Signa-Gründer und Ex-Milliardär René Benko muss sich erstmals seit dem Signa-Crash vor Gericht verantworten. Bereits nach zwei Verhandlungstagen will die Richterin in Innsbruck darüber urteilen, ob Benko im Umfeld der Insolvenz seines Imperiums Vermögen beiseitegeschafft hat, um weiter im Luxus zu schwelgen. Der Prozess ist ein erster Mosaikstein in einem riesigen juristischen Puzzle. ntv.de beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den tiefen Fall des einst gefeierten Unternehmers:

Warum steht René Benko vor Gericht? Was wird ihm vorgeworfen?

Die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hegt den dringenden Tatverdacht, dass der heute 48-jährige Gründer des auf Immobilien und Handel spezialisierten Signa-Imperiums seine Gläubiger geprellt hat. Er soll bei seiner Insolvenz Ende 2023 Vermögen auf strafbare Art und Weise auf die Seite gebracht und so getan haben, als sei er mittellos. Anfang August erhoben die Ermittler deshalb Anklage wegen "betrügerischer Krida". Der juristische Fachbegriff aus Österreich entspricht dem deutschen Tatbestand des Bankrotts mit Betrugsabsicht.

Konkret soll Benko im Oktober 2023, wenige Wochen bevor sein milliardenschweres Firmenimperium zusammenbrach, 360.000 Euro für vier Jahre im Voraus für eine Villa gezahlt haben. Das Haus gehört der nach Benkos Tochter benannten Laura Privatstiftung, deren Begünstigte Benkos Mutter ist. Laut Staatsanwaltschaft war "die Anmietung eines Hauses wirtschaftlich und sachlich unvertretbar". Außerdem soll er seiner Mutter am 29. November desselben Jahres - trotz der absehbaren Konkurseröffnung - 300.000 Euro geschenkt haben. Am darauffolgenden Tag meldete die Signa Holding Insolvenz an.

Im Rahmen seiner Insolvenz als Einzelunternehmer habe er die beiden Zahlungen "bereits unter dem Eindruck zunehmender Zahlungsschwierigkeiten und einer absehbaren Konkurseröffnung" getätigt und so den Entschädigungstopf für die Gläubiger zu seinen Gunsten geschmälert, so der Vorwurf. Es ist der erste Strafprozess gegen Benko im Kontext der Signa-Pleite. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Warum ist ausgerechnet das der erste Fall, der zur Anklage führt?

Die WKStA hat diese beiden Fälle als erste zur Anklage gebracht, weil die Beweislast in diesem Fall besonders erdrückend ist. Zudem stand die Staatsanwaltschaft unter Druck, da Benko bereits seit Januar in Untersuchungshaft sitzt. Die Verlängerung einer langen U-Haft muss jedes Mal neu begründet werden.

Drohen Benko demnächst weitere Prozesse?

Ja. Eine zweite Anklage ist in Österreich bereits anhängig. Sie wurde Anfang September erhoben. Auch hier geht es um "betrügerische Krida". Benko soll 120.000 Euro in bar sowie elf hochwertige Uhren und Schmuckstücke - darunter exklusive Manschettenknöpfe und Uhrenarmbänder im Gesamtwert von etwa 250.000 Euro - bei Bekannten und Angehörigen im Tresor gelagert haben. Die Staatsanwaltschaft ist auch in diesem Fall überzeugt, dass er auf diese Weise Vermögenswerte vor dem Zugriff seiner Gläubiger verstecken wollte. Seine Ehefrau Nathalie soll dabei geholfen haben.

Bei der österreichischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft laufen parallel zu diesem Verfahren des Weiteren mehr als 13 weitere Ermittlungen wegen Untreue, Betrugs, Gläubigerbegünstigung und möglicher Falschangaben gegenüber Investoren. Wann eventuell weitere Anklagen erhoben werden, "ist noch unklar", sagte der Sprecher der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Martin Ortner. Rund 15 Verdächtige stehen im Visier der Justiz. Auch Ermittler in Deutschland und Italien verfolgen viele Ermittlungsstränge - es geht um den Verdacht des schweren Betrugs, der Untreue und der Geldwäsche. Die aktuelle Anklage dürfte der Anfang einer jahrelangen juristischen Auseinandersetzung sein.

