Fünf Prozent wollen die NATO-Staaten künftig für Verteidigung ausgeben. Was passiert mit dem Geld, was sind die größten Aufträge an Rüstungskonzerne? Stimmen die Prioritäten in Deutschland?

Rheinmetall-Chef Armin Papperger und Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, posieren stolz neben einem Modell des F-35-Kampfjets für die Kameras. Vorher sind sie mit einem Militärfahrzeug durch das neue Rüstungswerk des Unternehmens in Weeze gefahren, das Rheinmetall diese Woche der Öffentlichkeit vorgestellte. Papperger sitzt selbst am Steuer. Hier werden künftig Rumpfmittelteile für die US-amerikanischen Kampfjets hergestellt.

Die deutsche Regierung hat 35 dieser Mehrzweckkampfflugzeuge bestellt. Diese können als Träger von Atomwaffen im Rahmen der nuklearen Teilhabe der NATO eingesetzt werden. Sie sollen die in die Jahre gekommenen "Tornado"-Jets bis 2030 ersetzen.

Rheinmetall-Chef Armin Papperger und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst mit Mitarbeitern am neuen Standort in Weeze.

Rheinmetall-Chef Papperger spricht von einem Boom in der Rüstungsindustrie. Sein Unternehmen hatte 2024 den höchsten Umsatz aller Zeiten: 9,8 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 36 Prozent.

Auch andere Rüstungsunternehmen profitieren: Bei Airbus Defence and Space, einer Division der Airbus Group für Luft- und Raumfahrttechnik, stieg der Umsatz von 2023 auf 2024 um 5,1 Prozent auf 12,1 Milliarden Euro. Der Umsatz des Marinetechnologie-Unternehmens Thyssenkrupp Marine Systems betrug im Geschäftsjahr 2023/2024 rund 2,1 Milliarden Euro, im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von 16,7 Prozent.

Der große Boom der Rüstungsindustrie steht noch bevor

Klaus-Heiner Röhl, Verteidigungsexperte am Institut der deutschen Wirtschaft, sieht einen Aufschwung in der Rüstungsindustrie in den vergangenen drei Jahren. Der große Boom steht für ihn aber noch bevor: "Der wirkliche Aufwuchs wird durch das NATO-Ziel, 3,5 Prozent für Verteidigung auszugeben, kommen. Das wurde jetzt erst beschlossen."

Airbus erhofft sich durch die erhöhten Verteidigungsausgaben mehr Aufträge, fordert aber mehr Planungssicherheit. Oliver Hoffmann, Pressesprecher von Rheinmetall, erwartet einen weiteren Anstieg der Beauftragungen: "Da viele NATO-Staaten ihre Streitkräfte modernisieren und vergrößern, um eine wirksame Landes- und Bündnisverteidigung zu ermöglichen, sehen wir bis 2030 ein Auftragspotenzial von mehr als 300 Milliarden Euro allein in Europa."

Großprojekte aus dem Sondervermögen

Zu den teuersten Bestellungen aus dem 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr gehören neben den F-35-Kampfjets 60 "Chinook"-Transporthubschrauber für sieben Milliarden Euro und das Flugabwehrsystem "Arrow 3" für vier Milliarden Euro. Der vollständige Schutz durch das "Arrow 3"-System soll ab 2030 gewährleistet werden, die Transporthubschrauber sollen zwischen 2027 und 2032 kommen.

Für Röhl setzen die bisher angestoßenen Großprojekte angesichts der Bedrohungslage nicht die richtigen Prioritäten: "Wenn wir auf die jetzt geäußerte strategische Planung gucken und Geheimdienste sagen, wir haben nur fünf Jahre Zeit, um uns auf einen Angriff Russlands vorzubereiten, dann hat man das Geld des Sondervermögens zumindest zum Teil in zu große Projekte gesteckt, die zu lange dauern." Umso mehr sollte man nun zügig dafür sorgen, das Heer wieder voll einsatzfähig zu machen, indem man eine Einsatz-Reserve für Fahrzeuge und Waffen schafft und für mehr Soldaten und ausreichend Munition sorgt.

