Der Kanzler lädt die Industrie zum Auto-Gipfel. Zentraler Punkt sind mögliche Lockerungen beim für 2035 geplanten Verbrenner-Aus. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hält die Diskussion für eine gefährliche Scheindebatte und daher für "unsinnig". Während Politiker über Technologieoffenheit redeten, würden deutsche Hersteller im globalen Rennen den Anschluss verlieren. Im Interview erklärt Dudenhöffer, warum das Festhalten am Verbrenner keine Lösung ist - und was Deutschland von China lernen müsste.

ntv.de: In Deutschland wird eine hitzige Debatte über das Verbot neuer Verbrenner 2035 geführt. Wie bewerten Sie diesen Streit?

Ferdinand Dudenhöffer: Ich halte die Debatte für unsinnig. Niemand weiß, wie die Welt 2035 aussieht - welche Autos gekauft werden, was sie kosten, welche Technologien sich durchsetzen. Statt jetzt Regeln für ein fernes Jahr zu machen, sollte man das Thema bis 2033 ruhen lassen. Wenn dann wider Erwarten noch viele Verbrenner verkauft werden, kann man neu entscheiden. Im Moment aber läuft alles Richtung Elektromobilität. Diese Scheindebatte lenkt nur von den eigentlichen katastrophalen Problemen des Standorts Deutschland ab.

Ist es also sinnvoll, beim Verbrenner-Aus auf Zeit zu spielen?

Natürlich kann man das. Die EU hat im Mai die CO2-Regeln gelockert: Autohersteller dürfen ihre Flottenziele über die kommenden drei Jahre mitteln, statt sie jährlich zu erfüllen. Das gibt Planungssicherheit. Ähnlich könnte man 2033 vorgehen und dann faktenbasiert entscheiden, wie es weitergeht. Wenn dann wider Erwarten immer noch viele Verbrenner verkauft werden, lässt man das Verbrenner-Aus eben dann fallen. Aktuell geht jedoch alles in die andere Richtung: Elektromobilität wird zunehmend zur Massenbewegung. Die ganze Debatte ist also kontraproduktiv und erzeugt nur Verwirrung.

Die Autoindustrie steckt tief in der Krise, es hagelt gestrichene Jobs und Insolvenzen. Ist es nicht nachvollziehbar, dass sie auf eine Lockerung des Verbrenner-Verbots drängt?

Eine Abkehr vom Verbrenner-Aus rettet die Autoindustrie nicht. Denn das Problem sind nicht die Motoren, sondern der Standort: zu hohe Lohnnebenkosten, zu viel Bürokratie, zu teure Energie. Wer die Industrie hier halten will, muss diese strukturellen Probleme angehen - nicht die Technologie zurückdrehen.

Die Industrie fordert Technologieoffenheit - also Freiheit bei der Wahl des Antriebs. Wäre es nicht gut, wenn die Hersteller den Freiraum bekommen, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Ziele erreichen wollen?

Zunächst einmal bedeutet die EU-Regulierung kein Verbrenner-Verbot, sondern null CO2-Ausstoß. Technologieoffener geht es gar nicht. Problematisch an dieser Diskussion ist aber, dass sie auf der Hoffnung beruht, dass man zu alten Renditen aus der Verbrennerzeit zurückkehren kann. Denn das wird nicht passieren. Die Chinesen bauen längst nicht nur bessere E-Autos, sondern auch günstigere Benziner. Die alte Verbrennerwelt kommt nicht zurück - sie ist vorbei.

Weltweit kehren aber viele Hersteller zum Verbrenner zurück - Ford, GM, Stellantis. Der japanische Autobauer Honda nimmt bei der E-Mobilität den Fuß vom Gas. Hyundai aus Südkorea kündigte kürzlich einen Verbrenner-Truck für die USA an. Ist das nicht ein Signal?

Nein. Diese Unternehmen reagieren auf politischen Druck. Donald Trump will Fabriken in den USA sehen, um Arbeitsplätze zu schaffen - deshalb locken seine Zölle die Hersteller in die USA. Aber was dort investiert wird, kommt nicht nach Europa. Egal, ob nach China oder Amerika: Wir verlieren so oder so. Das wahre Problem Deutschlands ist die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit - nicht das Verbrenner-Aus.

Dass sich die Autoindustrie in einer schwierigen Lage befindet, ist trotzdem unbestreitbar: auf der einen Seite Trumps Zölle, auf der anderen der harte Wettbewerb durch günstige chinesische Fahrzeuge. Mehr Druck ist kaum noch möglich …

Aber wir müssen sehen, wo wir heute stehen. Die Investitionen in die Elektromobilität wurden bereits getätigt. Bosch, ZF und Continental haben auf E-Mobilität umgestellt, kündigen aber ihren Mitarbeitern, weil sie nicht genug zu tun haben. Ist es jetzt sinnvoll, die alten Produktionslinien für Verbrennungsmotoren wieder auszubuddeln? Dann müssten wir die erst einmal reparieren. Was soll das kosten? Will man jetzt doppelt investieren, in die E-Mobilität und in die Produktion von Verbrennungsmotoren? Wie sich das alles erschließen soll, verstehe ich nicht. Ob diese Autos dann gekauft werden, weiß auch kein Mensch. Der Preisunterschied zwischen Verbrennern und E-Autos ist inzwischen auf 20 Prozent geschrumpft - und zwar Subventionen rausgerechnet.

Die Chinesen sind schneller, günstiger - und haben die Rohstoffe. Hat Deutschland im Elektroauto-Wettbewerb denn überhaupt eine Chance?

Wir müssen den Standort Deutschland wieder systematisch aufbauen. Deutsche Marken sind bei den Chinesen beliebt. Sie sind nur zu teuer. Dass es auch anders geht, hat Audi kürzlich bewiesen. Was die Batterien angeht, kaufen wir sie eben. Wir haben schließlich auch keine Ölquelle und tanken trotzdem.

War das Verbot von Verbrennungsmotoren von vornherein ein Fehler? China hat kein Verbrenner-Verbot. Dort läuft es mit der E-Mobilität.

Selbst wenn es einer war: Lassen wir ihn bestehen. Wir brauchen Klarheit, keine endlosen Debatten. Bis 2033 können wir uns neu formieren und dann Bilanz ziehen. Diese ständigen Diskussionen lähmen nur. Am Ende entscheidet ohnehin die EU, nicht Berlin. In China wäre so etwas undenkbar: Wenn dort eine Entscheidung fällt, zieht das Land sie auch durch - und zwar mit voller Geschwindigkeit.

Mit Ferdinand Dudenhöffer sprach Diana Dittmer

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