Eine laue Sommernacht Anfang Juli in Kiew – doch an Schlaf ist nicht zu denken. Stundenlang fliegen russische Kamikaze-Drohnen über die Häuser, man hört das Knattern der Maschinengewehre der Luftverteidigung und Explosionen. Auch Raketen sind in der Luft.

Legende: Die vom ukrainischen Telegram-Kanal «mon1tor_ua» veröffentlichte Grafik zeigt die massiven russischen Drohnenangriffe (gelb) auf Kiew in der Nacht des 10. Juli 2025. Telegram-Kanal «mon1tor_ua»

Brände brechen aus, ausgelöst von Einschlägen der Drohnen oder von abgeschossenen Trümmern. Am Morgen liegt giftiger Rauch über der Metropole. Wer kann, holt ein bisschen Schlaf nach. Oder man kommt nach Stunden im Schutzraum oder der Metro in die Wohnung zurück und muss feststellen, dass diese beschädigt oder ausgebrannt ist.

Das Leben muss weitergehen

Trotzdem geht das Leben weiter, viele gehen zur Arbeit, andere trinken zuerst einen Kaffee oder Tee, um zur Besinnung zu kommen. Man tauscht mit Bekannten und Familie Nachrichten aus und informiert sich, welche Stadtteile es diesmal besonders getroffen hat.

Und bald wirkt das Leben wieder normal, wie etwa beim Goldenen Tor im Stadtzentrum; die Schrecken der Nacht wirken wie ein böser Traum.

Zwei junge Frauen stehen vor einem kleinen Coffeeshop und warten auf ihre Bestellung. Sie lieben das Trendgetränk Matcha – so wie ihre Altersgenossinnen in anderen europäischen Hauptstädten. Die beiden Freundinnen heissen Veronika und Sofija, sie reden und lachen und wirken fröhlich.

Doch die dunklen Schatten unter ihren Augen sprechen eine andere Sprache. Sofija ist 21 Jahre alt und Pädagogin. Sie sagt: Sie gehe nie in einen Schutzraum. Dort wo sie wohne, gebe es das nicht. «Ich verstecke mich einfach unter der Bettdecke.» Und lacht etwas verlegen.

Kein Schutzraum – nur ein feuchter Keller

Die 20-jährige Veronika ergänzt, sie könnte in die Metro, um dort Schutz zu suchen, tue das aber nicht. Sie wohne bei ihrer Mutter, und dort gebe es keinen Schutzraum, nur einen feuchten Keller.

Manchmal schlafe sie im Badezimmer, da sei sie wenigstens nicht in der Nähe der Fenster und minimal geschützt. «Das war’s, sagt meine Mutter jeweils am Morgen und packt die Koffer. Ich kann nicht mehr, wir gehen ins Ausland.» Doch sie tun es dann doch nicht.

Der Stress wirkt auf deine Psyche – ich dachte, es trifft mich nicht, aber es tut es doch.
Autor: Sofija 21-jährige Pädagogin, lebt in Kiew

Sie hätten bereits nach Beginn der Grossinvasion ein halbes Jahr im Ausland Zuflucht gesucht, erzählt die junge Frau. In Tschechien. Dort habe es ihr gar nicht gefallen, sie habe sich nicht willkommen gefühlt. Es sei besser, in Kiew zu sitzen als im Ausland zu sein. Sie wolle nicht mehr weg, sie sei von der Krim und habe schon von dort fliehen müssen.

Stress wirkt auf die Psyche

Sofija sagt, sie rede sich ein, dass die schlimmen Nächte bei ihr keine Spuren hinterliessen: «Ich denke, dass ich unverwüstlich bin, aber meine Mutter sagt, dass es absolut jeden trifft. Der Stress wirkt auf deine Psyche, auf die Gesundheit, er beeinflusst dich. Ich dachte eigentlich, es trifft mich nicht, aber es tut es doch.»

Legende: Bild der Zerstörung: Drohneneinschlag in einem Wohnhochhaus in Kiew. Keystone / EPA / OLEG PETRASYUK

Und Veronika sagt: «Nachts um 4 Uhr von Explosionen aufzuwachen und durchgeschüttelt zu werden, ist bestimmt nicht gut für den Organismus.» Sie wünscht sich nichts mehr, als dass der Krieg bald vorbei ist, und mit ihm die schlimmen Angriffe aus der Luft.

Ihr Wunsch wird aber kaum bald in Erfüllung gehen. Kremlchef Putin sagt offen, dass er die ganze Ukraine erobern will. Russland hat auf Kriegswirtschaft umgestellt. Die Fabriken, die Drohnen und Raketen produzieren, laufen auf Hochtouren. Die ukrainischen Behörden rechnen damit, dass bald noch grössere Drohnenschwärme die ukrainischen Städte attackieren werden.

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