Was sagt Benko dazu?

Benko bestreitet sämtliche Vorwürfe. Die Mietvorauszahlung sei, so seine Argumentation, keineswegs ein Versuch gewesen, Vermögen zu verschieben, sondern ein legitimes Geschäft, da Vorauszahlungen über mehrere Jahre in der Immobilienbranche durchaus üblich seien. Auch die 300.000 Euro für seine Mutter bezeichnet seine Verteidigung nicht als Geschenk, sondern als Rücküberweisung eines Betrags, den sie zuvor aus eigenen Mitteln beigesteuert habe.

Hinsichtlich der angeblich versteckten Luxusgüter hat Benko eine detaillierte Gegendarstellung vorgelegt. Einige der Uhren, so seine Verteidigung, habe er zuvor seinen Söhnen geschenkt. Dies soll geschehen sein, als diese sechs und elf Jahre alt waren. Andere Uhren sollen seiner Ehefrau Nathalie gehört haben. Das gefundene Bargeld im Tresor habe er nicht verheimlichen, sondern lediglich "aus Sicherheitsgründen" außerhalb seiner Wohnung aufbewahren wollen. Sein Anwalt betont, dass die Ermittlungen auf einem Missverständnis beruhten.

Wo ist Benko?

Der einstige Immobilienmagnat und Star der österreichischen Wirtschaft, der sich seit Anfang des Jahres in Untersuchungshaft befindet, wurde vor gut einer Woche von Wien in die Justizvollzugsanstalt Innsbruck überstellt, da Innsbruck zum einen sein offizieller Wohnsitz ist und zum anderen dort auch die ihm vorgeworfenen Taten stattfanden. Die Justiz begründet die Untersuchungshaft mit der Gefahr, dass Benko weiterhin Vermögenswerte beiseiteschaffen könnte. Das Gericht attestierte ihm "hohe kriminelle Energie" und ein "fehlendes Unrechtsbewusstsein". Auch sei Fluchtgefahr gegeben.

Mehrfach beantragte Haftentlassungen wurden abgelehnt, zuletzt im Sommer dieses Jahres. Dabei dürfte eine Rolle gespielt haben, dass sich Benko kurz vor seiner Festnahme wie immer in der Öffentlichkeit zeigte: bei Jagdausflügen, auf seinem Boot am Gardasee oder bei Reitturnieren seiner Frau. In seinem Umfeld galt Benko immer als "Blitzgenießer" mit gutem Geschäftsinstinkt. Die Milliardenpleite sollte seinem Genuss wohl keinen Abbruch tun. Doch diesmal trog ihn sein Instinkt.

Welche Strafe droht Benko?

Der Strafrahmen für "betrügerische Krida" reicht von einem bis zu zehn Jahren Haft. Sollten sich in kommenden Verfahren weitere Vorwürfe erhärten, werden die jeweiligen Strafmaße addiert. Rechtsexperten zufolge wird das Strafmaß angesichts der Art der Delikte insgesamt aber nicht mehr als zehn Jahre Haft betragen. Alles darüber hinaus dürften symbolische Freiheitsstrafen sein. Die zuständige Richterin Andrea Wegscheider gilt als erfahren und steht im Ruf, harte Urteile zu sprechen. Österreichische Medien bezeichneten sie zuletzt als "Richterin Gnadenlos", nachdem sie einen Unternehmer wegen eines tödlichen Messerangriffs zu 20 Jahren Haft verurteilt hatte.

Inwieweit ist Benkos Ehefrau Nathalie involviert?

