In Polen kommt es zum Wechsel im Amt des Staatsoberhaupts. Nach zehn Jahren tritt Andrzej Duda ab, neu zieht der rechtskonservative Karol Nawrocki in den Präsidentenpalast in Warschau ein. Der 42-jährige Historiker hatte die Präsidentenwahl im Juni für sich entschieden. Wie sich dieser Machtwechsel auf Polen auswirkt, ordnet Politikwissenschaftler Basil Kerski ein.
SRF News: Bis zu seiner Wahl war Karol Nawrocki weitgehend unbekannt. Können Sie uns kurz beschreiben, wer dieser Mann ist?
Basil Kerski: Karol Nawrocki ist mit seinen 42 Jahren ein junger Präsident. Er ist kein Berufspolitiker, aber ein politisch präsenter Wissenschaftler und Intellektueller auf der nationalistischen Seite, der bislang unterschätzt wurde. Zuletzt war er Leiter des Instituts für Nationales Gedenken in Warschau.
Welche Rolle spielt der Präsident in Polen?
Er ist auf jeden Fall nicht der entscheidende Machtfaktor in der Exekutive. Der polnische Präsident wird direkt gewählt, was ich in diesen Zeiten als wichtig erachte. In Polen gestaltet der Oberbefehlshaber der Streitkräfte die Aussenpolitik mit und hat das Recht, Gesetzesentwürfe aktiv miteinzubringen.
Eigentlich war diese Funktion gedacht als eine moderierende Rolle zwischen den Lagern. Die letzten acht Jahre unter Piotr Duda und zuletzt unter Andrzej Duda haben jedoch gezeigt, dass das eine wirkungsvolle Position ist, um eine bestimmte politische Richtung zu unterstützen. Ich glaube, der neue Präsident wird auch diese Rolle aktiv spielen.

Mit Karol Nawrocki bleibt das Präsidentenamt in rechtskonservativer Hand. Welche Politik verfolgt er gegen innen?
Es wird weniger moderierend zugehen. Das sieht man schon an der personellen Besetzung. Karol Nawrocki wurde von der Partei Recht und Gerechtigkeit von Jaroslaw Kaczynski als unabhängiger Kandidat präsentiert. Seit Beginn seiner öffentlichen Laufbahn wird Nawrocki von konservativen Bischöfen, unter anderem vom Danziger Erzbischof, befürwortet.
Die polnisch katholische Kirche ist sehr kritisch gegenüber dem Vatikan – weniger Ökumene, mehr Nationalismus. Ich denke, diese Akzente wird Nawrocki setzen. Damit hat er auch die Wahlen gewonnen.
Man versucht, emotionale Themen aufzugreifen, damit die Menschen wählen und sich in neuen Identitäten wiederfinden.
Polen ist politisch tief gespalten. Welche Themen entzweien dieses Land?
Ich würde nicht sagen, dass das Land gespalten ist. Wie in allen europäischen Ländern versucht man heute, zu spalten, um Menschen zu mobilisieren. Man versucht, emotionale Themen aufzugreifen, damit die Menschen wählen und sich in neuen Identitäten wiederfinden. Doch das führt auch dazu, dass sich viele Menschen von der Politik abwenden, weil sie sich nicht repräsentiert fühlen in dieser extremen Polarisierung, die durch die modernen Medien begünstigt wird.
Karol Nawrocki hat ein Postulat unterschrieben, dass sich gegen ein Nato-Beitritt der Ukraine richtet.
Polens neuer Präsident gilt als EU-Skeptiker und Trump-Verehrer. Wie positioniert er sich aussenpolitisch – insbesondere im Ukraine-Krieg?
Im Wahlkampf ist überraschenderweise ein sehr kritisches Verhältnis zur Ukraine ans Licht gekommen. Denn Nawrocki hat in der zweiten Runde mit den Rechtsextremen, genauer gesagt mit einer Trumpistischen Partei, geflirtet.
Eine der Forderungen dieses Milieus während des Wahlkampfes war: kein Nato-Beitritt für die Ukraine. Dieses Postulat hat Nawrocki auch schriftlich bestätigt und unterstützt. Im polnisch-ukrainischen Verhältnis wird es nicht mehr so harmonisch zugehen wie in den letzten zwei Jahren.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.
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