Zum Abgasskandal hat der EuGH Fragen aus Deutschland beantwortet. Wenn einem Autokäufer Schadenersatz zusteht, dürfe dabei der Vorteil der Nutzung des Fahrzeugs zwar angerechnet werden. Aber: Die Summe muss angemessen sein.
Das Landgericht Ravensburg bearbeitet mehrere Fälle, bei denen Kunden den VW-Konzern auf Schadenersatz verklagt haben. Einer der Kläger ist Thomas Vögtle. 2016 hatte er für seine sechsköpfige Familie einen VW-Bus mit Dieselmotor gekauft, bei dem ebenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut wurde. Für das Verhalten des Autokonzerns nach Auffliegen des Abgasskandals hat er wenig Verständnis: "Das fehlende Unrechtsbewusstsein von VW ärgert mich eigentlich am meisten."
Auch im Fall von Vögtle muss das Landgericht Ravensburg prüfen, ob und wie viel Schadenersatz ihm zusteht. Da es auch um europäisches Recht geht, hatte das Landgericht den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gebeten, mehrere Rechtsfragen zu klären, insbesondere zur Höhe des Schadenersatzes.
Bundesgerichtshof begrenzte Schadenersatz auf 15 Prozent des Kaufpreises
Vor zwei Jahren hatte der Bundesgerichtshof für deutsche Kläger entschieden: Wenn jemand sein Auto weiterfährt, bekommt er fünf bis maximal 15 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises als Wiedergutmachung. Dabei muss sich ein Kläger die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen.
Juristen sprechen vom sogenannten Nutzungsvorteil. Und dieser ist für viele Betroffene ein Problem. Denn bei rund 200.000 gefahrenen Kilometern sprechen etliche Gerichte keinen Schadenersatz mehr zu. Das befürchtet auch Thomas Vögtle: "Als wir die Klage eingereicht haben, hatte das Auto glaube ich 60.000 Kilometer. Jetzt hat es 200.000. Das heißt: Mit der Anrechnung ist die Klage für mich eigentlich wertlos."
EuGH: Entschädigung muss immer angemessen sein
Der EuGH hat nun geurteilt: Die einzelnen Mitgliedsstaaten, sprich die nationalen Gerichte, können grundsätzlich selbst festlegen, unter welchen Bedingungen betroffene Kunden Schadenersatz bekommen. Eine Begrenzung auf maximal 15 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises, wie es der BGH vorgegeben hat, sei grundsätzlich in Ordnung.
Dann macht der EuGH aber eine wichtige Einschränkung: Die Entschädigungssumme muss immer angemessen sein, um den erlittenen Schaden auszugleichen. Ob das der Fall ist, müssten die nationalen Gerichte wie beispielsweise das Landgericht Ravensburg in jedem Einzelfall prüfen.
Bei vielen Diesel-Fahrzeugen wurde nachträglich ein Software-Update aufgespielt, um den Mangel bei der Abgasreinigung zu beheben. Der EuGH hat dazu klagestellt: Wenn bei diesem Softwareupdate ein unzulässiges Thermofenster installiert wurde, macht sich ein Autohersteller ebenfalls schadenersatzpflichtig.
Noch tausende Klagen bei Gerichten anhängig
Nun bleibt abzuwarten, wie die deutschen Gerichte die Vorgaben des EuGH umsetzen werden. VW erklärte nach dem Urteil schriftlich: "Wie der BGH diese Vorgaben in nationales Recht umsetzen wird, ist noch nicht absehbar. Unabhängig davon werden die Auswirkungen für Volkswagen überschaubar sein, weil nur noch wenige Diesel-Klagen vor deutschen Gerichten anhängig sind."
Tatsächlich liegen jedoch noch Tausende Klagen bei den deutschen Gerichten, über die noch nicht rechtskräftig entschieden wurde. Insofern ist das Urteil des EuGH sehr bedeutsam.
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