Tatiana Papizh mag sich noch genau an den Tag erinnern, an dem die russische Invasion in der Ukraine begann. «Am Morgen des 24. Februar kam ich zur Arbeit und erwartete, dass der Krieg nicht länger als eine oder zwei Wochen dauern würde», sagt die Gerichtsmedizinerin und Leiterin des forensischen Instituts von Odessa gegenüber dem Radio und Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz (RSI). «In den folgenden Monaten wurden wir überrannt.»

Sehen Sie die Reportage von RSI von der Rechtsmedizin in Odessa:

Vor drei Wochen erhielten Papizh und ihre Kollegen in einer einzigen Lieferung 1600 nicht identifizierte Leichen. Sie arbeiteten ununterbrochen, bis zu 100 Leichen am Tag. Nach 17 Tagen hatten sie von jeder DNA-Proben entnommen. Die Identifizierung der Gefallenen und die Übergabe der Leichen an ihre Familien ist Aufgabe der Polizei. In der Zwischenzeit ruhen die Leichen in acht gekühlten Eisenbahnwaggons auf einem Abstellgleis des Bahnhofs von Odessa.

Das gerichtsmedizinische Institut von Odessa ist hauptverantwortlich dafür, Leichen der im Kampf gefallenen Soldaten zu untersuchen, die mit Russland ausgetauscht werden. Es ist das einzige Institut, das direkt mit der DNA-Datenbank des Innenministeriums verbunden ist. Dort geben Angehörige vermisster Soldaten DNA-Proben ab, um die Identifizierung ihrer Liebsten zu erleichtern.

Seit Beginn des Krieges hat die Ukraine etwa tausend Leichen an Russland zurückgegeben, während Russland insgesamt etwa 13'000 Leichen zurückgegeben hat.

Sprengstoff zwischen den Leichen

Die Bearbeitung dieser Leichen ist keine einfache Aufgabe. Die Ärztinnen und Ärzte arbeiteten neben den Eisenbahnwaggons, geschützt durch Zelte und Pavillons, die vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) zur Verfügung gestellt wurden, bei Temperaturen von bis zu 35 Grad. «Die Leichen kommen in einem sehr schlechten Zustand an», berichtet Papizh. «Einige sind seit über einem Jahr tot, einige befinden sich in einem Mumifizierungsprozess, von anderen haben wir nur Überreste.»

Manchmal hat es zwischen den menschlichen Überresten noch aktive Sprengstoffe. In diesem Fall muss die gesamte Arbeit gestoppt und auf die Ankunft der Sprengstoffexperten gewartet werden.

IKRK spielt wichtige Rolle

Dank der Hilfe des IKRK ist das Labor in Odessa zu einem der wichtigsten Zentren für die Identifizierung von Leichen in der gesamten Ukraine geworden. Das IKRK leistet technische Beratung und vor allem materielle Unterstützung. Es fördert auch den Austausch zwischen den Kriegsgegnern, ohne jedoch direkt an den Verhandlungen teilzunehmen.

Als forensische Expertin des IKRK hat Naimh Smith an Treffen zwischen der Ukraine und Russland teilgenommen, an denen es um den Austausch von Leichen ging. Sie kann sich nicht im Detail zu diesen Treffen äussern, aber es ist bekannt, dass sie jeweils an einem geheimen Ort an der Grenze zu Weissrussland stattfinden.

«Es sind bewegende Momente, in denen alles mit grösstmöglichem Respekt für die Leichen geschieht», berichtet Smith. Die Bewohner der Gegend hätten inzwischen verstanden, was passiert, wenn sie die Kolonnen weisser Lastwagen durch ihre Dörfer fahren sehen. «Dann zeigen sie ihren Respekt für die vorbeifahrenden Gefallenen. Manche knien nieder, andere werfen Blumen.»

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