Bosch und Lufthansa streichen Tausende Stellen. Automobilzulieferer wie Kiekert melden Insolvenz an. Die eigentliche Krise der deutschen Wirtschaft findet jedoch ganz ohne Schlagzeilen statt. Sie liegt darin, was nicht passiert.

Jüngste Meldungen über massenhafte Stellenstreichungen klingen dramatisch. Doch die eigentliche Krise am deutschen Arbeitsmarkt findet abseits der Schlagzeilen statt. Vor kurzem kündigte Autozulieferer Bosch an, 15.000 Jobs abzubauen. Nur wenige Tage später teilt Lufthansa mit, 4000 Stellen streichen zu wollen. Die Zahl der Arbeitslosen ist im August erstmals seit zehn Jahren über die Schwelle von drei Millionen gestiegen. Das lässt bei Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Politikern die Alarmglocken schrillen und Forderungen nach Hilfen in Form von Subventionen oder Gesetzesänderungen wie einer Verschiebung des sogenannten Verbrennerverbots für die Autoindustrie laut werden.

Der Hauptgrund für die sich verschlechternde Lage auf dem Arbeitsmarkt sind jedoch nicht Entlassungen oder der massenhafte Abbau von Jobs. Es ist das, was die Unternehmen nicht tun. Etwas, das deshalb keine Schlagzeilen macht und auch die Politik nicht auf den Plan ruft. Die historische Dramatik liegt darin, dass kaum neue Stellen geschaffen werden in Deutschland. In ihrem jüngsten Monatsbericht stellte die Bundesagentur für Arbeit (BA) fest: Das Risiko, durch Jobverlust arbeitslos zu werden, nimmt seit längerer Zeit zwar zu. Im langjährigen Vergleich ist es aber immer noch niedrig. Dagegen liege die Chance für Arbeitslose, eine neue Beschäftigung zu finden "auf einem historisch niedrigen Niveau".

So liegt laut Arbeitsagentur-Statistik das Risiko, den Job zu verlieren, aktuell bei 0,58 Prozent, das ist nahe des Tiefstwertes und weniger als im Vorcoronakrisenjahr 2019. Das deckt sich mit den Beobachtungen von Ökonomen, etwa am Ifo-Institut. "Große Entlassungswellen beobachten wir derzeit nicht", sagt Klaus Wohlraube, Leiter der Ifo-Umfragen zum jüngsten Beschäftigungsbarometer des Instituts, das im September auf den niedrigsten Wert seit dem Corona-Jahr 2020 gefallen ist. Der Personalabbau verlaufe "eher schleichend", so Wohlrabe.

Die Krise am Arbeitsmarkt liegt also nicht darin, dass derzeit außergewöhnlich viele Menschen ihre Jobs verlieren, sondern darin, dass diejenigen, die Arbeit suchen, besonders schlechte Chancen haben, einen Job zu finden. Die BA nennt das "Abgangschance" aus Arbeitslosigkeit. Und die lag zuletzt bei nur 5,6 Prozent. Das ist noch etwas schlechter als auf dem Höhepunkt der Corona-Epidemie. Im Vorkrisenjahr 2019 lag der Wert noch bei über 7,4 Prozent.

Wirtschaft braucht Erneuerung

Diese Erstarrung des Arbeitsmarktes ist bezeichnend für den Zustand der Wirtschaft insgesamt und spiegelt sich auch in der Entwicklung von Unternehmensinsolvenzen und -Gründungen wider. Zwar sorgen Pleiten bekannter Unternehmen wie etwa des Automobilzulieferers Kiekert mit 4500 Beschäftigten für Schlagzeilen. Trotz eines deutlichen Anstiegs in den vergangenen Jahren, kann jedoch von einer krisenhaften Insolvenzwelle in Deutschland keine Rede sein. So gingen im vergangenen Jahr knapp 22.000 Unternehmen bankrott, im Finanzkrisenjahr 2009 waren es fast 33.000, 2004 sogar 39.000. Problematischer ist, dass schon seit Jahren viel zu wenig Unternehmen gegründet werden.

2024 wurden laut einer Studie des Ökonomen Claus Michelsen in Deutschland rund 120.000 wirtschaftlich bedeutende Unternehmen gegründet. Gründungen etwa im Nebenerwerb wurden außer Acht gelassen. 15 Jahre zuvor waren es noch mehr als 150.000 bedeutende Neugründungen. Doch die Zahl ist nicht nur im zeitlichen Verlauf zurückgegangen, sie liegt laut Michelsen auch weit unter dem Niveau anderer Länder. "Damit Deutschlands Wirtschaft erfolgreich bleibt, müsste auch Deutschlands Unternehmenslandschaft sich stetig erneuern und verjüngen, doch sie verkrustet und veraltet", sagte er ntv.de.

Für die Wirtschaft ist sowohl bei Arbeitsplätzen als auch bei ganzen Unternehmen nicht nur der Saldo entscheidend, also wie sich ihre Zahl insgesamt entwickelt, sondern auch, ob eine Erneuerung stattfindet. Das heißt, dass sich die Wirtschaft den großen Umwälzungen und Veränderungen anpasst - indem bestehende Unternehmen in neue Bereiche und Märkte vorstoßen und entsprechend Arbeitsplätze schaffen, oder indem neue Firmen gegründet werden.

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