Immer, wenn in Deutschland mit der Wirtschaftsmotor stottert, wird über die Abschaffung von Feiertagen debattiert. Denn so mancher ist ja der Meinung, dass in Deutschland zu wenig gearbeitet würde. Und tatsächlich hat ein zusätzlicher Arbeitstag durchaus einen Effekt für die Wirtschaftsleistung. Das bestätigt auch Marcel Fratzcher, Präsident des Instituts der Deutschen Wirtschaft (DIW): "Einen Tag mehr Arbeit, bringt vielleicht acht Milliarden Euro zusätzlich, also vielleicht 0,2 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung." Das aber sei allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein und löse keines der aktuellen Probleme.
Für gewöhnlich gilt: zwei Wirtschaftsforscher, drei Meinungen, aber in diesem scheint es eine gewisse Übereinstimmung zu geben. Auch Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle hält wenig von der aktuellen Feiertagsdebatte: "Wenn wir einen Feiertag abschaffen, dann resultiert daraus auch mehr wirtschaftliche Leistung im Gesamtvolumen. Ob das jetzt nun wünschenswert ist oder das gemacht werden sollte, das ist aber keine ökonomische Entscheidung."

Letztendlich gehe es um den Sinn von Feiertagen, also um politische Entscheidungen. Dennoch hält sich hartnäckig ein Vorurteil: Die Christen feiern zu Pfingsten den heiligen Geist, die Ökonomen würden am Pfingstmontag lieber den heiligen Umsatz feiern.
Weniger Gläubige: Braucht es da noch den Pfingstmontag?
Doch die Zahl der Christen, die den heiligen Geist zu Pfingsten feiern, schwindet. Welchen Sinn macht da ein Feiertag, dessen Bedeutung nur noch eine Minderheit in Sachsen-Anhalt kennt? Stephan Rether ist Leiter des Katholischen Büros im Bistum Magdeburg und hält Kontakte zu Landtag und Parteien.
Rether sieht beim Thema Pfingstmontag keine Verhandlungsmasse: "Für uns als Kirche ist weiterhin bei den kirchlichen Feiertagen von großer Bedeutung, dass die Menschen über Inhalt, Sinn und Anlass dieser Feiertage nachdenken können – ein ganz niederschwelliges Instrument der Verkündigung."
Tatsächlich nutzen ja viele Gemeinden den heutigen Feiertag mit ungewöhnlichen Gottesdiensten, etwa in Verbindung mit dem bundesweiten Mühlentag. In der Nietlebener Kirche bei Halle gibt es heute sogar einen Schlagergottesdienst mit einem DJ. Niedrigschwellig eben. Doch können wir uns das ökonomisch noch leisten?
Pfingsten: Heiliger Geist oder heiliger Umsatz?
Marcel Fratzscher vom DIW Berlin hält die aktuelle Debatte für fehlgeleitet. Aus seiner Sicht wird der Blick einseitig verengt: "Wer ist daran schuld, dass es dem Land nicht gut geht? Und dann wird mit dem Finger auf die Beschäftigten gezeigt, auf die Menschen. Die sind faul, die müssen mal härter arbeiten. Aber es wird nicht gefragt, welchen Anteil haben eigentlich die Unternehmen?"

Statt über die Quantität der Arbeit sollte über die Qualität der Arbeit nachgedacht werden. Und hier seien vor allem die Firmen gefragt: "Das große Problem in Deutschland ist die Produktivität, dass Beschäftigte pro gearbeiteter Stunde nicht wirklich heute mehr produzieren können, als vor 20 Jahren." Statt mehr zu arbeiten, gehe es darum intelligenter zu arbeiten. Viele Firmen hätten beim Thema Digitalisierung den Anschluss verloren.
Qualität statt Quantität der Arbeit
Auch Oliver Holtemöller sieht in der Debatte um Feiertage eher den Versuch einer politischen Seitwärtsbewegung. Dass die Produktivität nur sehr wenig steigt, sei kein deutsches, sondern ein europäisches Problem. Die klassischen Industrien verlieren an Bedeutung, das große Geld wird nicht mehr mit Maschinen und Anlagen verdient: "Die Unternehmen, die in den USA maßgeblich zu dem Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren beigetragen haben, sind diese großen Internet- und Plattformunternehmen. Und die haben wir schlichtweg in Europa nicht in dem Ausmaß", so Holtemöller.
Die aktuelle Krise der deutschen Autoindustrie kann da als Beleg für diese Beobachtung gelten. Ob die Streichung eines Feiertages etwas an dieser Situation ändern würde, darf wohl bezweifelt werden.
Die Feiertagsdebatte zeigt möglicherweise exemplarisch, vor welchen Herausforderungen das Land steht. Scheinbar einfache Lösungen erweisen sich als untauglich, um langfristige Veränderungen einzuleiten. Und die zunehmende Entfremdung von kirchlichen Traditionen weckt politische Begehrlichkeiten.
Stephan Rether vom katholischen Büro in Magdeburg sieht dennoch viele Gründe, am deutschen Feiertagskalender festzuhalten: "Feiertage sind ein wichtiger Ausdruck des Sozialstaates. Es ist nicht nur im familienpolitischen Interesse, es ist auch ein wichtiges Instrument, dass der zunehmenden weiteren Individualisierung unserer Gesellschaft im realen und im digitalen Bereich entgegenwirkt."
Politisch unpopulär: Der Feiertagsverzicht
Allerdings ist derzeit Gefahr einer Streichung nicht akut. Eine klare Mehrheit der Deutschen lehnt nach aktuellen Umfragen eine Streichung von Feiertagen ab. In diesen angespannten Zeiten dürfte sich wohl kaum eine Regierung verleiten lassen, mit einer Streichliste die so beliebten verlängerten Wochenenden in Deutschland auszudünnen – ob mit oder kirchlichen Bezug.
MDR (Uli Wittstock, Hannes Leonard)
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