Der Angriff Israels auf den Iran hat Rohöl kräftig verteuert, der globalen Konjunktur droht ein schwerer Rückschlag. Vor allem eine Schließung der Straße von Hormus hätte gravierende Folgen.
Die Eskalation im Nahen Osten hat bereits jetzt erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen. Die Rohölpreise haben in den vergangenen Tagen deutlich zugelegt, die Finanzmärkte kamen zeitweise ins Wanken, die globalen konjunkturellen Aussichten werden ungewisser. Nach iranischen Angaben hat Israel unter anderem auch große Öl- und Gasfelder des Landes angegriffen.
Expertinnen und Experten halten es nicht für ausgeschlossen, dass der Iran mit einer Blockade eines der wichtigsten globalen Handelswege reagiert, der Straße von Hormus. Sie ist der einzige Zugang zum Persischen Golf. Der Iran hatte in der Vergangenheit wiederholt damit gedroht, diesen bedeutenden Handelsweg zu blockieren. Was wären die Folgen einer Blockade für die deutsche Konjunktur, die Weltwirtschaft und die Verbraucherinnen und Verbraucher?
Sorge vor einer Unterbrechung der Ölversorgung
"Der Konflikt am Golf könnte den Verkehr über eine der wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt und die Ölversorgung aus einer Region unterbrechen, die für etwa ein Viertel der weltweiten Produktion verantwortlich ist", erklärt Ricardo Evangelista, Chefanalyst beim Broker ActivTrades.
Es bestehe die Sorge, dass die Eskalation zu einer Unterbrechung der Rohöl- und Erdgaslieferungen aus größeren Förderländern im Persischen Golf führen könne, stellt Stephen Dover, Head of Franklin Templeton Institute, fest. "Alle Bemühungen, den Ölfluss durch die Straße zu behindern, würde sich auch auf Lieferanten wie Saudi-Arabien und die anderen Golfstaaten sowie auf Ölimporteure, insbesondere in Asien, auswirken", erklärt der Ökonom.
Irans Ölexporte gehen vor allem nach China
Die Fachleute sorgen sich also weniger um die Ölproduktion des Iran, die für den Weltmarkt nicht von entscheidender Bedeutung ist. Die Islamische Republik produziere rund 3,8 Millionen Barrel pro Tag, was etwa vier Prozent der weltweiten Produktion entspreche, stellt Dover fest. Davon würden etwa 1,8 Millionen Barrel täglich exportiert, während der Rest im Inland verbraucht werde.
Die Hauptabnehmerländer Irans sitzen vor allem in Asien, der wichtigste Abnehmerstaat ist China. "Ein Ausfall könnte vom globalen Ölmarkt wohl zunächst verkraftet werden", sagen deshalb Experten des Bankhaus Metzler.
Aber die Energieexporte anderer Staaten durch die Handelsstraße sind bedeutsam: "Rund 23 Prozent der Weltölförderung und damit auch ein wesentlicher Teil des globalen Ölexports stammen aus Ländern am Persischen Golf", stellen die Fachleute der Helaba fest. "Noch gravierender fällt die Abhängigkeit bei LNG aus", warnen die Metzler-Analysten. Etwa ein Viertel der weltweiten Lieferströme des verflüssigten Erdgases (LNG) geht durch die Meerenge.
Unsicherheit, aber keine Panik
Derzeit herrscht trotz der markanten Preisaufschläge noch eine relative Gelassenheit an den Öl- und Rohstoffmärkten. Aktuell bewegen sich die Notierungen am Ölmarkt sogar wieder zurück. Im Augenblick gehe man nicht davon aus, dass es wirklich zu einer Sperrung der Straße von Hormus komme, sagte Robert Halver, Marktstratege bei der Baader Bank, der ARD-Finanzredaktion. "Zwar sorgt der Konflikt für kurzfristige Verunsicherung, doch der strukturelle Puffer der OPEC, mit ausreichend freier Produktionskapazität, begrenzt das Aufwärtspotenzial", heißt es von den Marktbeobachtern von Index Radar.
