Die USA überlegen, an der Seite Israels in den Krieg gegen den Iran einzutreten. Warum das für Israel zentral wäre und wie sich die Lage in Nahost eine knappe Woche nach Kriegsbeginn darstellt, erklärt Nahost-Experte Guido Steinberg.

SRF News: Wie stark wurden die iranischen Atomanlagen durch israelische Angriffe schon beschädigt?

Guido Steinberg: Es gibt Informationen über Schäden an der Urananreicherungsanlage in Natans. Auch Zentrifugen, die sich im Untergrund befinden, sollen stark beschädigt worden sein. Ob die Anlage zerstört ist, vermag ich noch nicht zu sagen. Mein Eindruck ist, dass es immer noch möglich wäre, sie in recht kurzer Zeit wieder aufzubauen.

Ohne US-Hilfe bliebe das Atomprogramm zwar nicht intakt, wäre aber wohl nach Ende der Kampfhandlungen recht rasch wieder aufbaubar.

Die grosse Urananreicherungsanlage Fordo, die sehr viel tiefer in den Berg hineingebaut ist als Natans, scheint noch weitgehend intakt zu sein. Um diese zu zerstören, ist Israel auf die USA und deren Waffen angewiesen. Ohne amerikanische Hilfe sieht es so aus, als würde das Atomprogramm zwar nicht intakt bleiben, es wäre aber nach einem Ende der Kampfhandlungen in recht kurzer Zeit wieder aufbaubar.

Ist Israel somit darauf angewiesen, dass sich die USA in den Krieg einschalten?

Ja. Es gibt zwar die Möglichkeit, Fordo auch mit Bodentruppen anzugreifen, das wäre aber mit sehr grossen Risiken verbunden. Nach meinem Dafürhalten benötigt Israel die Hilfe der USA.

Es geht um mehr als das Atomprogramm.

Was, wenn die USA nicht eingreifen? Wann wäre für Israel das Ziel erreicht und es würde den Krieg beenden?

Das ist unklar. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat bereits in Gaza einen Krieg begonnen hat, ohne wirklich zu wissen, wie er aus diesem wieder herauskommt. Diese Geschichte scheint sich nun zu wiederholen. Die strategischen Ziele der Israelis sind unklar. Es geht um mehr als das Atomprogramm. Darauf weist die Breite der israelischen Angriffe hin, die ja beispielsweise auch Öl- und Gasanlagen im Iran angreifen. Und weil dieses Ziel nicht klar ist, ist auch unklar, wann die Israelis diesen Krieg beenden wollen.

Legende: Die iranische Urananreicherungsanlage Fordo am 24. Januar 2025 auf einem Satellitenbild von Maxar Technologies. Keystone / AP Maxar Technologies

Wie bewertet die iranische Bevölkerung die Angriffe Israels?

Die Zivilbevölkerung ist gespalten. Wir gehen davon aus, dass bis zu 20 Prozent der Bevölkerung weiterhin das Regime unterstützen. Diese sind natürlich schockiert ob dieser Verluste Irans, vor allem der Verluste an wichtigem Personal. Die übrigen 80 Prozent der Bevölkerung, die dem Konflikt entweder indifferent gegenüberstehen oder auch das Regime ablehnen, sind zunehmend schockiert, was so eine moderne Kriegsmaschinerie in ihrem Land anrichten kann. Viele versuchen zu fliehen. Teheran gleicht zeitweilig einer Geisterstadt. Viele wünschen sich, dass das Regime der Islamischen Republik fällt, aber sie möchten gleichzeitig keine Intervention von aussen und keine Verluste unter der Zivilbevölkerung.

Es scheint momentan eher so zu sein, als ob die Angriffe das Regime weiter zusammenschweissen.

Sehen Sie die Möglichkeit, dass von der Gesellschaft der Impuls zum Sturz des Mullah-Regimes kommt?

Zumindest im Moment gibt es dafür keine Anzeichen. Die Opposition ist zerstritten, sie ist nicht organisiert. Es gibt keine militanten Gruppen im Land, die dieses Regime bekämpfen könnten. Aus meiner Sicht ist aber vor allem wichtig, ob es Brüche innerhalb des Regimes gibt. Solange es dort keine internen Konflikte gibt, hat die Opposition keine Chance, die Macht zu übernehmen. Ob solche Konflikte entstehen, vermag ich von aussen zurzeit nicht zu sagen. Es scheint aber eher so zu sein, als ob die Angriffe das Regime weiter zusammenschweissen.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke