Ab 1. Januar 2027 startet der Emissionshandel ETS2. Emissionsrechte für Verkehr und Gebäude werden EU-weit gehandelt, Preissteigerungen treffen Verbraucher. Einige Kommunen setzen auf synthetische Kraftstoffe.
Knapp 18 Kilometer - das ist die durchschnittliche Strecke, die Pendlerinnen und Pendler in Deutschland auf dem Weg zur Arbeit zurücklegen. So wie Petra Hubrig mit ihrer täglichen Fahrt vom niedersächsischen Wellingholzhausen zu ihrer Firma in Georgsmarienhütte. Eine Alternative mit dem ÖPNV - Fehlanzeige.
"Mit einer Busverbindung - das kann man voll vergessen, wenn man wie ich auf dem Land wohnt. Ohne Auto komme ich nicht zur Arbeit", sagt sie. Und tatsächlich ist die nächste Bushaltestelle mehrere Kilometer von ihrer Wohnung entfernt. Und der erste Bus am Tag kommt erst nach Beginn ihrer Frühschicht.
CO2-Abgaben sollen Emissionen verringern
Beim Tanken kommt für sie und die meisten der rund 13 Millionen Pkw-Pendler zu den Steuern und Abgaben seit vier Jahren noch die staatliche CO₂-Abgabe obendrauf. Und die steigt kontinuierlich an. Insgesamt zahlen Autofahrer mit Verbrennern derzeit dafür nochmal rund 16 Cent mehr pro Liter. Und dieser Posten könnte sich mit der Einführung des Emissionshandels für die Bereiche Verkehr und Gebäude drastisch verteuern.
Das soll Autofahrer zum Umstieg auf Elektrofahrzeuge bewegen und die Emissionen in der EU senken. So wie beim Emissionshandel ETS1. Seit 2005 müssen Unternehmen aus den Bereichen Industrie und Energie Emissionsrechte für jede Tonne CO2-Ausstoß erwerben oder Emissionen vermeiden. Die Gesamtsumme an Emissionsrechten wird jährlich verringert.
Für Energiemarkt-Experten ein Erfolgsmodell: "Seit 2005 konnten die CO2-Emissionen in den Bereichen Industrie und Energie in der EU um fast die Hälfte gesenkt werden. Der Preis für die Tonne CO2 ist dabei nie über 100 Euro geklettert", erklärt Manuel Frondel, Leiter des Kompetenzbereiches Umwelt und Ressourcen am Essener RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Derzeit liegt der Preis für die Tonne CO2 im ETS-1 Handel - die so genannten CO2-Vermeidungskosten - bei rund 80 Euro. Allerdings sei das nicht auf den Emissionshandel für die Bereiche Gebäude und Verkehr übertragbar.
Hohe CO2-Vermeidungskosten
"In diesen beiden Sektoren, beim Verkehr und insbesondere beim Gebäudesektor, sind die CO2-Vermeidungskosten wesentlich höher", gibt Frondel zu Bedenken. So koste eine Tonne CO2-Einsparung in Deutschland durch den Tausch einer Gasheizung für eine Wärmepumpe 1.200 Euro, ähnlich teuer sei die Förderung von E-Autos durch Steuervorteile oder gar Kaufprämien.
Welche Auswirkungen das auf den CO2-Preis hat, ist völlig ungewiss. Je nach Prognose diverser Studien könnte der Preis von den derzeit politisch festgelegten 56 Euro pro Tonne CO2 im ETS2-System auf gut 80 oder sogar mehr als 300 Euro steigen. Die Kosten fürs Tanken würden nach oben schießen, sowie für das Heizen mit Öl und Gas. Je nach Szenario bedeutet das Mehrkosten von mehreren hundert Euro pro Jahr für die Verbraucher, die sich keine Alternativen leisten können.