Allerdings gilt es zu bedenken, dass beispielsweise Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, selbst wenn sie die Fördermengen erhöhten, den Transportweg durch die Straße von Hormus nutzen müssen, auch wenn zunehmend Landverbindungen an Bedeutung gewinnen.
Sollte der Iran tatsächlich eine Sperrung des Handelswegs versuchen, könnte es durchaus zu einer Panikreaktion an den Märkten kommen. Die Preisprognosen für Rohöl kratzen dann nicht nur an der 100-Dollar-Marke, sie gehen auch darüber hinaus. Deutsche-Bank-Experte George Saravelos ist der Ansicht, der Preis für ein Barrel (159 Liter), könnte gar auf mehr als 120 US-Dollar steigen.
Energiepreise legen deutlich zu
Die Verbraucher spüren die Auswirkungen der Eskalation und die gestiegenen Ölpreise trotzdem längst in ihrem Geldbeutel. An den Tankstellen legten die Preise für Benzin und Diesel nach Zahlen des ADAC spürbar zu. So kostete am Sonntagmorgen ein Liter Super E10 1,749 Euro, ein Liter Diesel 1,639 Euro. Am 10. Juni, also vor dem israelischen Angriff, hatte der Preis für E10 laut ADAC noch bei 1,668 Euro gelegen, der Dieselpreis bei 1,550 Euro.
Auch der Markt für Heizöl zeigt eine signifikante Reaktion. Während 100 Liter Heizöl im Mai noch durchschnittlich rund 87 Euro gekostet hätten, so wenig wie seit zwei Jahren nicht, seien es aktuell schon rund 94 Euro, teilt das Vergleichsportal Verivox heute mit. "Die weitere Entwicklung im Nahost-Konflikt bleibt erst mal unklar, die Preise könnten also auch noch weiter steigen", warnt Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox.
Kehrt die Inflation zurück?
Eine Folge der anziehenden Energiepreise würde eine Rückkehr der kräftig steigenden Inflation bedeuten. Eine Schließung der Straße von Hormus könne schwerwiegende inflationäre Auswirkungen haben, unterstreicht auch Neil Wilson, Anlagestratege bei Saxo Markets.
Zuletzt hatte das Tempo der Inflation deutlich nachgelassen. Im vergangenen Mai lag die Inflationsrate bei 2,1 Prozent. Zum Vergleich: Im Mai des Jahres 2023 hatte sie noch bei 6,1 Prozent gelegen. Vor allem die sinkenden Energiepreise waren die Ursache für den Rückgang. Sollte sich dieser Trend umkehren, müssten die Verbraucher wieder mit einer steigenden Inflation rechnen.
Das Ende der Zinssenkungen
Und nicht nur das: Sollte der Ölpreis wieder über 100 Dollar steigen, droht in Deutschland erneut eine Rezession, lautet die Einschätzung von Jochen Stanzl, Marktstratege bei CMC Marktes. Zuletzt hatten Ökonominnen und Ökonomen der führenden Forschungsinstitute ihre Konjunkturprognosen deutlich erhöht. Diese Prognosen dürften dann als überholt gelten.
Von den konjunkturbremsenden Effekten der Energiepreise wäre die ganze Weltwirtschaft betroffen, die nach wie vor vom Sprudeln des Erdöls abhängig ist. Der steigende globale Inflationsdruck in Verbindung mit der Verschärfung rezessiver Tendenzen hätte Einfluss auf die Geldpolitik der Notenbanken. "Mit dem Angriff Israels auf den Iran steigt die Wahrscheinlichkeit einer globalen Stagflation", mahnt Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank.
Unter einer Stagflation verstehen Ökonominnen und Ökonomen steigende Preise bei gleichzeitig stagnierendem Wirtschaftswachstum. Die Notenbanken stecken dann in einem Dilemma, weil sie, um der Wirtschaft Impulse zu geben, die Zinsen eigentlich senken müssten. Das wiederum würde zu weiter steigenden Preisen führen und damit die Konjunktur weiter abwürgen.
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