Eigentlich kann man sich sicher sein: Wenn ein Arzt ein Rezept für eine Apotheke ausstellt, ist das Medikament in ganz Deutschland gleich teuer. Dafür stellt die gesetzliche Preisbindung von Arzneimitteln sicher.
Mit Blick auf eine Rabattaktion einer ausländischen Online-Apotheke hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe nun eine lange strittige Rechtsfrage geklärt. Was das Urteil bedeutet und welche Folgen es haben könnte:
Wann ist der Preis für Medikamente gesetzlich festgelegt?
Für Medikamente, die man ohne Rezept vom Arzt in der Apotheke kaufen kann, gibt es keine gesetzliche Preisbindung. Jede Apotheke entscheidet also selbst, wie teuer sie diese verkauft. Für verschreibungspflichtige Medikamente sind die Preise hingegen gesetzlich geregelt – über die Arzneimittelpreisverordnung. Der Grundgedanke dahinter ist, dass die Medikamente in jeder Apotheke zum gleichen Preis angeboten werden sollen. Das soll die Apotheken vor ruinösem Wettbewerb und die vulnerablen Patienten vor einer Übervorteilung schützen.
Wie wird der Preis für rezeptpflichtige Medikamente gebildet?
Zunächst legt das Pharmaunternehmen den Verkaufspreis für sein Arzneimittel selbst fest. Der Großhandel und die Apotheken erheben darauf Zuschläge, die wiederum gesetzlich geregelt sind. Der Großhandel darf zunächst maximal 3,15 Prozent plus einen Festzuschlag von 73 Cent je Packung, höchstens aber 37,80 Euro draufschlagen. Die Apotheken dürfen darauf wiederum einen Zuschlag von drei Prozent plus einen Fixbetrag von 8,35 Euro je Packung erheben. Dazu kommen 21 Cent für die Sicherstellung des Notdienstes sowie 20 Cent für die Förderung zusätzlicher pharmazeutischer Leistungen.

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Gilt die Preisbindung auch für Online-Apotheken im Ausland?
Jahrelang wurde darüber gestritten, ob die Preisbindung auch für Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland gilt. Das war nun Thema am BGH. Der Bayerische Apothekerverband hatte in Karlsruhe gegen die Versandapotheke Tanimis Pharma aus den Niederlanden geklagt, die vor mehr als zehn Jahren auch deutschen Kundinnen und Kunden Bonusprämien beim Kauf verschreibungspflichtiger Medikamente versprach. Dabei handelt es sich um eine Tochter von DocMorris, die inzwischen im Unternehmen integriert ist.
Was sagt die Rechtsprechung dazu?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied 2016 in einem wegweisenden Urteil, dass die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) nicht für Apotheken mit Sitz in anderen EU-Mitgliedsstaaten gelten. Denn das würde den freien Warenverkehr einschränken und damit gegen EU-Recht verstoßen. Zwar könne eine Beschränkung des freien Warenverkehrs grundsätzlich mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt werden – doch die Preisbindung sei für diesen Zweck nicht geeignet.
Die Münchner Vorinstanzen hatten der Klage des Apothekerverbands trotzdem stattgegeben. Sie meinten, das EuGH-Urteil sei hier nicht anzuwenden, da die Zweifel an der Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der Preisregelung etwa durch eine Auskunft der Bundesregierung ausgeräumt wurden.

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Wie hat der Bundesgerichtshof entschieden?
In Karlsruhe hatte nun jedoch die Versandapotheke Erfolg: Gemäß EuGH müssten "harte Fakten" für eine Rechtfertigung der Preisbindung vorliegen, urteilte der erste Zivilsenat. Der Kläger habe es aber nicht vermocht, Daten oder andere Mittel zum Beweis seiner Behauptung vorzutragen, dass ohne die Arzneimittelpreisbindung die Aufrechterhaltung einer sicheren und flächendeckenden Arzneimittelversorgung und deshalb die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet sei, erläuterte der Vorsitzende Richter Thomas Koch.
Das Urteil bezieht sich allerdings explizit nur auf frühere Regelungen nach dem AMG in der bis zum 14. Dezember 2020 geltenden Fassung. (Az. I ZR 74/24)
Wie ist der Status quo?
Zur Umsetzung der EuGH-Entscheidung wurde der Passus im AMG aufgehoben, demzufolge die Arzneimittelpreisverordnung auch für Arzneimittel galt, die im Wege des Versandhandels nach Deutschland kamen. Änderungen erfolgten über das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken im Sozialgesetzbuch. Für gesetzlich Versicherte soll demnach der gleiche Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten – unabhängig davon, ob diese über eine Apotheke vor Ort oder eine EU-Versandapotheke bezogen werden.
Was bedeutet die BGH-Entscheidung nun dafür?
Hier unterscheiden sich die Interpretationen deutlich: DocMorris teilte mit, auf Basis des Urteils Kunden bei Online-Bestellungen für alle Medikamente auf Rezept "ab sofort" wieder einen finanziellen Bonus zu gewähren.
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hingegen betonte, die Preisbindung sei im Fünften Sozialgesetzbuch gesetzlich festgelegt. Vorbehaltlich der Prüfung der schriftlichen Urteilsgründe gingen die Verbände davon aus, dass es dabei bleibe. "Arzneimittel sind keine schlichte Handelsware, sie sind höchst beratungsbedürftige Produkte mit umfangreichen Risikoprofilen – Rabatte und Boni gehören nicht in die Arzneimittel- und Gesundheitsversorgung", sagte ABDA-Präsident Thomas Preis laut Mitteilung.

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Wie geht es weiter?
"Sollte die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Zweifel gezogen werden, wäre die Politik gefordert, schnellstmöglich Lösungen mit uns zu erarbeiten", erklärte Preis. Dann müssten die gesetzlichen Regelungen wohl überarbeitet werden. Auch könnte es sein, dass sich Gerichte mit der Frage befassen: In einem separaten Verfahren müsste geklärt werden, ob auch die aktuellen Regelungen gegen die vom EuGH vorgegebenen Kriterien verstoßen.
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