Klimageld ist keine "politische Realität"
Und eine Entlastung an anderer Stelle ist nicht in Sicht. "Über das Klimageld wurde schon viel geschrieben und gesprochen. Auch von uns. Aber bisher ist es nur eine Idee, ein schönes Konzept, aber keine politische Realität", sagt Carolin Schenuit vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, einem gemeinnützigen Verein mit Sitz in Berlin. Man müsse die "Quadratur des Kreises" schaffen, mit den Einnahmen aus dem CO2-Zertifikatehandel Zukunftsinvestitionen zu tätigen und gleichzeitig soziale Verwerfungen zu vermeiden.
Ein Vorschlag: "Social Leasing" für den Kauf von Elektroautos. "Indem ich solche Leasingraten staatlich unterstütze, helfe ich den Leuten auf eine bezahlbare Art und Weise von ihrem Verbrenner umzusteigen und ihnen gleichzeitig das langfristige Spritkostenrisiko zu senken", sagt sie. Statt einer Kaufprämie also eine einkommensabhängige Leasingrate für den Umstieg auf E-Autos. Eine staatliche Subvention, die laut Kritikern wie in der Vergangenheit viel Geld kosten würde.
Stadtwerke steigen auf synthetische Kraftstoffe um
Beim kommunalen Entsorger in Saarbrücken versucht man schon jetzt die Fahrzeugflotte nachhaltiger aufzustellen. Mit rund 30 Elektrofahrzeugen, zum Beispiel E-Kehrmaschinen. Und mit synthetischem Kraftstoff.
Für den CDU-Oberbürgermeister Uwe Conradt ist der Alternativ-Diesel die Lösung aus einem Dilemma bei der kommunalen Nachhaltigkeitsstrategie: "Wir haben rund 370 Fahrzeuge in unserem Fuhrpark, die noch nicht umgestellt sind auf E-Technologie oder auch auf Wasserstoff. Und auch diese Umstellung wäre extrem teuer, weil die Fahrzeuge das Doppelte kosten und auch noch eine Laufzeit haben von fünf, zehn oder 20 Jahren", so Conradt.
Seit Januar werden die dieselbetriebenen Müllfahrzeuge nur noch mit dem synthetischen Kraftstoff HVO 100 betankt. Der wird aus Pflanzenölen, tierischen Fetten und Altspeiseöl hergestellt, gilt als nachhaltig und ist deshalb von der CO2-Bepreisung befreit. Resultat laut Oberbürgermeister Conradt: eine Emissionsminderung von 80-90 Prozent. Allerdings kritisieren Umweltverbände, die Ausgangsstoffe seien teils wertvolle Rohstoffe und würden zum Großteil aus Asien importiert. Zudem sei der Bedarf aller Fahrzeuge damit nicht zu decken.
Alternativer Kraftstoff aus Plastikmüll
Thomas Willner, Professor für Verfahrenstechnik, versucht mit seinem Team an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg eine Lösung zu finden, um mehr synthetischen Kraftstoff aus heimischen Quellen herzustellen. Nicht nur aus Abfällen wie Altspeiseöl, was jetzt schon gängig ist, sondern auch aus den Abfallprodukten der Gelben Tonne.
"Wir schmelzen diese Kunststoffe auf, damit sie fließfähig in den Reaktor hineingehen können, wo die Umwandlung stattfindet. Am Ende haben wir ein dünnflüssiges Zwischenprodukt", so der Hamburger Forscher. "Ziel des Projekts ist es, verschiedene Abfallklassen in Erdölersatz umzuwandeln. Und daraus könnten dann Diesel, Benzin oder auch Kerosin für den Flugverkehr gewonnen werden."
Angesichts der bestehenden Fahrzeugflotte von 96 Prozent Verbrennerfahrzeugen in Deutschland hält er den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen für unverzichtbar, wenn man Emissionen schnell senken wolle.
Derzeit kostet der synthetische Kraftstoff noch etwa zehn Cent mehr als der fossile Kraftstoff. Mittelfristig ist damit zu rechnen, dass er wegen der CO2-Kosten günstiger wird. Das könnte auch eine Möglichkeit sein, Pendler zu entlasten. Denn damit der ETS2-Handel mit Emissionen funktioniert und akzeptiert wird, braucht es die Kombination vieler Lösungen. Damit Verbraucher nicht die Zeche zahlen.
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