Nathalie Benko ist in der zweiten Anklage der "Beitragstäterschaft" angeklagt. Sie soll Bargeld, Luxusuhren und Ringe in einem eigens dafür gekauften Safe bei ihrer Tante untergebracht haben. Sie hat - wie ihr Mann - dagegen Einspruch erhoben. Einen Termin für eine mögliche Hauptverhandlung gibt es bisher nicht. Auch hier gilt die Unschuldsvermutung.

Was hat sich seit der Signa-Pleite im Herbst 2023 getan?

Seit dem Kollaps der Signa-Gruppe vor zwei Jahren ermitteln die Behörden in einem Ausmaß, das es in Österreich bislang nicht gegeben hat. Eine eigene Sonderkommission der WKStA durchforstet Unterlagen, Kontenbewegungen und E-Mail-Korrespondenzen aus einem Firmengeflecht, das aus über 1000 Gesellschaften bestand. Der Verdacht lautet, Benko habe über ein komplexes Netz aus Stiftungen und Holdings Gelder verschoben und Investoren mit Scheinzusagen getäuscht. "Wir brauchen das große Bild", sagte der Chef der Finanzprokuratur und oberste Anwalt der Republik, Wolfgang Peschorn, diese Woche. Die extreme Intransparenz des von Benko gegründeten Signa-Imperiums erfordere eine Rekonstruktion der Vermögensverschiebungen und der Geldflüsse. Die Finanzprokuratur ist in Österreich eine dem Finanzministerium unterstellte Dienststelle.

Derweil wird Benkos luftiges Lebenswerk weiter abgewickelt. Die Insolvenzverwalter der zahlreichen Signa-Töchter versuchen, möglichst viel zu möglichst viel Geld zu machen, um für Investoren, Gläubiger und Steuerzahler zu retten, was noch zu retten ist. Insgesamt wurden über 240 Insolvenzen eröffnet. Die Gesamtforderungen durch ehemalige Investoren belaufen sich auf mehr als 27 Milliarden Euro. Anerkannt wurden davon 9,5 Milliarden Euro. Zusätzliche Forderungen von 2,7 Milliarden Euro richten sich gegen Benko persönlich. Die Einnahmen aus Veräußerungen nehmen sich dagegen vergleichsweise gering aus. So brachte beispielsweise der Verkauf von Flugzeugen, Markenrechten und Beteiligungen lediglich rund zehn Millionen Euro ein. Die Anteile am Chrysler Building wurden für fünf Millionen Euro verkauft, was einen erheblichen Schuldennachlass bedeutete, weil Konkursforderungen von rund 50 Millionen Euro zurückgezogen wurden. Über den Kaufpreis der "Kronen Zeitung" gibt es keine Angaben. Laut Insolvenzverwalter Christof Stapf soll die Abwicklung der Signa-Holding bis 2026 abgeschlossen sein, sofern keine weiteren juristischen Verzögerungen eintreten.

Wo ist das Geld geblieben?

Wohin Benkos Geld geflossen ist, bleibt eines der großen Rätsel. Sicher ist nur, dass große Summen in Stiftungen geflossen sind - Konstruktionen, die in Liechtenstein, Österreich und auf den Cayman Islands registriert sind. Offiziell ist Benkos Mutter zwar Stifterin, doch nach Ansicht der Ermittler hat Benko selbst weiter maßgeblichen Zugriff gehabt. In den Stiftungen sollen sich nach bisherigen Erkenntnissen dreistellige Millionenbeträge befinden. Versuche der Behörden, auf das Vermögen zuzugreifen, blieben bisher erfolglos.

Hinzu kommt ein weiterer Verdacht: Einige Vermögenswerte, darunter Boote, Kunstwerke und Sammlerstücke, sollen nach ihrer Versteigerung über Strohleute wieder in Benkos Einflussbereich gelangt sein. Beweise dafür gibt es bislang nicht - doch die Ermittler sprechen von einem "hochprofessionellen Verschleierungssystem". Große Hoffnungen, ihr Geld jemals wiederzusehen, dürften sich die geprellten Investoren nicht machen.

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