Den Traumjob annehmen, selbst, wenn er schlecht bezahlt ist, nicht mehr betteln gehen müssen, den Kindern ein gutes Leben ermöglichen: All das und mehr soll das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ermöglichen. Die Idee: Jeder Bürger erhält regelmäßig eine bestimmte Summe Geld vom Staat, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen oder Bedürftigkeit nachweisen zu müssen.
Hamburgs Bürgerinnen und Bürger können dazu am Sonntag (12. Oktober) abstimmen. Es geht um einen ersten staatlichen Modellversuch zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Die Volksinitiative "Hamburg testet Grundeinkommen" stellt ihr Anliegen in einem Volksentscheid zur Abstimmung.
Was ist überhaupt ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Nach der Definition der Initiatoren ist das bedingungslose Grundeinkommen ein steuerfreier Geldbetrag, der allen Bewohnern eines Landes von Geburt an monatlich ausgezahlt wird. "Einfach so" – und unabhängig von Verpflichtungen, Bedürftigkeit, Einkommen und Vermögen.
Die Idee dahinter: So hat jeder genug zum Leben und kann am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Bestehende Sozialleistungen, die den gleichen Zweck der Teilhabe erfüllen, könnten dann entfallen – etwa das Bürgergeld, die Sozialhilfe, Bafög, das Wohngeld und das Kindergeld.
Worum geht es bei dem Volksentscheid?
Aus Sicht der Volksinitiative "Hamburg testet Grundeinkommen" wäre ein Grundeinkommen ein großer Schritt in eine gerechtere, solidarischere Gesellschaft und entsprechend ein Schutz für die Demokratie. "Mit einem Grundeinkommen können sich Menschen entfalten, unabhängig von Herkunft und Kontostand."
Bislang sei das nicht so. Allein in Hamburg seien 27,8 Prozent der unter 18-Jährigen von Armut bedroht, 43 Prozent der Alleinerziehenden seien armutsgefährdet – obwohl viele arbeiteten. Und hinzu komme: 40 Prozent der Arbeitsplätze seien Leiharbeit, befristet oder Minijobs.
Es ist bereits der zweite Anlauf der Initiative zur Einführung eines Modellversuchs für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Anfang 2020 hatten die Initiatoren schon einmal die notwendige Zahl von 10.000 gültigen Unterschriften zusammenbekommen.
Ein anschließend geplantes Volksbegehren war jedoch im Sommer 2023 vom Hamburgischen Verfassungsgericht auf Antrag des rot-grünen Senats gestoppt worden. Die Initiatoren haben ihren Gesetzentwurf daraufhin überarbeitet und die neue Initiative gestartet.

Studie Bedingungsloses Grundeinkommen macht glücklicher und nicht faul
Was soll konkret getan werden?
Die Initiatoren haben dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt. Demnach sollen in dem Modellversuch 2000 repräsentativ ausgewählte Hamburgerinnen und Hamburger über drei Jahre ein Grundeinkommen erhalten. In diesem Jahr läge dies bei monatlich 1346 Euro zuzüglich Krankenversicherung.
Der Betrag steige jährlich in Höhe der Inflationsrate. Eigene Einkommen würden jedoch angerechnet. Als Faustregel gilt: "Je geringer das eigene Einkommen, desto höher fällt das ausgezahlte Grundeinkommen aus." Insgesamt 83 Prozent der Bevölkerung könnten so in unterschiedlicher Höhe vom Grundeinkommen profitieren, betonen die Initiatoren.
Wer soll das bezahlen?
"Wenn der Modellversuch ab 2027 stattfindet, rechnen wir mit Kosten von circa 50 Millionen Euro für die Stadt Hamburg", erklären die Initiatoren. Davon seien etwa 42 Millionen Euro für die Grundeinkommenszahlungen und etwa acht Millionen Euro für die Vorbereitung und die begleitende Forschung vorgesehen.
Die Kostengrenze im Gesetzentwurf beträgt 0,227 Prozent des Gesamtaufwandes des neuesten, beschlossenen Haushaltsjahres bei Inkrafttreten des Gesetzes. Das entspreche für das Kalenderjahr 2026 bei 22,4 Milliarden Euro rund 50,8 Millionen Euro.
Wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen deutschlandweit möglich?
Ein bundesweites, existenzsicherndes Grundeinkommen wäre technisch umsetzbar, würde jedoch einen enormen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Wandel erfordern – und vor allem viel Geld kosten.
Aktuelle Studien beziffern die Kosten eines existenzsichernden Grundeinkommens auf etwa 1200 Euro monatlich pro Erwachsenen und 600 Euro pro Kind. Jährlich würde das ungefähr 1100 Milliarden Euro kosten, was etwa einem Viertel des Bruttoinlandsprodukts entspricht.
Zum Ausgleich könnten Sozialleistungen wie Bürgergeld, Sozialhilfe, Bafög, Wohngeld oder Kinderzuschlag wegfallen, was aber nur ungefähr 100 Milliarden Euro jährlich einsparen würde. Es bliebe eine Nettobelastung von rund einer Billion Euro – dies könnte nur durch massive Steuererhöhungen oder eine tiefgreifende Steuerreform kompensiert werden.
