• Auch in Mitteldeutschland ist der Fachkräftemangel gravierend. Besonders im Gesundheitsbereich ist die Nachfrage hoch, was auch mit der alternden Bevölkerung zusammenhängt.
  • Das Institut für Arbeits- und Berufsforschung hat eine Liste von 91 Berufen erstellt, die aktuell besonders gefragt sind. Besonders sind das Gesundheits- und das Baugewerbe betroffen.
  • Vielerorts setzt man gezielt auf das Anwerben von ausländischen Kräften, Quereinsteigern und Studienabbrechern. Die Chancen im Handwerk seien noch nie besser gewesen.

Pflegeeinrichtungen, die Betten frei lassen müssen – nicht etwa, weil es keine Nachfrage gibt, sondern weil das Personal fehlt. Michael Jung vom sächsischen Landesverband des Deutschen Pflegerats kennt diese Situation nur zu gut: "Ganz praktisch heißt das, dass zum Beispiel Langzeitpflegeeinrichtungen Plätze nicht belegen können, weil es keine Angestellten gibt, die dort die Versorgung übernehmen können. Im ambulanten Pflegebereich ist es so, dass nicht alle Anfragen angenommen werden können."

Lohnstruktur in der Pflege deutlich verbessert

Dass Fachkräfte fehlen, liege an vielen Punkten, weiß Michael Jung. Er vertritt im Pflegerat die Interessen von Pflegerinnen und Pflegern. Da sei beispielsweise die hohe Abbruchquote in der Ausbildung von rund 30 Prozent. Doch es habe sich in den letzten Jahren auch viel getan, um den Beruf attraktiver zu machen: "Die Vergütung, die in den letzten Jahren viel diskutiert worden ist, die ist mittlerweile ganz besonders im Langzeitpflegebereich deutlich verbessert worden. Daran liegt es also nicht mehr allein."

Demografische Entwicklung fordert Gesundheitsbereich

Nicht nur in der Pflege, im Gesundheitsbereich generell herrsche Fachkräftemangel, erklärt Alexander Kubis vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB, das zur Arbeitsagentur gehört: "Wir haben eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung. Aber nicht nur das, sondern wir haben auch eine stark alternde Bevölkerung. Und diese alternde Bevölkerung hat natürlich einen höheren Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen. In ganz verschiedene Bereichen. Wir sehen Engpässe in den Berufen Augenoptik, Hörgeräte-Akkustik, Pflege und Zahnmedizin."

"Engpassberufe": 91 Berufe mit besonders starkem Fachkräftemangel

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, kurz IAB, hat für besonders betroffene Bereiche einen eigenen Begriff geprägt: Engpassberufe. Gemeint sind Tätigkeiten, bei denen der Fachkräftemangel besonders stark zuschlägt.

Das IAB analysiert regelmäßig den Arbeitsmarkt und führt eine Liste – inzwischen umfasst sie 91 solcher Berufe. Ganz oben steht darauf zurzeit die zahnmedizinische Fachangestellte, gefolgt von Bauelektrikern, Fleischverarbeitern und Gleisbauern. Neben dem Gesundheitswesen sind es vor allem das Handwerk und das Hotel- und Gaststättengewerbe, die besonders unter dem Mangel leiden.

Gegenmaßnahmen: Besseres Betriebsklima und Weiterbildungsmöglichkeiten

Doch wie lässt sich gegensteuern? Viele Betriebe könnten an mehreren Stellschrauben drehen, sagt Alexander Kubis vom IAB. Vor allem an einer: "Wir müssen es schaffen, dass die Beschäftigten sich wohlfühlen in den Betrieben und nicht den Betrieb vorzeitig verlassen. Ein wichtiger Punkt, der vielleicht in der Vergangenheit nicht so sehr beachtet wurde, ist das Thema Weiterbildung, dass auch der Betrieb darauf achtet, dass eben das Thema Weiterbildung nicht aus dem Blick gerät."

Zuwanderung für stabilen Arbeitsmarkt entscheidend

Wichtig seien auch flexiblere Arbeitszeiten, um den Beruf attraktiver zu machen. Oder die Integration von älteren Menschen, die arbeiten wollen. Und Zuwanderung, wie Alexander Kubis betont: "Zuwanderung bleibt ein wichtiges Thema, denn wenn wir auf Zuwanderung verzichten, dann schrumpft der Arbeitsmarkt erheblich. Und zwar so, dass es für einzelne Betriebe in bestimmten Bereichen existenzgefährdend wird." 

Ausländische Kräfte oder Quereinsteiger: Chancen im Handwerk waren noch nie besser

Auch im Handwerk fehlen Hände, besonders auf dem Bau. Laut Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft fehlen allein im Bereich Baustellenarbeiten und Bauinstallation rund 42.000 Fachkräfte. Besonders gefragt sind Elektriker sowie Spezialisten für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik.

Dirk Neumann, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dessau-Halle, setzt vor allem darauf, neue Auszubildende zu gewinnen – nicht nur im Inland. Die Kammer wirbt derzeit um Nachwuchs in Vietnam und Usbekistan.

Und auch Quereinsteiger seien gefragt: "Die Chancen waren noch nie besser. Jeder der gewillt und in der Lage ist, einen entsprechenden Beruf auszuüben, ist willkommen. Auch für Studienabbrecher, jeder der in der Lage und willens ist, im Handwerk tätig zu werden, wird im Handwerk seine Chance bekommen." 

Bis 2035 könnten über 3 Millionen Fachkräfte fehlen

In Zukunft wird sich das Problem wohl noch verschärfen, das zeigen Studien. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat berechnet, dass bis zum Jahr 2035 etwa dreieinhalb Millionen Erwerbstätige fehlen könnten.

Selbst wenn jedes Jahr rund eine halbe Million Menschen nach Deutschland zuwandern würden, würde die Zahl der Erwerbsfähigen trotzdem sinken – und zwar um etwa 1,5 Millionen. 

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