Mit der Kontrolle einer für den Ölexport aus dem Nahen Osten entscheidenden Meerenge hat der Iran ein starkes Druckmittel in der Hand. Allerdings nur auf den ersten Blick.
Das Schreckgespenst der steigenden Inflation geht wieder um. Blockiert der Iran als Antwort auf den US-Angriff die Straße von Hormus, würden die Ölpreise weltweit deutlich steigen und damit sowohl die Benzinpreise als auch die Verbraucherpreise insgesamt. Die ohnehin schwache Konjunktur bekäme einen neuen Dämpfer.
Irans Parlament hat der Sperrung der für den Ölexport aus dem Nahen Osten entscheidenden Meerenge bereits zugestimmt, nun muss der Oberste Nationale Sicherheitsrat entscheiden. Das Land droht mit "unvorhersehbaren Konsequenzen". Doch die Schließung der Straße von Hormus dürfte nach Einschätzung von Experten nicht dazu zählen.
Und das, obwohl die Blockade eine wirkungsvolle Waffe wäre - sie könnte einen Ölpreisschock auslösen. Ökonomen sowohl der Deutschen Bank als auch der ING-Bank gehen davon aus, dass der Preis für die Nordseesorte Brent binnen kurzer Zeit auf 120 Dollar pro Barrel steigen würde, bei einer längeren Blockade noch stärker. Zum Wochenbeginn schnellte der Preis bereits um fast sechs Prozent nach oben auf über 81 Dollar. Allerdings nur kurz.
Denn die Schließung der Straße von Hormus ist zwar eine starke Drohung, aber letztlich unwahrscheinlich. Mit diesem Schritt würde sich der Iran selbst schaden. Den USA würde das Land damit vielleicht sogar nützen, wie Energie-Experte Georg Zachmann von der Denkfabrik Bruegel auf ntv.de-Anfrage ausführt: "Die USA sind nicht mehr auf Ölimporte angewiesen. Sie würden aufgrund eigener Exporte gesamtwirtschaftlich möglicherweise sogar von höheren Öl- und Flüssiggas-Preisen profitieren."
Eigener und Export von Verbündeten würde gestoppt
Daneben müsste der Iran bei einer Blockade möglicherweise seine "sehr wichtigen eigenen" Ölexporte einschränken. "Gleichzeitig kann der regionale Wettbewerber Saudi-Arabien inzwischen auch Öl via Pipeline vom Golf ans Rote Meer bringen", sagt Zachmann.
Treffen würde der Iran nicht nur sich selbst, sondern vor allem asiatische Kunden, insbesondere Indien und China. Die Länder sind nicht nur die größten Kunden der Ölexporte aus der Region, die Volksrepublik ist auch politischer und militärischer Partner.
Energiemarkt-Analyst Tobias Federico vom Energie-Nachrichtendienstleister Montel verweist zudem auf die negativen Folgen für Katar und auch für den Irak. "Da Katar mittlerweile ein wichtiger globaler Erdgaslieferant ist und Iran und Katar gemeinsam Gasfelder ausbeuten, glaube ich, dass es Drohungen sind und bleiben werden", sagt er ntv.de.
Sowohl Federico als auch Sean Cronin, Ölmarkt-Experte bei der Preisbeobachtungsagentur Argus Media, betonen allerdings auch, wie schnell sich diese Einschätzung ändern kann. Schließlich wäre dieser ökonomische Schlag eine geringere Eskalation als direkte Militärschläge gegen US-Stützpunkte in der Region, wie Cronin ntv.de mitteilt.
Ein Fünftel des Ölverbrauchs wird hier exportiert
Saudi-Arabien, Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Kuwait und der Irak exportieren den Großteil ihres Rohöls über die Straße von Hormus, vor allem nach Asien. Etwa ein Fünftel des weltweiten Ölverbrauchs fließt durch sie. Täglich bis zu 20,8 Millionen Barrel (je 159 Liter) Rohöl, Kondensat und Kraftstoffe werden hier laut Daten des Analyseunternehmens Vortexa transportiert. Bei einer Blockade könnte dies kaum kompensiert werden. Nur etwa 2,6 Millionen Barrel pro Tag an ungenutzter Kapazität aus Pipelines der VAE und Saudi-Arabiens stünden dann zur Verfügung, schätzt die US-Behörde Energy Information Administration.
"Noch gravierender fällt die Abhängigkeit bei LNG aus", betonen die Experten des Bankhauses Metzler. Etwa ein Viertel der weltweiten Lieferströme des verflüssigten Erdgases (LNG) gehen durch die Meerenge. Katar, einer der weltweit größten LNG-Exporteure, schickt fast sein gesamtes Flüssigerdgas durch die Straße von Hormus.
Bisher spreche die Ölpreis-Entwicklung aber gegen eine Seeweg-Blockade, sagt Cronin. "Die Referenzmärkte für Rohöl sind seit den Angriffen Israels am 13. Juni um rund 7 bis 8 US-Dollar pro Barrel auf knapp unter 80 US-Dollar pro Barrel gestiegen. Dies ist ein starker Anstieg, aber noch kein Niveau, das darauf hindeutet, dass der Markt von einer Sperrung der Meerenge durch den Iran ausgeht."
Außerdem wäre eine Sperrung auch technisch schwierig, wie Kapitalmarktanalyst Martin Lück im Interview mit ntv klarstellt. Bei Angriffen aus der Luft etwa müsse man sich fragen, ob der Iran überhaupt noch die nötigen militärischen Kapazitäten habe. Würde die Meerenge vermint, könnten auch Tanker auf dem Weg nach China getroffen werden - "dann macht man sich bisherige Freunde auch noch zu Feinden". Lücks Fazit: "Ich glaube nicht an diese Sperrung."
Eine zentrale Kontrollbehörde wie etwa am Suezkanal gibt es nicht. Die Tanker fahren durch Hoheitsgewässer des Iran und des Oman. Ein UN-Abkommen, das Handelsschiffen freie Durchfahrt garantiert, hat der Iran zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert.
"Das würde China nicht zulassen"
Rechtlich befugt für eine Sperrung ist der Iran nicht, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg ausführt. Würde die iranische Marine etwa die Einfahrt versperren, müsste sie mit einer scharfen Reaktion westlicher Marinen rechnen, die in dem Gebiet patrouillieren.
Lieferketten-Experte Marc Kloepfel sagte ntv mit Blick auf die Hoheitsgewässer des Oman: "Wenn Iran diese Bereiche blockieren würde, wäre das ein offener Krieg - ich glaube, das würden weder die USA und vor allem China nicht zulassen."
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