Die Finanzierung und die konkrete Ausgestaltung eines BGEs hängen stark von politischen Entscheidungen ab. Einige Modelle sehen einen Systemwechsel in Steuer- und Sozialpolitik vor, etwa nach dem "Ulmer Modell" oder dem Konzept des "Solidarischen Bürgergelds".
Rechtlich wäre die Einführung mit umfangreichen Gesetzesänderungen verbunden und müsste sich auch an europäischen Regelungen und Prinzipien, wie etwa dem Subsidiaritätsprinzip, orientieren.
Wieso Modellversuch?
Ziel ist es, in einem wissenschaftlichen Verfahren Wirkung, Akzeptanz und Umsetzbarkeit des Grundeinkommens zu testen. "Der Hamburger Modellversuch eröffnet die Chance, zu lernen, wie ein Grundeinkommen gestaltet sein muss, um die Erwartungen – auch kommender Generationen – an einen fairen, bezahlbaren und starken Sozialstaat zu erfüllen", erklärt der emeritierte Volkswirtschaftsprofessor und Gründungsdirektor des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts, Prof. Thomas Straubhaar.

Gibt es Kritik?
Ja, unter anderem die arbeitnehmernahe Hans-Böckler-Stiftung rät von einem steuerfinanzierten Grundeinkommen ab. Unter anderem sehen deren Forscher die Gefahr eines trojanischen Pferdes, indem die Kosten als Argument für das Streichen aller Transferzahlungen einschließlich der Rente dienen könnten.
Das Grundeinkommen hätte auch erhebliche Auswirkungen auf die Lohnstruktur, würde es Arbeitgeber doch vollends von der Pflicht entbinden, existenzsichernde Löhne zu zahlen. Die Folge: Am Ende stünde ein "Super-Kombilohn mit einem hohen Staatsanteil und einem niedrigen Arbeitgeberanteil". Aus Sicht der Stiftungsforscher wäre es sinnvoller, etwa die Ausbildung, Familien- oder Existenzgründung durch großzügigere Transfers zu fördern.
Einige Ökonomen und Gutachten warnen zudem vor negativen Arbeitsmarkteffekten und einer Belastung für die Staatsfinanzen. Hohe Grenzsteuersätze, um die Finanzierung zu ermöglichen, könnten einerseits Erwerbsanreize verringern und die internationale Wettbewerbsfähigkeit schwächen. Auf der anderen Seite sprechen Pilotprojekte und einige Modellstudien dafür, dass Menschen sich trotz Grundeinkommen weiterhin am Arbeitsmarkt beteiligen würden.
Was sagen die Bürgerschaftsfraktionen dazu?
Abgesehen von den Linken sind alle Fraktionen gegen das Grundeinkommen. SPD und Grüne halten das Modell für viel zu teuer, es liefere auch keinen wissenschaftlichen Mehrwert, weil es an anderer Stelle bereits Modellversuche gegeben habe. Außerdem sei das Grundeinkommen auch gar nicht bedingungslos, weil Einkommen angerechnet würden.
Für die CDU stellt der Volksentscheid "ein kostspieliges, unausgereiftes Projekt zur Abstimmung, das mehr Fragen aufwirft als beantwortet". Die AfD beendet ihre Empfehlung für ein Nein zum Grundeinkommen mit einem schlichten "Ihre Steuern – Ihre Entscheidung".
Wie läuft der Volksentscheid ab?
Sollten die Hamburgerinnen und Hamburger nicht schon von ihrem Briefwahlrecht Gebrauch gemacht haben, können sie ihr Kreuz nach Angaben des Landeswahlamts am Sonntag zwischen 8 Uhr und 18 Uhr in einer von 185 Abstimmungsstellen machen. Die Auszählung der Stimmen erfolgt noch am Abend.
Der Volksentscheid gilt aus Sicht der Initiative als gewonnen, wenn zum einen mindestens ein Fünftel der rund 1,3 Millionen Abstimmungsberechtigten abstimmt und es zum anderen mehr Ja- als Nein-Stimmen gibt. Schafft die Initiative das, müssen Senat und Bürgerschaft den Modellversuch umsetzen.
Es handelt sich um die erste Abstimmung, bei der die Hamburgerinnen und Hamburger über eine Sachfrage entscheiden können, seit dem gescheiterten Olympiareferendum 2015, welches aber vom Senat initiiert worden war. Die letzte Volksabstimmung, die auf eine erfolgreiche Volksinitiative zurückging, war die zum Rückkauf der Energienetze 2013.
Ursprünglich wollten die Initiatoren von "Hamburg testet Grundeinkommen" die Abstimmung zusammen mit der eigentlich für September geplanten Bundestagswahl abhalten. Doch durch das vorzeitige Aus der Ampelregierung in Berlin war die Wahl auf Februar vorgezogen worden, sodass der Volksentscheid nun ohne eine "richtige" Wahl abgehalten wird.
mit Material der Nachrichtenagentur DPA- Grundeinkommen
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