Die vom Iran während vieler Jahre beschworene «Achse des Widerstands» ist massiv geschwächt. Von Russland und China, mit deren Hilfe sich Teheran aus der Isolation befreien wollte, ist keine Hilfe in Sicht. Ein Lageüberblick mit dem Islamwissenschaftler Guido Steinberg.

SRF News: Wie stellen sich die aktuellen Machtverhältnisse in Nahost dar?

Guido Steinberg: «Achse des Widerstands» nennt Teheran das grosse Bündnis, das Iran in den letzten vier Jahrzehnten aufgebaut hat. Ein Widerstand gegen US-amerikanischen Imperialismus, Zionismus und den Staat Israel. Zu diesem Bündnis gehören die Hisbollah im Libanon, die Huthi-Rebellen im Nordjemen, die irakischen schiitischen Milizen im Zweistromland und bis vor Kurzem das Assad-Regime in Syrien. Doch Israel hat nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 massiv zurückgeschlagen. Die Hisbollah ist stark geschwächt. Die Hamas existiert kaum noch. Das Regime von Assad ist durch sunnitische Islamisten gestürzt worden.

Auf der anderen Seite der Staat Israel, der sich vor allem durch die Art und Weise seiner Kriegsführung in Gaza, aber auch durch sein Vorgehen im Westjordanland immer stärker isoliert hat. Israel hat zwar in den letzten Jahren Friedensverträge geschlossen, und anderem mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auch mit Saudi-Arabien war ein Frieden geplant. Doch zurzeit nehmen die arabischen Staaten von engeren Beziehungen mit Israel Abstand. Ganz einfach deshalb, weil sich die öffentliche Stimmung in der Region so sehr gegen Israel wendet.

Wie positioniert sich Saudi-Arabien?

Saudi-Arabien und Israel näherten sich einander bis vor einigen Jahren an, weil sie in der Islamischen Republik Iran die grösste Bedrohung für die Stabilität der Region und auch für den Fortbestand ihrer Staaten sahen. Bereits in der ersten Amtszeit von Präsident Donald Trump war die Rede von einem möglichen Frieden. Seit 2020 distanzierten sich die Saudis aber immer mehr von Israel und setzten auf einen Entspannungskurs mit Teheran. Auch die Regierung von Präsident Joe Biden versuchte vergeblich, einen Frieden mit Israel zu fördern. Doch Saudi-Arabien suchte eine etwas intensivere Nähe zu Russland und China sowie zum Iran.

Was tun Russland und China als Verbündete des Iran?

In den letzten Jahren deutete sich an, dass sich der Iran etwas aus seiner Isolation herausbewegt, indem er gute Beziehungen zu Russland und China aufbaute. Dass die beiden Länder nun so am Rande stehen und es vor allem von Russland überhaupt keine Hilfen gibt, ist schon sehr erstaunlich. Immerhin lieferten die Iraner den Russen Drohnen und Drohnentechnologie, die im Ukraine-Krieg sehr erfolgreich eingesetzt werden.

Es ist möglicherweise einfach falsch, Russland und China als Verbündete des Iran zu bezeichnen.
Autor: Guido Steinberg

Ich ging immer davon aus, dass es dafür eine militärische Gegenleistung geben würde und Russland dem Iran beim Wiederaufbau oder bei der Verbesserung seiner Luftabwehr hilft. Das ist nicht geschehen. Es ist möglicherweise einfach falsch, Russland und China als Verbündete des Iran zu bezeichnen. Viele im Westen und auch ich haben diese neuen Beziehungen offenbar falsch eingeschätzt. Das führt zur Erkenntnis, dass der Iran in dieser Krise isolierter denn je ist.

Das Gespräch führte Susanne Stöckl.

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