Ein Zollstreit mit fast der ganzen Welt, Truppen in US-Grossstädten, massive Kürzungen bei Wissenschaft und Forschung: Donald Trump scheint die USA in rapidem Tempo umzuwälzen – und weckt damit grosse Sorgen. Die aktuellen Konflikte stünden zwar in einer geschichtlichen Kontinuität, seien aber dennoch besorgniserregend, erklärt der USA-Experte.
SRF News: Wie steht es um die US-Demokratie?
Thomas Zimmer: Schlecht. Im Moment muss man sagen, dass die USA gar nicht mehr als liberale Demokratie gelten können. Es ist eine autoritäre Bewegung an die Macht gekommen, die nicht nur einen Politikwechsel erzwingen, sondern grundsätzlich die politische und gesellschaftliche Ordnung umwälzen will.
Sie ist dabei schon so weit gekommen, dass wir nicht mehr von einer funktionierenden Demokratie sprechen können. Wir haben es jetzt mit so einer Art Mischsystem zu tun – irgendwo zwischen Demokratie und autoritärer Herrschaft.
An welchen Beispielen machen Sie diesen Wandel fest?
Vier Punkte sind da wichtig. Erstens bündelt die Regierung alle Macht bei sich und schaltet gezielt die Machtkontrolle durch Kongress, Gerichte oder unabhängige Verwaltung aus – etwa indem sie die Befugnisse des Kongresses missachtet oder sich immer offener über Gerichtsbeschlüsse hinwegsetzt und indem sie eine Säuberung der Beamtenschaft nach ideologischen Kriterien vorantreibt.
Zweitens geht die Regierung aggressiv gegen Widerstände in der Zivilgesellschaft vor. Sie eskaliert etwa den Kampf gegen Universitäten und setzt das Justizministerium gegen regierungskritische Stimmen ein. Denen wird gedroht mit Ermittlungen aller Art.

Drittens schränkt die Regierung die Grundrechte für Gruppen ein, die sie als unliebsam erklärt hat. Sie weigert sich beispielsweise, zentrale Bürgerrechtsbestimmungen aus den 1960er-Jahren umzusetzen, die die Diskriminierung nach Hautfarbe oder Geschlecht verhindern sollen.
Und viertens geht die Trump-Regierung mittlerweile auch gewaltsam gegen alle vor, die nach ihren Vorstellungen gar nicht das Recht haben sollten, in Amerika dazuzugehören.
Spielt das System der Checks and Balances derzeit noch?
Nein. Das grösste Problem ist, dass der Kongress überhaupt keine Anstalten macht, die Regierung zu kontrollieren. Es bleiben die Gerichte. Und die versuchen ja in der Tat, sich diesem autoritären Angriff auf das System entgegenzustellen. Mittlerweile gibt es über 150 Gerichtsbeschlüsse, in denen die Gerichte versuchen, die Regierung in die Schranken zu weisen.
Das Land fällt im Moment auseinander.
Das Problem ist nur, dass über den Bundesgerichten noch der Oberste Gerichtshof thront. Und dort gibt es eine hart rechte Mehrheit, die in fast allen Fällen für Trump entscheidet.
Wie steht es denn um die Akzeptanz demokratischer Prinzipien in der Bevölkerung?
Der Konflikt zwischen beiden Seiten der US-Gesellschaft geht weit über Parteien und Politik im engeren Sinne hinaus. Er bestimmt immer mehr die Lebenswirklichkeiten, die sich ganz rapide auseinander entwickeln, je nachdem, ob man in einem republikanisch oder einem demokratisch geführten Staat lebt. Wir haben es eigentlich mit zwei Amerikas zu tun. Und das Land, das muss man leider so sagen, fällt im Moment auseinander.
Wie unumkehrbar ist dieser Prozess?
Sie sind nicht unumkehrbar. Nur: Die Bandbreite der realistischen Optionen, wie es weitergeht mit Amerika, ist sehr breit. Das kann von einer Wiederherstellung einer funktionierenden liberalen Demokratie bis hin zu einer zutiefst autoritären Ordnung reichen.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke