Holden Thorp fällt mir im Frühjahr 2025 auf, weil er Donald Trumps Entscheide in der Wissenschaftspolitik laut, hart und ausdauernd kritisiert: in Editorials, Sozialen Medien, Podcasts, auf seinem Blog. Er ist Chefredaktor von «Science», einem der weltweit wichtigsten Wissenschaftsjournale, mit Sitz in Washington DC. Auf die Frage, warum er Trump so hart angeht, lacht er und sagt: «Ich habe auch Biden scharf kritisiert, wenn es nötig war. Mir ist egal, wer an der Macht ist.»

Als «Science»-Chefredaktor kann der Chemiker, der lange an Universitäten geforscht und gewirkt hat, relativ frei sprechen. Thorp nutzt das, weil aktiv Forschende Konsequenzen fürchten, wenn sie sich exponieren, und auch starke Universitäten wie Harvard oder Columbia unter immensem Druck stehen.

Wir verlieren eine ganze Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Autor: Holden Thorp Chefredaktor von «Science»

«Ich überlege mir, was ich hier und heute tun kann, und tue das», sagt er. Thorp reist viel durchs Land. Die Angst vor unberechenbaren Eingriffen der Regierung sei gross, die Verunsicherung riesig. Und: «Wir verlieren eine ganze Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, weil, wer jetzt jung ist, gar nicht erst in die Forschung einsteigt.»  

Verantwortung sieht Thorp auch bei der Wissenschaftscommunity. Der soziale Vertrag zwischen Wissenschaft und US-Bevölkerung, den es seit dem Zweiten Weltkrieg gibt, sei brüchig geworden: «Es gibt einen ‹disconnect› - einen tiefen Graben - zwischen uns und dem Rest Amerikas. Das ist schon lange so. Und es ist an uns, das zu überwinden.»

Tiefe Gräben zwischen Wissenschaft und Bevölkerung

Thorps Analyse passt zu jener von Mike Osterholm. Der Epidemiologe an der Universität von Minnesota setzt sich seit Jahrzehnten für Impfungen ein, ist von ihrem Nutzen überzeugt, und beobachtet nun, wie Zweifel an Impfungen weltweit zunehmen: «Wir müssen zugeben, dass wir das nicht verstehen.»  

Er verweist auf einen Masernausbruch Anfang Jahr in West-Texas mit gut 700 gezählten Infektionen, bei dem zwei Kinder sterben. «Manche Eltern wollten ihre Kinder auch mitten im Ausbruch nicht impfen. Wir haben viel zu tun, um daraus schlau zu werden, und dann müssen wir eine gute Antwort darauf finden.»

Klar sei auch, mit sinkenden Impfraten werden sich Masern und andere Infektionskrankheiten ausbreiten. Osterholm: «Es wird schlimmer werden. Das ist keine Theorie mehr, es passiert längst.» Abzuschätzen, wie schnell neue Ausbrüche wie heftig werden können, sei die nächste grosse Aufgabe. Und: «Wie wir das vermitteln, wird entscheidend sein.»

Historische Parallelen: Trump und McCarthy

Die Frage, ob die jetzige Situation neu ist oder altbekannt, kann der Historiker Clay Risen beantworten. Der New-York-Times-Journalist sagt: «Das hatten wir alles schon, etwa in der McCarthy-Ära Ende der 1940er bis Mitte der 1950er». Gewisse Verschwörungstheorien und Misstrauen gegenüber Staat und Eliten werden immer wieder in der US-Geschichte dominant, sagt er: «Das scheint zu uns zu gehören.»

Für den Moment rät «Science»-Chefredaktor Holden Thorp seinen Forscherkollegen und -kolleginnen: «Ruhig bleiben, weitermachen. Solange Du ein Labor hast, und morgen darin arbeiten kannst, mach das. Ich hoffe, dass Du übermorgen auch noch da bist.»

Weiterführende Links

  • «The Atlantic»: Der soziale Vertrag zwischen Forschung und US-Bevölkerung

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke