Trotz des Fachkräftemangels bleiben Frauen ein ungenutztes Potenzial auf dem Arbeitsmarkt. Eine Bertelsmann-Studie zeigt: Arbeitgeber bewerben Familienfreundlichkeit und flexible Arbeitszeiten in Stellenanzeigen viel zu selten. Das verschärft die Lage am Arbeitsmarkt.
Frauen sind längst keine Randgruppe mehr auf dem Arbeitsmarkt, doch von echter Gleichstellung ist Deutschland offenbar immer noch weit entfernt. Während 77,7 Prozent der Frauen im erwerbsfähigen Alter hierzulande arbeiten, liegt ihr Anteil an Vollzeitstellen deutlich hinter dem der Männer. Grund dafür ist oft die Doppelbelastung durch Erwerbs- und Sorgearbeit, die Frauen immer noch überproportional schultern. Eine Bertelsmann-Studie zeigt: Arbeitgeber könnten mit familienfreundlichen Jobangeboten viel bewegen - doch viele lassen diese Chance ungenutzt.
Die Studie, für die rund acht Millionen Stellenanzeigen aus dem Jahr 2024 analysiert wurden, ergab: Nur 16,4 Prozent der Anzeigen werben mit Angeboten wie flexiblen Arbeitszeiten oder Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Dabei geben 86 Prozent der Unternehmen an, dass ihnen Familienfreundlichkeit wichtig sei. "Das Ja zur Familienfreundlichkeit fehlt in der Mehrzahl der Stellenanzeigen", kommentiert Eric Thode, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung. "Wer Fachkräfte gewinnen will, muss klare Signale setzen."
Besonders auffällig: Angebote zur Zeitsouveränität - etwa die freie Wahl des Arbeitszeitumfangs - finden sich vor allem in frauendominierten Berufen wie der Altenpflege oder Sozialarbeit. In männerdominierten Branchen wie der IT oder dem Handwerk bleiben solche Angebote die Ausnahme. Gleichzeitig verlangen diese Berufe oft hohe Flexibilität und Mobilität, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschwert.
Frauen bleiben außen vor – mit Folgen für alle
Die fehlende Familienfreundlichkeit in männerdominierten Berufen hat weitreichende Konsequenzen: Frauen bewerben sich seltener auf solche Stellen, was die geschlechtsspezifische Trennung am Arbeitsmarkt verstärkt. Gleichzeitig bleibt die Sorgearbeit überwiegend bei Frauen, da Männer in diesen Berufen kaum Möglichkeiten haben, ihre Arbeitszeit familienfreundlich zu gestalten. "So zementieren sich traditionelle Rollenbilder weiter", warnt Michaela Hermann von der Bertelsmann Stiftung.
Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels. Frauen könnten eine entscheidende Rolle bei der Lösung dieses Problems spielen, wenn sie bessere Bedingungen vorfänden. Doch statt flexibler Arbeitsmodelle dominieren in vielen Branchen starre Strukturen. Das schreckt nicht nur Frauen ab, sondern auch Männer, die in Lebensphasen mit höherer Sorgearbeit ebenfalls mehr Flexibilität benötigen.
Die Studie zeigt auch: Je höher das Anforderungsniveau einer Stelle, desto häufiger werden familienfreundliche Angebote gemacht. So bieten 33 Prozent der Stellenanzeigen für Experten oder Expertinnen flexible Arbeitszeiten, während es bei Hilfsjobs nur 14 Prozent sind. Doch auch hier gibt es gleichzeitig Hürden: Denn höher qualifizierte Berufe verlangen oft Mobilität und zeitliche Verfügbarkeit, was besonders für Frauen mit Sorgeverantwortung - vor allem für Kinder - problematisch ist.
Ein Blick auf Engpassberufe wie die Pflege zeigt: Obwohl hier der Fachkräftemangel besonders groß ist, bleibt das Angebot familienfreundlicher Arbeitsbedingungen überschaubar. Zwar werben Pflegeberufe häufiger mit Zeitsouveränität als andere Branchen, doch die Anforderungen an Schichtarbeit und Verfügbarkeit bleiben hoch. Das macht es schwer, diese Berufe für Frauen und Männer mit Familienverantwortung attraktiv zu gestalten.
Was Unternehmen jetzt tun müssen
Die Ergebnisse der Studie sind laut den Autorinnen ein Weckruf: Unternehmen müssen familienfreundliche Arbeitsbedingungen nicht nur schaffen, sondern auch aktiv bewerben - und zwar in allen Branchen und auf allen Qualifikationsniveaus. Besonders in männerdominierten Berufen könnten solche Angebote dazu beitragen, mehr Frauen zu gewinnen und traditionelle Rollenbilder aufzubrechen. Gleichzeitig müssen auch Männer stärker in die Verantwortung genommen werden, indem ihnen familienfreundliche Arbeitsmodelle zugänglich gemacht werden.
"Familienfreundlichkeit darf kein Bonus sein, sondern muss zum Standard werden", fordert Michaela Hermann. Denn nur so können Unternehmen im Wettbewerb um die besten Köpfe - "egal ob Frauen oder Männer" - bestehen - und gleichzeitig einen Beitrag zur Gleichstellung leisten.
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