zu überwinden.'' Konkret hieße das: Hohe Gebäude und Schienen weniger zugänglich machen, den Zugang zu Medikamenten und Waffen stärker regulieren.

Mehr Präventionsarbeit

Denn jeder Versuch der Suizidprävention lohnt sich. ''Ich habe so oft erlebt, dass Menschen ihr Leben aufgeben wollten und später doch gelernt haben, ihre Situation anders zu bewerten. Das treibt mich an, gibt mir viel zurück und macht mich gleichzeitig demütig vor dem Leben'', sagt die Psychiaterin und Forscherin im stern-Podcast ''Die Boss – Macht ist weiblich'' mit Multi-Aufsichtsrätin Simone Menne. Doch es werde nicht genügend getan, um die Taten zu verhindern: ''Zur Unfallprävention umspannen wir das Autobahnnetz mit Wildtierzäunen, zur Entstigmatisierung von Geschlechtskrankheiten haben wir große Informationskampagnen – beim Thema Suizid gibt es nichts Vergleichbares.'' 

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Es geht ihr nicht darum, Selbsttötungen auf null zu bringen. ''Suizid gehört zum Menschsein dazu, und ich akzeptiere die freie Entscheidung als letzte Möglichkeit'', stellt sie klar.  ''Ich nehme die Option auch nicht weg. Aber ich werbe dafür, sich Zeit zu nehmen und zu schauen, ob das Leben nicht doch noch etwas zu bieten hat.'' 

Das Puzzle der Gefährdungen

Doch dafür braucht es Aufmerksamkeit und Wissen. Zum einen über Risikofaktoren, die Menschen in Lebenskrisen eher zu einem unumkehrbaren Schritt verleiten: ''Wir wissen heute recht gut, wie sich das Puzzle der Gefährdungen zusammensetzt, aber auch, welche Faktoren schützend wirken'', sagt Lewitzka. Zum anderen sollte jeder Bescheid wissen, worauf es ankommt, wenn ein nahestehender Mensch Suizidgedanken äußert, woran man erkennen kann, ob es jemandem ernst ist und welche Fragen man unbedingt stellen sollte.

Denn die Gefahr ist nicht zu unterschätzen: Es gibt in Deutschland mehr Todesfälle durch Selbsttötungen als durch Verkehrsunfälle, Drogen und HIV zusammen. Im Gespräch räumt Lewitzka auf mit einer ganzen Reihe von populären Annahmen – ob es darum geht, welches Geschlecht besonders gefährdet ist, um die Frage, ab wann ein Leben als nicht mehr lebenswert empfunden wird oder was dahinter steckt, wenn religiöse Menschen seltener Suizid begehen. Und weshalb wir gerade jetzt im Frühsommer besonders wachsam sein sollten, wenn ein Mensch in unserem Umfeld eine Krise durchlebt. 

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Bei "Die Boss – Macht ist weiblich" sprechen Spitzenfrauen unter sich: Gastgeberin und Multi-Aufsichtsrätin Simone Menne (unter anderem Siemens Energy und Henkel) trifft  Chefinnen aus allen Gesellschaftsbereichen, um mit ihnen über ihr Leben und ihre Karriere zu reden. "Die Boss" erscheint vierzehntäglich immer mittwochs auf stern.de  sowie auf RTL+ und allen gängigen Podcast-Plattformen. 

Hinweis der Redaktion: Der stern gehört zu RTL Deutschland.

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