Unabhängigkeit von den USA?

Man müsse außerdem den technologischen Abstand zu den Vereinigten Staaten aufholen, um die Verteidigung in Europa auch ohne die Hilfe der USA zu gewährleisten. Röhl geht davon aus, dass es mindestens zehn Jahre dauern wird, um in den Bereichen Aufklärungssatelliten, elektronisches Gefechtsfeld und elektronische Kriegsführung auf den modernsten Stand zu kommen.

Seit Donald Trumps zweiter Amtszeit bemühen sich europäische NATO-Staaten, unabhängiger von den USA zu werden. Gleichzeitig ist das F-35-Projekt von Rheinmetall eine Kooperation mit den US-amerikanischen Rüstungsunternehmen Lockheed Martin und Northrop Grumman. Zusammengebaut werden die Kampfflugzeuge in den USA. Rheinmetall-Chef Papperger spricht von einem "Leuchtturm-Projekt transatlantischer Verteidigungskooperation". Es gebe extreme Verlässlichkeit der US-Partner.

Kritisch sieht diese Kooperation die Nichtregierungsorganisation "Ohne Rüstung Leben". Die Friedensorganisation besteht seit mehr als 45 Jahren und ist deutscher Partner der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). "Die Beschaffung des F-35 schafft neue Abhängigkeiten und steht so in krassem Widerspruch zum vielbeschworenen Ziel einer strategischen Autonomie Europas." Auch aus der Politik kommt Kritik: CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter warnt, die USA hätten "den Hebel, die F-35 für uns und andere nutzlos zu machen".

Zukünftige Investitionen

Ob das Verteidigungsministerium den technologischen Fortschritt priorisiert, wird nicht konkret formuliert. Eine Sprecherin des Ministeriums schreibt: "Geplant sind Investitionen unter anderem in den Bereichen Luftverteidigung, weitreichende Präzisionswaffen, Beschaffung und Bevorratung von Munition, unbemannte Systeme in allen Dimensionen, Digitalisierung und Führungsfähigkeit einschließlich der Nutzung innovativer Technologien, wie Künstliche Intelligenz."

Rheinmetall berichtet von großen Aufträgen in den Bereichen Munition, bei der Luftverteidigung und Gefechtsfahrzeugen, aber auch in der Aufklärungsfähigkeit und Digitalisierung. "Allein im Bereich der Digitalisierung der Bundeswehr haben wir seit Ende vergangenen Jahres einen Auftragseingang von insgesamt rund zwölf Milliarden Euro erhalten." Thyssenkrupp bekommt vermehrt Aufträge für konventionelle U-Boote, Fregatten, digitale Systeme und unbemannte Systeme für Minenabwehr und Aufklärung.

Verteidigungs- und sicherheitsrelevante Investitionen

Neben den 3,5 Prozent für Verteidigungsausgaben haben sich die NATO-Staaten darauf geeinigt, 1,5 Prozent für verteidigungs- und sicherheitsrelevante Bereiche wie Infrastruktur, Industrie und Resilienz auszugeben. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums erklärt, es könne dabei um Schutzmaßnahmen im Bereich der Cyberabwehr und der Härtung von Verkehrswegeinfrastrukturen gehen. "Die genaue Zuordnung einzelner Ausgabenpositionen wird im Nachgang des Gipfels regierungsintern abgestimmt", heißt es weiter.

Konkrete Angaben, welche Maßnahmen in diesem Bereich geplant sind, gibt es vom Verteidigungsministerium also noch nicht. Verteidigungsexperte Röhl sieht als einen Schritt die Erneuerung von Autobahnbrücken, damit Panzer diese befahren können. "Ein anderer Aspekt wäre die zivile Verteidigung. Für den Katastrophenfall bräuchte es beispielsweise Fahrzeugreserven beim Roten Kreuz." Außerdem müsse man Nahrungsmittelreserven für die Bevölkerung aufbauen, wie sie es bis 1990 gab.

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