Aravinda, der wie alle in Auroville nur seinen Vornamen benutzt, fährt mit dem Scooter über eine einsame Betonstrasse mitten durch den Wald. Doch plötzlich ist Schluss. Die Strasse endet im Nichts.

«Wir sind auf der Ringstrasse», sagt Aravinda. Diese Strasse soll einmal rund um Auroville führen. Sie werde in Etappen gebaut. Riesige Bäume würden dazu einfach abgehackt.

Die Regierung will eine Stadt für 50'000 Menschen bauen

Die Ringstrasse ist zum Symbol für den Streit zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern Aurovilles und der indischen Regierung geworden. Die Regierung will aus Auroville so schnell wie möglich eine Stadt mit 50'000 Menschen machen. Derzeit sind es rund 3000, die Hälfte stammt aus dem Ausland.

Wer sich gegen den neuen Kurs wehrt, riskiert, ausgewiesen zu werden. Das prominenteste Beispiel ist Frederick Schulze Buxloh, genannt Fred.

Der 86-jährige Deutsche stammt aus einer reichen Familie. Als junger Mann folgte er der Gründermutter, investierte sein ganzes Erbe in Auroville, kaufte Land. Das alles gehört aber der Auroville-Stiftung, denn Privateigentum gibt es hier nicht. Doch seitdem die Regierung die Kontrolle über die Stiftung übernommen hat, kämpft Fred – wie rund 200 andere ausländische Aurovillianer – um sein indisches Visum – und damit um seine Existenz. «Ich habe kein anderes Zuhause. Das wäre eine echte Entwurzelung.»

Als Grund für die erstmalige Visumverweigerung nach rund 60 Jahren sei ihm schädliches Verhalten gegenüber der Regierung genannt worden. Fred hatte versucht zu verhindern, dass Bäume abgeholzt werden.

Regierung tauscht Auroville-Land gegen Strassenbau

Die neue Verwaltung will sich zu den Vorwürfen nicht äussern. Stattdessen schickt sie Antim vor. Der 55-Jährige ist Mitglied der Stiftungsverwaltung, spricht aber ausdrücklich nur als «Bewohner» Aurovilles.

«Wir bauen eine Stadt für 50'000 Menschen», sagt Antim. Das sei der ursprüngliche Plan der Gründermutter gewesen, aber die Aurovillianer seien zu bequem geworden.

Zum rauhen Umgang mit Kritikern wie Fred sagt er: «Wenn sie indische Gesetze brechen, können wir ihnen nicht helfen.» Die Bäume, die jetzt für die Strasse abgeholzt würden, seien ohne Genehmigung der Regierung gepflanzt worden – an Stellen, die im Plan der «Mutter» für Strassen und Häuser vorgesehen seien. Es seien noch genug Bäume übrig.

Legende: Die Dschungelstadt Auroville SRF / Maren Peters

Das Problem sind nicht nur die Bäume. Auch einen Teil des Landes, den Bewohner Aurovilles über die Jahre gekauft haben und der seitdem beträchtlich an Wert gewonnen hat, gibt die Regierung an Privatinvestoren, im Tausch gegen Land für die Ringstrasse.

Bewohner fürchten um ihre Existenz

Aravinda hätte dieser Tausch fast sein Haus gekostet. Die neue Verwaltung hat das Land, auf dem es steht, einfach einem privaten Investor überschrieben.

Sogar dem Premierminister habe er geschrieben, sagt Aravinda. Vergeblich. Das Land und sein Haus gehören – wie alles andere – offiziell der Auroville-Stiftung. Und die wird jetzt von der Regierung kontrolliert.

Der alte Herr und seine Frau haben das Haus kurzerhand versetzt. Es steht jetzt in dem Teil, der noch zum alten Auroville gehört. In der Hoffnung, dass die Vision von einer besseren Welt zumindest dort noch ein bisschen länger weiter lebt.

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