Einst als Fintech-Wunderkind gefeiert, wird Charlie Javice nun wegen Betrugs zu sieben Jahren Haft verurteilt. Ihr Startup Frank täuschte JPMorgan mit Millionen Fake-Kunden. Der Prozess gegen die 33-Jährige weckt Erinnerungen an die verurteilte Gründerin des Bluttestunternehmens Theranos.

Vor sechs Jahren führte das Forbes Magazin Charlie Javice, die Gründerin des Studienfinanzierungs-Startups Frank, noch in seiner Liste "30 unter 30". Die Auszeichnung ehrt junge Menschen aus Technologie, Wirtschaft, Kunst, Sport und Wissenschaft für ihre außerordentlichen Leistungen. Jetzt muss die 33-Jährige wegen Betrugs für sieben Jahre ins Gefängnis. Eine Jury befand Javice des Betrugs und der Verschwörung für schuldig.

Die Software von Frank sollte den Antragsprozess für Studienkredite in den USA schneller und einfacher machen. Javice gründete ihr Startup im Jahr 2017. Nur vier Jahre später verkaufte das vermeintliche Fintech-Wunderkind ihr Unternehmen für 175 Millionen US-Dollar an JPMorgan. Das Finanzinstitut wollte die scheinbar riesige Datenbank des Unternehmens nutzen, um Bankprodukte an junge Erwachsene zu verkaufen. Das Problem: Von den angeblich mehr als vier Millionen Kunden existierte in Wirklichkeit nur ein Bruchteil, denn die meisten waren frei erfunden. In Wahrheit hatte Frank lediglich die Kontaktdaten von rund 300.000 Menschen.

Einem CNBC-Bericht zufolge hat Javice eine Woche vor dem Verkauf ihres Startups einen Mitarbeiter angewiesen, Millionen von Fake-Accounts anzulegen. Als dieser Bedenken äußerte, soll sie gesagt haben: "Keine Sorge. Ich möchte nicht in einem orangefarbenen Overall enden." Doch nun wird sie möglicherweise diese Kleidung von US-Gefangenen tragen müssen. Der Schwindel flog laut einem Bericht des Magazins Fortune auf, als JPMorgan E-Mails an den vermeintlichen Kundenstamm schickte - und die Mehrheit als unzustellbar zurückkam.

JPMorgan hatte die Datensätze im Vorfeld des Deals nicht zu Gesicht bekommen. Nachfragen wich Javice damals aus und berief sich auf Datenschutz. Vor Abschluss des Deals waren aber 300 Prüfer mit der Entscheidung, das Startup zu kaufen, betraut. JPMorgan führte die Due-Diligence-Prüfung damals innerhalb von nur 22 Tagen durch. Als Grund für die Eile nannte ein Anwalt der Großbank dem US-Sender CNN zufolge, dass die Bank mögliche Konkurrenten in einem Bieterwettstreit um das Startup ausstechen wollte.

Tränenreiche Entschuldigung vor Gericht

Richter Alvin Hellerstein kritisierte dem Bericht zufolge während des Prozesses die mangelnde Sorgfaltspflicht der Bankangestellten. JPMorgan habe sich viel vorzuwerfen. Er fügte hinzu, dass er allerdings das Verhalten von Javice bestrafe und nicht die Dummheit von JPMorgan. Der Chef der Bank, Jamie Dimon, bezeichnete die Übernahme von Frank als einen "großen Fehler". JPMorgan schloss die Website von Frank nur etwas mehr als ein Jahr nach der Übernahme.

Vor ihrer Verurteilung entschuldigte sich Javice Anfang der Woche in einem tränenreichen Statement bei mehreren Betroffenen. "Ich bitte die Aktionäre von JPMorgan Chase um Vergebung. Ich bitte alle Mitarbeiter und Investoren von Frank, die von meinen Handlungen betroffen sind, um Vergebung. Ich bitte alle Studenten und Familien, die sich auf Frank verlassen haben, um Vergebung", zitiert CNN sie. Sie erklärte darüber hinaus, sie verfolge der Gedanke, dass ihr Versagen etwas Sinnvolles in etwas Anrüchiges verwandelt habe. Sie werde ihre Entscheidung ein Leben lang bereuen.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von 12 Jahren gefordert, die Anwälte von Javice lediglich 18 Monate. Sie argumentierten vor Gericht, der Schaden für JPMorgan sei unerheblich gewesen. Angesichts der Marktkapitalisierung von JPMorgan in Höhe von 868 Milliarden Dollar entspräche eine Abschreibung von 175 Millionen Dollar für eine durchschnittliche amerikanische Familie einem Verlust von 58 Dollar.

"Im Grunde meines Herzens glaube ich immer noch, dass ich ein guter Mensch bin", sagte Javice im Prozess. "Welches Urteil auch immer gefällt wird, ich werde es mit Würde und Demut akzeptieren." "Sie sind ein guter Mensch, der etwas Schlechtes getan hat", sagte Hellerstein zu ihr. Er verurteile sie neben der Haftstrafe dazu, JPMorgan eine Entschädigung in Höhe von 288 Millionen Dollar zu zahlen und zusätzlich eine Strafe von 22 Millionen Dollar.

Prozess weckt Erinnerung an Elizabeth Holmes

Javice ist seit ihrer Verhaftung im Jahr 2023 gegen eine Kaution in Höhe von zwei Millionen Dollar auf freiem Fuß. Der Richter entschied, dass sie auch während ihres Berufungsverfahrens nicht hinter Gitter muss. Als Grund dafür führte er laut CNN den Wunsch von Javice an, sich einer Fruchtbarkeitsbehandlung zu unterziehen und eine Familie gründen zu wollen.

Der Prozess gegen Javice weckt Erinnerungen an die verurteilte Gründerin des Bluttestunternehmens Theranos. Elizabeth Holmes sitzt seit 2023 im Gefängnis. Holmes hatte ihr Startup mit 19 Jahren gegründet. Die Firma warb mit einer revolutionären Technologie, mit der Bluttests schnell und kostengünstig durchgeführt werden können. Später stellte sich heraus: Ihre Bluttestgeräte funktionieren nicht.

Javices Anwalt wies laut CNN entsprechende Vergleiche während des Prozesses zurück. Seine Mandantin unterscheide sich stark von der Biotech-Unternehmerin, da das, was sie geschaffen habe, tatsächlich funktioniere. Im Gegensatz zu Holmes, "die kein echtes Unternehmen hatte" und deren Produkt "tatsächlich Patienten gefährdete."

Die Staatsanwaltschaft stellte derweil "einen alarmierenden Trend fest". Gründer und Führungskräfte kleiner Startups würden demnach Betrug begehen, darunter falsche Angaben über die Kernprodukte oder -dienstleistungen ihrer Unternehmen, um diese für Investoren oder Käufer attraktiv zu machen.

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