Die Türkei ist bei Deutschen ein beliebtes Reiseziel. Doch steigende Preise in Hotels und Restaurants lassen Buchungen aus Deutschland zurückgehen. Welche Folgen hat das für die Wirtschaft des Landes?

Die Zeiten von Billig-Urlaub in der Türkei scheinen vorbei. Viele Hotels, Restaurants oder Cafés, egal ob an der Ägäisküste oder in Istanbul, haben ihre Preise kräftig erhöht. Das zeigen Zahlen des türkischen Statistikamtes. Im Juni verteuerten sich die Preise für Hotels, Restaurants & Co. um rund 36 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Urlaub am Bosporus wird teurer, weshalb auch deutsche Urlauberinnen und Urlauber zögern. Reisebüros und Online-Portale aus Deutschland verzeichnen in dieser Sommersaison rund zehn Prozent weniger Buchungen für die türkische Riviera. Das geht aus den Mai-Daten des Marktforschungsinstituts Travel Data + Analytics hervor.

Und das hat auch Folgen für die türkische Wirtschaft. Denn der Tourismus mache bis zu 13 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, sagt Katrin Pasvantis von der Agentur für Außenwirtschaftsförderung Germany Trade & Invest (GTAI): "Tourismus hat eine große Strahlkraft auf die gesamte Wirtschaft. Wenn wir daran denken, dass er Devisen ins Land bringt oder Beschäftigung" Belebend sei der Tourismus für Sektoren wie Gastronomie, Transport oder Einzelhandel, so Pasvantis.

Lira fällt immer weiter

Ein Vorteil für Reisende bislang: die schwache Landeswährung. Denn im Vergleich zum Euro hat die Lira massiv an Wert verloren. Ein Grund ist der Einfluss von Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf die Geldpolitik. Er hat sich entgegen der ökonomischen Lehre lange Zeit gegen höhere Zinsen gewehrt und die Inflation im Land befeuert.

Vor zwei Jahren hatte die türkische Zentralbank ihre Leitzinsen dann erstmals erhöht, um die Inflation wieder in den Griff zu bekommen. Aktuell liegt der Leitzins der türkischen Zentralbank bei 46 Prozent. Das Schuldenmachen wird für Unternehmen und Verbraucher im Gegenzug teurer - auch die Staatsverschuldung steigt.

Inflation sinkt nur langsam

Viele Reiseveranstalter sichern sich mittlerweile ab, verhandeln zum Beispiel Preise in Euro - damit schwinden für Touristen Sparvorteile. Auch die hohe Inflation im Land geht nur langsam zurück - im Juni lag sie offiziell bei 35 Prozent. Unabhängige Expertinnen und Experten der Forschergruppe Enag zweifeln die Zahlen jedoch an und gehen von einer doppelt so hohen Teuerungsrate aus. Die Finanzmärkte wurden zusätzlich durch die Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu verunsichert. Der Lira-Verfall wurde nochmal beschleunigt.

Die Zentralbank schreitet immer wieder ein, erklärt Devisenexpertin Antje Praefcke von der Commerzbank. "Die Zentralbank versucht, eine 'Liraisierung' der Wirtschaft herbeizuführen. Dass also weniger Euro oder Dollar genutzt werden." Durch den Einsatz von Devisenreserven versuche die Zentralbank die Währung zu stabilisieren, so Praefke. "Das hat aber dazu geführt, dass es um die Höhe der Reserven nicht wirklich mehr gut aussieht."

Kein Vertrauen an Finanzmärkten

Vertrauen zurückbringen sollte der ehemalige Investmentbanker Mehmet Şimşek als neuer Finanzminister. Doch die türkische Wirtschaft bleibt weiter ein Sorgenkind. Präsident Erdoğan  hält außerdem an alten Forderungen fest. Er werde seinen Wunsch nach einer zinsfreien Wirtschaft weiterhin lautstark zum Ausdruck bringen, so Erdoğan kürzlich auf einer Wirtschaftskonferenz in Istanbul.

An den Finanzmärkten gibt es dafür keinen Applaus. "Erdoğan ist offensichtlich nicht bereit, starke schmerzhafte Anpassungen der Wirtschaft zu akzeptieren", kommentiert Praefcke von der Commerzbank.

An den Märkten fehlt das Vertrauen, angesichts hoher Inflation, steigender Mindestlöhne und politischer Unsicherheit. Viele ziehen ihr Kapital aus der Türkei ab - zu sehen auch an den Direktinvestitionen. Selbst am Aktienmarkt läuft es im Vergleich zu internationalen Aktienindizes nicht besonders.

Firmen halten sich zurück

Deutsche Unternehmen, die überlegen in die Türkei zu gehen, zögern aktuell, sagt Katrin Pasvantis von der Wirtschaftsförderungsagentur des Bundes GTAI: "Unternehmen sagen, sie wollen Planbarkeit." Unsicherheit sei natürlich Gift für Investitionen, so die Türkeiexpertin. Langfristig seien die Pläne für deutsche Unternehmen, in die Türkei zu gehen, aber noch nicht vom Tisch.

Unkalkulierbar ist zudem die Lage im Nahen Osten, die für Unsicherheit in der Region sorgt. Die Geschehnisse dürften auch Wirtschaft und Tourismus in der Türkei noch länger beeinflussen.

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